VIKTOR ORBÁNS TOTALER TRIUMPH
Am Abend des 25. April 2010 steht Viktor Orbán auf einer Bühne auf dem Vörösmarty-Platz im Herzen von Budapest, umringt von seinen engsten Parteifreunden, Mitarbeitern und Bewunderern. Zufrieden blickt er auf hunderte Menschen hinab, die ihm frenetisch zujubeln. Viele schwenken ungarische Nationalfahnen und skandieren immer wieder lauthals „Vik-tor, Vik-tor, Vik-tor …“ Der große Wahlsieger hat sichtlich Mühe, sich das Lachen und Jubeln zu verbeißen. Orbán bemüht sich, ernst und gefasst dreinzuschauen, doch das gelingt ihm nicht immer. Hie und da überfällt ihn ein Lächeln, das er sofort mit raschem Räuspern unterdrückt und mit der linken Faust vor dem Mund zu verdecken versucht.
Wie muss sich Viktor Orbán in diesen Minuten des totalen Triumphes gefühlt haben? Ein Sieg, auf den er acht Jahre lang gewartet hat, und dennoch verwehrt er sich ausgerechnet jetzt offen zur Schau gestellten Jubel. Keine Geste des Sieges, kein Winken, kein Händeschütteln, nichts … Wie ein Fußballnationalspieler, der nach harten 90 Minuten den Siegestreffer seiner Mannschaft erzielt und dann nahezu regungslos, mit angestrengt ernster Miene die Umarmungen seiner Mitspieler und die stehenden Ovatiocnen seiner Fans entgegennimmt.
Vermutlich hätte Viktor Orbán am liebsten gejauchzt vor Freude, denn er weiß in diesem Moment, dass er ab jetzt in seiner Heimat wie ein absolutistischer Herrscher schalten und walten kann, wie es ihm gefällt. Dass er ab jetzt das Land ganz nach seinen persönlichen Vorstellungen umgestalten kann – ein zutiefst befriedigendes Gefühl für einen Machtmenschen wie den heute50-jährigen Viktor Orbán.
Der erdrutschartige Wahlsieg der nationalkonservativen Partei namens FIDESZ (Fiatal Demokraták Szövetsége – zu Deutsch: Bund junger Demokraten) ist weniger auf eine geniale Oppositionspolitik des Parteichefs Viktor Orbán oder seine überzeugenden Argumente im Parlament oder seine politischen Konzepte im Wahlkampf zurückzuführen, sondern schlicht und einfach auf die dilettantische Staatsführung und katastrophale Wirtschaftspolitik der beiden sozialistisch geführten Vorgängerregierungen. Orbáns Stärke war und ist nach wie vor die Schwäche seiner politischen Konkurrenten. Die parlamentarische Zweidrittelmehrheit seiner Partei FIDESZ ist nicht zustande gekommen, weil der Parteichef und seine Mitstreiter so tolle Politiker sind, sondern weil die anderen Parteien und ihre Funktionäre so konzeptlos und jämmerlich agierten.
Viktor Orbáns Aufstieg
Am 24. Mai 1998 bekommt der damals35-jährige Viktor Orbán von den ungarischen Wählerinnen und Wählern ein Geburtstagsgeschenk, das schöner nicht sein hätte können. Orbán und seine (damals noch) rechtsliberale Partei FIDESZ erhalten 38 Prozent der Stimmen und gewinnen damit die dritte Parlamentswahl in Ungarn nach der Wende. Nach zähen Verhandlungen gelingt es ihm, gemeinsam mit dem bürgerlichen Demokratischen Forum (MDF) und der Kleinlandwirte-Partei eine konservativ ausgerichtete Dreierkoalition auf die Beine zu stellen. Viktor Orbán wird zum jüngsten Regierungschef in Europa und zum Liebkind der EU. Die Mitglieder der „Liberalen Internationale“, des europäischen Dachverbands liberaler Parteien, zu dem anfangs auch Orbáns Partei FIDESZ gehört, sind hellauf begeistert von dem jungen, dynamischen Ungarn und seinen erfrischenden Reden.
Geboren am 31. Mai 1963 im zentralungarischen Székesfehérvar (Stuhlweißenburg) als Sohn einer Lehrerin und eines Agraringenieurs, aufgewachsen in der 1.700-Seelen-Gemeinde Felcsút, ist Orbán bereits ab Mitte der 80er-Jahre während seines Jusstudiums an der Loránd-Eötvös-Universität politisch aktiv. Er agitiert gegen das kommunistische Regime und riskiert damit Strafverfolgung. Im ganzen Land bekannt wird der Jungpolitiker dann am 16. Juni 1989: Bei der feierlichen Wiederbestattung von Imre Nagy, dem Ministerpräsidenten der Revolution von 1956, fordert er als Sprecher der Universitätsjugend den sofor