: Roland Adrowitzer, Ernst Gelegs
: Schöne Grüße aus dem Orbán-Land Die rechte Revolution in Ungarn
: Styria Verlag
: 9783990402146
: 1
: CHF 4.40
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: Politik
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Viel Feind, viel Ehr', scheint derzeit die Devisedes nationalkonservativen Ministerpräsidenten Ungarns, Viktor Orbán, zu sein. Ohne Rücksicht auf Proteste im eigenen Land, ohne Rücksicht auf die massiven Bedenken der EU, des Europarates, der USA und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen setzt der 50-jährige Ungar seine rechte Revolution im Land fort, ganz nach seinen persönlichen Vorstellungen und manövriert damit sein Land in die Isolation. Demokratische Institutionen oder Kontrollinstanzen lässt er mithilfe seiner parlamentarischen Zwei-Drittel-Mehrheit aushöhlen und unter die Kontrolle der Regierung bringen, also de facto unter seine Kontrolle. Kritiker sind unerwünscht. Wer sich Orbán in den Weg stellt wird beseitigt, oder zumindest entmachtet, wie im März 2013 das Verfassungsgericht. Kritische Berichte ausländischer Korrespondenten werden nach außen als 'linke Propaganda' kommuniziert. Üblicherweise heißt es über kritisch berichtende Journalisten, dass sie von linken Auslandsungarn manipuliert seien. Auch ORF-Korrespondent Ernst Gelegs ist aufgrund seiner Berichterstattung über die ungarische Regierungspolitik als 'unverbesserlicher Linker' bezeichnet worden. Zusammen mit Roland Adrowitzer, dem Leiter des ORF-Korrespondentenbüros, setzt er sich nun eingehend mit der Politik Orbáns auseinander, ein demokratisches Europa, so zeigt das Buch mit Nachdruck, wird die ungarische Regierungspolitik nicht mehr tatenlos zur Kenntnis nehmen können.

Ernst Gelegs, geboren 1960 in Wien, studierte Politikwissenschaften, Publizistik und Kommunikationswissenschaften (Mag.). Anfang 1996 wurde Gelegs ORF-Auslandskorrespondent in London, ab 1998 war er im Rahmen der 'Zeit im Bild' als Reisekorrespondent tätig. Er gestaltete Reportagen und Live-Berichte aus 20 Ländern. 2000 baute er als Auslandskorrespondent das Büro Budapest auf, das heute unter seiner Leitung als Osteuropabüro des ORF dient.

VIKTOR ORBÁNS TOTALER TRIUMPH


Am Abend des 25. April 2010 steht Viktor Orbán auf einer Bühne auf dem Vörösmarty-Platz im Herzen von Budapest, umringt von seinen engsten Parteifreunden, Mitarbeitern und Bewunderern. Zufrieden blickt er auf hunderte Menschen hinab, die ihm frenetisch zujubeln. Viele schwenken ungarische Nationalfahnen und skandieren immer wieder lauthals „Vik-tor, Vik-tor, Vik-tor …“ Der große Wahlsieger hat sichtlich Mühe, sich das Lachen und Jubeln zu verbeißen. Orbán bemüht sich, ernst und gefasst dreinzuschauen, doch das gelingt ihm nicht immer. Hie und da überfällt ihn ein Lächeln, das er sofort mit raschem Räuspern unterdrückt und mit der linken Faust vor dem Mund zu verdecken versucht.

Wie muss sich Viktor Orbán in diesen Minuten des totalen Triumphes gefühlt haben? Ein Sieg, auf den er acht Jahre lang gewartet hat, und dennoch verwehrt er sich ausgerechnet jetzt offen zur Schau gestellten Jubel. Keine Geste des Sieges, kein Winken, kein Händeschütteln, nichts … Wie ein Fußballnationalspieler, der nach harten 90 Minuten den Siegestreffer seiner Mannschaft erzielt und dann nahezu regungslos, mit angestrengt ernster Miene die Umarmungen seiner Mitspieler und die stehenden Ovatiocnen seiner Fans entgegennimmt.

Vermutlich hätte Viktor Orbán am liebsten gejauchzt vor Freude, denn er weiß in diesem Moment, dass er ab jetzt in seiner Heimat wie ein absolutistischer Herrscher schalten und walten kann, wie es ihm gefällt. Dass er ab jetzt das Land ganz nach seinen persönlichen Vorstellungen umgestalten kann – ein zutiefst befriedigendes Gefühl für einen Machtmenschen wie den heute50-jährigen Viktor Orbán.

Der erdrutschartige Wahlsieg der nationalkonservativen Partei namens FIDESZ (Fiatal Demokraták Szövetsége – zu Deutsch: Bund junger Demokraten) ist weniger auf eine geniale Oppositionspolitik des Parteichefs Viktor Orbán oder seine überzeugenden Argumente im Parlament oder seine politischen Konzepte im Wahlkampf zurückzuführen, sondern schlicht und einfach auf die dilettantische Staatsführung und katastrophale Wirtschaftspolitik der beiden sozialistisch geführten Vorgängerregierungen. Orbáns Stärke war und ist nach wie vor die Schwäche seiner politischen Konkurrenten. Die parlamentarische Zweidrittelmehrheit seiner Partei FIDESZ ist nicht zustande gekommen, weil der Parteichef und seine Mitstreiter so tolle Politiker sind, sondern weil die anderen Parteien und ihre Funktionäre so konzeptlos und jämmerlich agierten.

Viktor Orbáns Aufstieg


Am 24. Mai 1998 bekommt der damals35-jährige Viktor Orbán von den ungarischen Wählerinnen und Wählern ein Geburtstagsgeschenk, das schöner nicht sein hätte können. Orbán und seine (damals noch) rechtsliberale Partei FIDESZ erhalten 38 Prozent der Stimmen und gewinnen damit die dritte Parlamentswahl in Ungarn nach der Wende. Nach zähen Verhandlungen gelingt es ihm, gemeinsam mit dem bürgerlichen Demokratischen Forum (MDF) und der Kleinlandwirte-Partei eine konservativ ausgerichtete Dreierkoalition auf die Beine zu stellen. Viktor Orbán wird zum jüngsten Regierungschef in Europa und zum Liebkind der EU. Die Mitglieder der „Liberalen Internationale“, des europäischen Dachverbands liberaler Parteien, zu dem anfangs auch Orbáns Partei FIDESZ gehört, sind hellauf begeistert von dem jungen, dynamischen Ungarn und seinen erfrischenden Reden.

Geboren am 31. Mai 1963 im zentralungarischen Székesfehérvar (Stuhlweißenburg) als Sohn einer Lehrerin und eines Agraringenieurs, aufgewachsen in der 1.700-Seelen-Gemeinde Felcsút, ist Orbán bereits ab Mitte der 80er-Jahre während seines Jusstudiums an der Loránd-Eötvös-Universität politisch aktiv. Er agitiert gegen das kommunistische Regime und riskiert damit Strafverfolgung. Im ganzen Land bekannt wird der Jungpolitiker dann am 16. Juni 1989: Bei der feierlichen Wiederbestattung von Imre Nagy, dem Ministerpräsidenten der Revolution von 1956, fordert er als Sprecher der Universitätsjugend den sofor