: Horst Bosetzky
: Mit Feuereifer Kappes 14. Fall. Kriminalroman
: Jaron Verlag
: 9783955520137
: Es geschah in Berlin...
: 1
: CHF 6,50
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hermann Kappes 14. Fall Während sich Berlin im Sommer 1936 auf die Olympischen Spiele vorbereitet und der Weltöffentlichkeit Toleranz vorspielt, nimmt in Deutschland die Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten immer brutalere Formen an. Einer der hoffnungsvollsten deutschen Medaillen-Anwärter, der Mittelstreckenläufer Martin Kammholz, gehört zu einer jener ungelittenen Gruppen: Er ist homosexuell und führt, um unbehelligt an den Spielen teilnehmen zu können, eine Scheinehe mit der Schwester seines Geliebten. Als ein kleinkrimineller Informant der Berliner Kripo, der sich im Schwulenmilieu bewegte, brutal erschlagen wird, führen die Ermittlungen Kommissar Kappe immer tiefer in ein Netz aus Intrigen und dubiosen nationalsozialistischen Moralvorstellungen ... Es geschah in Berlin, der große Kettenroman um Kommissar Hermann Kappe, spiegelt in fiktiven Kriminalfällen das Berlin des 20. Jahrhunderts wider. Im vierzehnten Band nimmt Horst Bosetzky, von Anbeginn treibende Kraft dieser Serie, den Leser mit auf eine Reise in jene dunkle Zeit, in der die deutsche Polizei mehr und mehr von der Politik vereinnahmt wurde.

Horst Bosetzky, alias -ky, lebt in Berlin und gilt als 'Denkmal der deutschen Kriminalliteratur'. Er veröffentlichte im Jaron Verlag eine Vielzahl von dokumentarischen Spannungsromanen, Familienromanen, Krimis und biografischen Romanen. Als Mitbegründer der Kultreihe 'Es geschah in Berlin' schrieb er dafür nicht nur Kappes ersten Fall, 'Kappe und die verkohlte Leiche' (2007), sondern auch die Krimibände 'Der Lustmörder' (2008), 'Nach Verdun' (2008, zusammen mit Jan Eik), 'Bücherwahn' (2010), 'Mit Feuereifer' (2011), 'Unterm Fallbeil' (2012), 'Razzia' (2013), 'Auge um Auge' (2014) und 'Berliner Filz' (2016). Außerdem veröffentlichte er die Kriminalgeschichten 'Berliner Leichenschau' (2013, zusammen mit Gunther Geserick), die Doku-Krimis 'Wie ein Tier' (2013), 'Die Bestie vom Schlesischen Bahnhof' (2013), 'Der kalte Engel' (2013), 'Das Attentat auf die Berliner U-Bahn' (2015) und 'Der Teufel von Köpenick' (2015) sowie in der Reihe 'Es geschah in Preußen' die historischen Krimis 'Mamsellenmord in der Friedrichstadt' (2012), 'Aufruhr am Alexanderplatz' (2013) und 'Das Geheimnis vom Oranienburger Thor' (2014). Neben biografischen Romanen wie 'Kempinski erobert Berlin' (2010) oder 'Der König vom Feuerland' über August Borsig (2011) schrieb er auch seine Erinnerungen an 'West-Berlin' (2006) auf und gab 'Die schrägsten Berliner Zehn-Minuten-Geschichten' (2013) heraus. 2015 erschienen seine fantastischen Mittelalter-Geschichten in dem Band 'Otto mit dem Pfeil im Kopf', 2016 seine humorvollen Geschichten und Gedanken zum Berliner Nahverkehr, 'Mit Genuss in Taxe, Bahn und Bus'.

EINS


MAN SCHRIEB den 30. Juni 1934. Es sollte der Tag werden, an dem in Deutschland ein Morden ohnegleichen begann. Bis zum 2. Juli mussten über zweihundert Menschen ihr Leben lassen.

Eugen von Kessel saß in seinem Büro am Rande des Tiergartens und unterhielt sich mit einem englischen Journalisten über dieses und jenes. Wer mit Nachrichten handelte, hatte seine Kontakte zu pflegen. Geben und nehmen hieß die Devise.

Auf dem Notizzettel von Mr. Hounslow stand einiges über Eugen von Kessel:Geboren 1890 in Frankfurt am Main. Im Krieg bei der Artillerie, 1918 Oberleutnant. Nach Kriegsende beim Freikorps des Obersten Reinhard, möglicherweise an einigen Fememorden beteiligt. In der Weimarer Republik im Polizeidienst, zuletzt Polizeihauptmann. Danach privates Nachrichten-Bureau. 1933 Eintritt in die NSDAP. Zusammenarbeit mit der Gestapo.

