Erstes Kapitel
Mein Vater war Deutscher, meine Mutter Engländerin und ich bin in England geboren. Dies genüge für meine Personalien. Ich studierte Ingenieurwissenschaften, erst in London, dann in Berlin, bis der Tod des Vaters, dem schon die Mutter vorausgegangen war, mich wegen Mittellosigkeit zwang, mir mein Brot auf irgendeine Weise selbst zu verdienen. Englische Unternehmer projektierten in Adelaide den Bau einer großen Brücke. Ich schrieb, wurde angenommen, fuhr auf meine Kosten hin, fand meine und jede andere Stelle bereits besetzt und konnte nichts dagegen tun. Das Gesetz erklärte den im Ausland brieflich zwischen England und Deutschland geschlossenen Kontrakt für ungültig. Obwohl mich meine Kenntnisse, glaube ich sagen zu dürfen, zu einer anderen Stellung befähigten, musste ich dreiundzwanzigjähriger junger Mensch mich glücklich schätzen, in der damals von Technikernüberschwemmten Stadt gleich in der Waffen- und Fahrradfabrik Cunning& Kompanie als Hilfszeichner anzukommen.
Der Studiosus zum ersten Mal in der Praxis, erst dreiundzwanzig Jahre alt! Natürlich würde ich innerhalb eines Jahres mindestens Subdirektor der Firma Cunning& Kompanie sein, so viel Erfindungen und Verbesserungen würde ich gemacht haben. Die ganze Fabrik wollte ich umkrempeln!
Also, ich sah mich um in dem Etablissement, dem ich vorläufig noch als letzter Zeichner angehörte. Zufällig fielen meine Blicke zuerst auf einen Gegenstand, der nur ganz indirekt mit unserem Fabrikat zusammenhing: auf den Laufmantel. Wie oft schon hatte ich mich geärgert, wenn der armselige Luftschlauch aus dünnem Kautschuk aus der dicken, soliden Guttapercha[1] bei großer Hitze urplötzlich eine große Blase heraustrieb, und immer war mir dabei dunkel zum Bewusstsein gekommen, dass hier ein Missverhältnis vorliege, welches zu beseitigen gehe, die Guttapercha müsse nur durch technische oder chemische Operationen widerstandsfähiger, auch gegen den Druck von innen, gemacht werden.
Erwähnen muss ich noch, dass mein Vater Agent für Guttapercha und Kautschuk gewesen ist, ich war mit diesen beiden Substanzen sozusagen aufgewachsen. Ich wusste, wie man in Brasilien und in Indien die Bäume anschneidet, um das Harz zu gewinnen, und ich sah es im Geiste alle Operationen durchmachen, bis es als indisches Kautschuk mit Luft vollgepumpt wird und als südamerikanische Guttapercha die Luft wieder herauslässt.
Ein ganzes Jahr studierte und experimentierte ich und dann war es fertig. Wirklich eine großartige Erfindung, die ich zum Patent anmeldete– aber sie war schon vorher von einem anderen gemacht worden. Und so ging es immer. Alle meine Erfindungen und Verbesserungen waren bereits erfunden und verbessert worden.
Schadet nichts, man lernt etwas dabei, und ich ahnte damals noch nicht, was für Nutzen es mir später noch bringen sollte.
Dennoch wurde ich rasch befördert, nur aus ganz anderer Ursache. Von jeher ein eifriger Sportsjünger trug ich auf einem Elektrikrad– dies der Name unserer Marke– auf der Rennbahn einen großen Sieg davon und am anderen Tag hatte ich einige Zeichner unter mir. Ein halbes Jahr später gewann ich in sieben Stunden und einigen Minuten das Straßenrennen Adelaide-Vincent, ebenfalls auf dem Elektrik, und ich avancierte zum Konstrukteur. Was das Beinetrampeln mit dem Konstruieren zu tun hat, weiß ich zwar nicht, aber die Erfahrung habe ich gemacht, dass beim fixen Beinetrampeln sicherer etwas herauskommt als beim Erfinden– nur muss man sehr fix strampeln.–
Kommt eines Tages