: Stefan Hammel
: Therapie zwischen den Zeilen (Leben Lernen, Bd. 273) Das ungesagt Gesagte in Psychotherapie, Beratung und Heilkunde
: Klett-Cotta
: 9783608107418
: Leben Lernen
: 1
: CHF 31.70
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 317
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Begründer der modernen Hypnosetherapie, Milton Erickson, wusste bereits, dass bei Klienten oft das besonders nachhaltig wirkt, was in der Kommunikation nur »mitschwingt«, aber nicht ausgesprochen wird. Viele seiner originellen Interventionen bauen darauf auf. Doch wie funktioniert »Therapie zwischen den Zeilen«? Wie geht Mehrebenenkommunikation in der Praxis? Das ebenso anschauliche wie detailreiche Buch von Stefan Hammel gibt darüber gründlich Auskunft. Zugleich vermittelt es die Kunst, die Dinge mitzuhören, die ein Klient sagt, ohne sie ausdrücklich zu formulieren - zum Beispiel durch Sprachbilder, Mehrdeutigkeiten oder mit seiner Körpersprache und vieles anderes. Diese Kompetenzen zu beherrschen kann aber auch ein Schlüssel zum Erfolg der Therapie sein.

Stefan Hammel ist ausgebildet als Systemischer Therapeut und Hypnotherapeut; er ist Leiter des »Instituts für Hypnosystemische Beratung« in Kaiserslautern (Pfalz) sowie Referent von hypno- und systemtherapeutischen Ausbildungsinstituten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er ist zudem Autor des hypnosystemischen Blogs »HYPS« und Autor therapeutischer Medien (DVDs, CDs, Postkarten, Paartherapeutisches Spiel). Interviews mit Stefan Hammel über »Wenn Geschichten heilen« und »Vom Nutzen des Unnützen - was ist Utilisation?« finden Sie unter: www.stefanhammel.de

Einleitung


1 Vielschichtige Begegnung– Implikation und Mehrebenen-Kommunikation als therapeutische Kunst


»Ich steh’ mir selbst im Weg.«

»Dann treten Sie doch ein wenig zur Seite!«

»Wenn es so einfach wäre!«

»Entschuldigen Sie, ich habe mich ungenau ausgedrückt. Ich meine natürlich, dass der, der Ihnen im Weg steht, zur Seite treten soll, damit der andere von Ihnen, dem er im Weg war, weitergehen kann.«

»Das wäre schön…«

»Könnten Sie Ihrer Seele denn einen schönen Gruß ausrichten, dass sie den Verkehr da drinnen neu regelt– also dass der, der im Weg steht, zur Seite rückt, und ansonsten der, dem Sie im Weg stehen, einen kleinen Umweg drumherum macht?«

»Ich weiß nicht… ich richte es ihr aus.«

»Das braucht gar kein großer Umweg sein, wenn einem jemand im Weg steht und der nicht von selbst weggeht. Manchmal hat er sogar einen Grund, warum er da steht. Sehen Sie, da, wo wir heute Ampeln verwenden, gab es früher einen Schutzmann, der hat die Autos, Radfahrer und Fußgänger angehalten und durchgewinkt, immer, wie es gerade benötigt wird. So stell ich mir das vor. Sagen Sie Ihrer Seele, dass sie das so macht?«

»Das mache ich!«

Was geschieht in diesem Therapiegespräch? Warum gibt der Klient den anfänglichen Widerstand gegen die merkwürdigen Ideen seines Therapeuten so bald auf? Wie kommt es, dass er am Schluss froh und erleichtert wirkt, obwohlüber sein Problem als solches gar nicht gesprochen wurde?

Um zu verstehen, wie therapeutische Kommunikation (und womöglich Kommunikationüberhaupt) funktioniert, brauchen wir ein Verständnis dessen, was zwischen den Zeilen gesagt und gehört wird. Das ungesagt Gesagte, das Angedeutete und das Erwähnte, was sofort vergessen wird, weil es von anderen Inhaltenüberholt wird, bestimmtüber die Wirkung des Besprochenen.

Allein schon der verbale Teil unserer Kommunikation ist viel zu dicht, als dass wir all die Nuancen des Gesprochenen, die unser Unbewusstes hört, bewusst verstehen und auswerten können. Welchen Unterschied macht es etwa, ob ich sage:»Dann treten Sie doch ein wenig zur Seite!« oder»Und wenn Sie einmal ein wenig zur Seite treten würden…?« oder»Jetzt treten Sie docheinmal zur Seite!«? Es macht einen Unterschied! Der Klient wird unterschiedlich auf jeden der Sätze reagieren, und jeder Klient wird ein wenig anders auf die jeweilige Botschaft reagieren. Obwohl jeder Mensch ein Original ist und unterschiedlich reagiert, gibt es Gemeinsamkeiten in den Interpretationen und Reaktionen auf bestimmte Worte und Sätze– sonst könnten wir ja nicht kommunizieren und dabei auf einen gemeinsamen Nenner kommen!

Zu den gesprochenen Worten mit ihren unterschwellig wirksamen Bedeutungen kommen die nonverbalen Inhalte hinzu. Dazu gehört zum einen der sichtbare Teil der Körpersprache: Mimik und Gestik, der Atem und völlig unwillkürliche Reaktionen wie die Veränderung der Pupillenweite und der Gesichtsfarbe, der Lidschlag oder Magen- und Darmgeräusche.

Zur nonverbalen Kommunikation gehört aber auch der hörbare Teil der Körpersprache, also der Teil des Sprechens, der nicht in Schrift zu fassen ist: Tonhöhe und Satzmelodie, Sprechgeschwindigkeit, Sprechrhythmus und Pausen, Stockungen im Sprachfluss, Stimmklang und -fülle, Lautstärke und Lautstärkeentwicklung (Dynamik). All das wird vom Unbewussten ausgewertet und zum Verständnis mit herangezogen.

Wieder macht es einen Unterschied, wie ich den Satz»Dann treten Sie doch ein wenig zur Seite!« ausspreche:

  • mit freundlichem Grinsen und einem Augenaufschlag,
  • mit verschränkten Armen und heruntergezogenen Mundwinkeln,
  • mit geschürzten Lippen, fragenden Kinderaugen, geneigtem Kopf,
  • laut und abrupt, mit abfallender Melodie, wie eine Behauptung,
  • langsam und leise, mit sanftem, warmem, nachdenklichem Klang,
  • mit langsamem, tiefen»dann« zu Beginn, einer Pause danach und dem Rest des Satzes hoch und schnell ausgesprochen.

Gleiches gilt für die Körpersprache und die Stimme der Klienten. Die nonverbale Kommunikation der Klienten gibt aber nicht nur Aufschlussüber die Bedeutung, die sie ihren Worten geben möchten, oder die Art, wie sie die Beziehung zur Therapeutin oder dem Therapeuten gestalten, sie gibt auch beispielsweise ausführliche Auskünfte darüber,

  • was die Klienten in dem Alter erlebt haben, von dem sie gerade sprechen,
  • welche Symptome sie haben bei Krankheiten, die sie ansprechen,
  • was sie unterdrücken, verschweigen oder unterschwellig erleben,
  • wie die vorangegangene Intervention ihr Befinden verändert und
  • wie gut sie schon mit Belastungen umgehen können.

Die Körpersprache kann daher gut zur Anamnese und zur Einschätzung des Therapiefortschritts verwendet werden. Berichtet ein Klient Ereignisse von früher, wird er die selben psychovegetativen Reaktionen zeigen, die er in der Situation selbst zeigte. Erz&aum