Mr. Hounslow schrieb an einem Artikel über Ernst Oberfohren, den Reichstagsabgeordneten der Deutschnationalen Volkspartei, der DNVP, den man am 7. Mai 1933 erschossen in seiner Wohnung aufgefunden hatte.

«Herr von Kessel, Oberfohrens persönliche Feindschaft mit dem NSDAP-Gauleiter Hinrich Lohse ist bekannt. Es gibt Gerüchte, dass sein Mörder aus den Kreisen um Lohse kommt.»

«Es handelt sich eindeutig um einen Freitod», erklärte Eugen von Kessel. «Oberfohren wollte Front gegen Hugenberg machen und ist damit kläglich gescheitert. Als dieBraunschweigische Landeszeitung ihn an den Pranger gestellt hatte, war er völlig isoliert und hat keinen anderen Weg mehr gesehen.»

Sie diskutierten noch eine Weile über den Fall Oberfohren, dann wollte Eugen von Kessel wissen, ob es in den USA, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden ernsthafte Versuche gäbe, die Olympischen Spiele in Berlin zu boykottieren. Informationen zu diesem Thema ließen sich die Herren Heydrich, Göring und Goebbels immer etwas kosten.

Mr. Hounslow überlegte einen Augenblick. «Was die USA betrifft, so rate ich der Reichsregierung, in der Judenfrage umsichtiger vorzugehen. Was im Deutschen Reich mit den Juden geschieht, löst drüben große Empörung aus, und ich bin mir sicher, dass die Fair-Play-Bewegung einen Boykott der Olympischen Spiele durch die USA durchsetzt, wenn auch nur ein jüdischer Sportler daran gehindert wird, in Berlin an den Start zu gehen. Aber auch in Paris brodelt es, und man denkt an die Gründung einesComité international pour le respect de l’esprit olympique

Eugen von Kessel bedankte sich bei Mr. Hounslow und ließ sich, nachdem der Brite gegangen war, von seiner Sekretärin neuen Kaffee aufbrühen, um über das Gehörte nachzudenken. Hitler brauchte die Olympischen Spiele, um sich der Welt als Friedensfürst und Meister der Organisation zu präsentieren, und dazu war es nötig, Gestapo, SA und SS gehörig zu bremsen. Was die anpackten, erschien von Kessel zu blind und zu plump, und was sich in ihren Reihen tummelte, war in seinen Augen zumeist Pack und Gesindel. Es war Zeit, dem Führer die Augen zu öffnen.

Während Eugen von Kessel über die nächsten Schritte nachdachte, hörte er draußen im Vorzimmer Tumult. Stühle fielen um, seine Sekretärin schrie auf. Er erhob sich, um nachzusehen, was da im Gange war.

In diesem Augenblick wurde seine Tür aufgestoßen, und ein Trupp SS-Männer stürmte herein. Auch Gestapo-Leute waren dabei. Einen von ihnen kannte er, den Zäcklau. Doch ehe er fragen konnte, was um Gottes willen denn los sei, hatten die Eindringlinge ihre Pistolen herausgerissen.

«Seid ihr denn verrückt geworden!»

Ohne ein Wort zu verlieren, schossen die Männer ihre Magazine leer.

Eugen von Kessel sank hinter seinem Schreibtisch zusammen.

Konrad Zäcklau genoss diesen Tag. Später sollte er seiner Frau erzählen, er sei sich wie ein Kammerjäger vorgekommen. «Alles Ungeziefer muss ausgerottet werden!»

Jetzt ging es zum Reichsverkehrsministerium in der Wilhelmstraße, um mit dem Ministerialdirektor Dr. Erich Klausener abzurechnen. Der stand aus zweierlei Gründen auf der Abschussliste, die ihnen der Gestapo-Chef Reinhard Heydrich am Vormittag in die Hand gedrückt hatte: Zum einen galt Klausener als «gefährlicher Katholikenführer» und hatte Kundgebungen gegen kirchenfeindliche Gruppierungen organisiert, und zum anderen war er vor 1933 als Beamter im preußischen Innenministerium gegen die Ausschreitungen der Nationalsozialisten vorgegangen.

Vor Zäcklau lief der SS-Hauptsturmführer Kurt Gildisch, der in Heydrichs Gunst ganz weit oben stand und, wenn alles glattging, mit einer Beförderung zum SS-Sturmbannführer rechnen konnte: «Sie übernehmen den Fall Klausener, der von Ihnen persönlich zu erschießen ist!» Zäcklau beneidete Gildisch um diesen Auftrag.