DIE ERBEN DER SCHILDKRÖTENBURG
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Die Fantasy und ich sind alte Bekannte.
Fangen wir am besten am Anfang an, denn es gibt einige eigenartige und weitverbreitete Irrtümer. Einerseits habe ich Leser, die vorDas Lied von Eis und Feuernoch nie von mir gehört haben und offenbar felsenfest davon überzeugt sind, dass ich nie etwas anderes geschrieben habe als Fantasy-Epen. Andererseits gibt es da die Leute, die all mein altes Zeug gelesen haben und darauf bestehen, ich sei ein Science-Fiction-Autor, der schändlicherweise zur Fantasy übergelaufen ist.
Tatsächlich aber habe ich seit meiner Kindheit in Bayonne Fantasy gelesen und geschrieben (Horror übrigens auch). Meine erste Veröffentlichung mag Science Fiction gewesen sein, aber die zweite war eine Geistergeschichte, ungeachtet dieser verflixten vorbeizischenden Hovertrucks.
»Die Ausfahrt nach San Breta« war beileibe nicht meine erste Fantasy-Geschichte. Noch vorJarn vom Marsund seiner Bande außerirdischer Weltraumpiraten pflegte ich mir meine Mußestunden mit Geschichten über eine große Burg und ihre tapferen Ritter und Könige zu vertreiben. Indes – sie alle waren Schildkröten.
In den Siedlungen war die Haltung von Hunden und Katzen verboten, kleinere Tiere waren allerdings erlaubt. Ich besaß Guppys, ich besaß Wellensittiche, und ich besaß Schildkröten. Unmengen an Schildkröten. Die Sorte, wie man sie in billigen Kaufhäusern bekommt, im Set mit kleinen, in der Mitte geteilten Plastikschüsseln, bei denen auf der einen Seite Wasser hineinkommt, auf der anderen Seite Kies. In der Mitte befindet sich eine Plastikpalme.
Außerdem besaß ich noch eine Spielzeugburg, die zu den Plastikrittern gehörte (eine Zinnblechburg von Marx, ich weiß aber nicht mehr, welches Modell). Sie stand oben auf dem Tisch, der mir als Schreibtisch diente, und darin war gerade genug Platz für zwei jener Schildkrötenschüsseln. Dort also lebten meine Schildkröten … und weil sie in einerBurgwohnten, musste es sich folgerichtig um Könige und Ritter und Prinzessinnen handeln. (Ich besaß auch das Fort Apache von Marx, aber Cowboyschildkröten wären einfach absurd gewesen.)
Der erste Schildkrötenkönig hieß Big Fellow. Er muss eineranderen Art angehört haben als die anderen, denn er war braun, nicht grün, und gut doppelt so groß wie die kleinen rotohrigen Kerle. Eines Tages fand ich ihn tot auf – zweifellos war er einem finsteren Komplott der Krötenechsen und Chamäleons des benachbarten Königreichs zum Opfer gefallen. Sein Thronnachfolger meinte es zwar gut, war aber ein Pechvogel und starb ebenfalls bald darauf. Doch just als es für das Königreich am finstersten aussah, schworen Frisky und Peppy einander ewige Freundschaft und gründeten die Schildkrötentafelrunde. Peppy der Erste erwies sich als größter Schildkrötenkönig aller Zeiten, doch als er alt wurde …
Die Geschichte der Schildkrötenburg hat weder einen Anfang noch ein Ende, aber jede Menge Mitten. Sie wurde nur auszugsweise niedergeschrieben, aber ich arbeitete die großartigsten Szenen in meinem Kopf aus, Schwertkämpfe und Schlachten und Verrat. Ich erlebte die Herrschaft von mindestens einem Dutzend Schildkrötenkönige. Meine mächtigen Monarchen hatten die befremdliche Angewohnheit, aus der Marx-Burg zu fliehe