Nussberg, Ende Juni 1530
aut zischend spritzte das Fett auf die dunkle Herdplatte. Fanny machte einen Schritt zurück, fluchte und entschuldigte sich augenblicklich bei Gott für ihre bösen Worte.
Stattdessen schimpfte sie:»Rosa, du hast wieder zu viel Fett in die Pfanne gegeben!« Aber das Mädchen, dem der Tadel galt, hörte die Worte nicht. Es war seit einiger Zeit wie vom Erdboden verschluckt.
Fanny schob die Bratpfanne mit den frischen Würsten zur Seite und wischte sich mit dem Handrücken die kastanienbraunen Strähnen aus der Stirn, die sich unter der Haube gelöst hatten. Sie schloss für einen Moment die Augen, atmete kurz durch, bevor sie beide Hände in ihrer nicht mehr ganz sauberen Schürze abwischte und sich erneut den Würsten in der Pfanne widmete. An Abenden wie heute wünschte sie, ihr Vater würde eine zusätzliche Magd oder einen zweiten Knecht einstellen. Aber es gab in dem kleinen Winzerhäuschen nicht genug Platz für weitere Bewohner. Ihr Vater war dagegen, dass Dienstboten in der Scheune oder am Fußboden des Schankraums schliefen, wie es in anderen Wirtshäusern und Bauernhöfen der Fall war. Grundsätzlich teilte Fanny seine Meinung, aber was sprach dagegen, einen Teil des Schankraums abzutrennen? Dann würden auch nicht jeden Abend so viele Männer hier Platz finden.
Eigentlich sollte zu dieser Jahreszeit der Ausschank im Garten stattfinden, aber es war einer der kältesten Junimonate, die Wien je erlebt hatte. Nach einem endlos langen Winter, der letztes Jahr schon im September eingesetzt und die Stadt vor dem Sieg der Osmanen bewahrt hatte, folgten ein erbarmungslos kalter Frühling und nun auch ein eisiger Sommerbeginn. Es nieselte, Mitte Mai hatte es in der Nacht sogar gefroren. Zum Glück hatten die Reben die Kälte bis jetzt problemlosüberstanden.
Statt unter saftigen Nussbäumen zu sitzen, hockten die Gäste dicht gedrängt in der Schankstube, wo die Luft zum Schneiden dick war. Dampf aus der Küche sammelte sich unter den massiven, dunklen Balken an der Decke und mischte sich mit dem Geruch von Wein, Schweiß und dem Rauch derÖllampen. Die Männer schien es nicht zu stören, ganz im Gegenteil. Sie unterhielten sich prächtig. Aus dem Schankraum drang lautes Stimmengewirr, das Rücken von Stühlen auf den abgetretenen Bodenholzbrettern und hin und wieder lautes Grölen. Fanny nahm es nicht richtig wahr. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Zischen und Brutzeln vom Fett vor ihr. Sie musste sich konzentrieren und blinzelte. Die Beleuchtung in der Küche war nur spärlich. Die beidenÖllampen am Tisch gaben mehr Ruß ab als Licht. Erst morgen, wenn Tageslicht durch die Fenster drang, würde sie das wahre Ausmaß des Schadens sehen, den das Fett eben angerichtet hatte. Sicher würde es Stunden kosten, das klebrige Zeug mit Seife und Bürste wieder wegzuputzen.
Max, der Knecht im Haus der Steiner, kam in die Küche und füllte vier Tonkrüge mit Wein aus einem großen Fass.
»Draußen sitzen die drei Ratsherren Schacht, Rötzer und Pilhamer. Wir sollten heute keine Würste mehr servieren«, sagte er stirnrunzelnd.
Max war etwasälter als Fanny, einen Kopf größer als sie, hatte dichtes rotes Haar, das immer kurz geschnitten war, einen breiten Nacken und noch viel breitere Schultern. Er lebte bei Fanny und ihrem Vater, seit sie sich zurückerinnern konnte. Offiziell hatte ihr Vater Max bei sich aufgenommen, weil dessen Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen waren. In Wahrheit war der Knecht das Kind einer Dirne, die gesoffen und ihn für einen Kreuzer verkauft hatte. Der verwitwete Hans Steiner hatte ganz sicher nicht vorgehabt, einen kleinen Jungen zu kaufen, und wollte auch nicht, dass andere davon erfuhren, aber Max, der sonst auf der Straße gelandet wäre, hatte sein Mitleid erweckt, so dass er eine Lüge erfunden und ihn bei sich aufgenommen hatte. Seither lebte er im Winzerhaus»Zur Donauprinzessin« am Nussberg. Max konnte kräftig zupacken und verfügteüber einen gesunden Menschenverstand. Aus diesem Grund warnte er Fanny jetzt wegen der Würste.
»Der Fleischer Knotter hat sie selbst mitgebracht«, verteidigte sich Fanny, wohlwissend, dass sie keine Würste servieren sollte, denn eine Verordnung der Stadt verbot es Winzern, warme Speisen zu verkaufen. Ihr Vater hatte in weinseliger Stimmung für diese unangenehme Situation gesorgt.
Als letzte Woche der Schuster Riem ein Paar Schweinswürste vom Fleischer Knotter mitgebracht und darum gebeten hatte, sie für ihn anzubraten, hatte ihr Vater zugestimmt. Nicht zuletzt deshalb, weil er selbst den köstlichen Würsten nie widerstehen konnte. Seither verlangten nicht nur der Schuster und seine Freunde, sondern auch andere Gäste nach den Knotter Würsten. Neulich hatte der Fleischer angeboten, die Würste in großen Mengen zu günstigem Preis zu liefern. Fanny hoffte inständig, dass ihr Vate