2 Ein Friesenjung aus Tönning: Jürgen GoschsKindheit und Jugend
Krabben pulen, Metallschrott sammeln: Die Kindheit auf der Halbinsel Eiderstedt
Es gibt Geschichten, in denen der Protagonist schon in der Kindheit genau weiß: Ich werde einmal Astronaut. Oder Schauspieler, Regisseur, wahlweise Musiker. Und dann darauf hinarbeitet, sein Leben der Musik, dem Theater oder Fernsehen widmet, später in den Memoiren dann vom verwirklichten Kindheitstraum schreibt.
Die Geschichte von»Gosch Sylt« ist keine dieser Geschichten.
Der junge Jürgen Gosch wollte nicht bereits als Fünfjähriger ein Fischrestaurant führen, geschweige denn Chef einer der bekanntesten Restaurantketten Deutschlands werden. Selbst als er seinen Job als Aalverkäufer begann, hätte er es sich nicht träumen lassen, dass seine Geschäfte so ein Ausmaß annehmen, sagt er.
Aber dennoch hat die Kindheit Jürgen Gosch besonders geprägt und seinen beruflichen Werdegang bestimmt. Ohne seine Kindheit und Jugend hätte er diesen Weg wohl kaum so erfolgreich eingeschlagen, meint er. Sie habe ihn zu dem Geschäftsmann gemacht, der er heute ist. Und deshalb kann man die Gosch-Story nicht erzählen, ohne in die Kindheit Jürgen Goschs zurückzugehen.
Jürgen Gosch wurde 1941 im schleswig-holsteinischen Eckernförde geboren. Er wuchs in dem beschaulichen 5000-Einwohner-Ort Tönning auf der Halbinsel Eiderstedt auf. Es waren keine einfachen Jahre für die Familie Gosch während des Krieges und zur Nachkriegszeit.
Jürgen Gosch musste schon in früher Kindheit Verantwortungübernehmen. Seine Mutter Annemarie war alleinerziehend, seinen Vater hat er nie kennengelernt. Für seine beiden Schwestern – eine davonübrigens seine Zwillingsschwester – habe er die Rolle eines Ersatzvatersübernommen, erzählt der Unternehmer. Da die Familie wenig Geld hatte, mussten die Kinder die Mutter unterstützen, umüber die Runden zu kommen. Nicht nur im Haushalt, auch beim Geldverdienen.
So musste der junge Jürgen Gosch schon mit vier Jahren Krabben pulen, um das Haushaltseinkommen aufzubessern.»Wir mussten alle mit ran, umüber die Runden zu kommen«, erinnert er sich. Auch im familieneigenen Gemüsegarten, der einen großen Teil der täglichen Mahlzeiten lieferte, habe er mit anpacken müssen. Dennoch reichte es vorne und hinten nicht: Oft habe die Mutter aufs Essen verzichtet, damit ihre Kinder satt wurden. Waren die Kinder abends im Bett, nähte sie bis Mitternacht noch Gardinen im Auftrag für eine Firma.
Zwanzig Pfund Krabben gab es für die Familie jeden Tag. Der kleine Jürgen war meistens als Erster mit dem Pulen fertig und rannte oft noch einmal zu den Fischern, um weitere 20 Pfund zu holen. Der Grund, weshalb er sich mit dem Pulen so beeilte, war jedoch nicht nur das Geld: Um so bald als möglich zum Fußballspielen zu gehen, sei er besonders schnell gewesen, gesteht er. Während er die Krabben von ihrer Schale befreite, hörte er seine Freunde draußen schon spielen – das war genug Motivation, seine Ration rasch fertig zu bekommen.
Seine Mutter habe ihm diesen Freiraum immer gelassen. Er sei manchmal aber auch froh gewesen, wenn die Fischer wegen eines Sturmes nicht rausfahren konnten und er so ums Krabbenpulen herumkam, so Jürgen Gosch in dem Buch»Original Gosch« von Andreas Franke. Denn Fußball war seine große Leidenschaft: Er spielte beimTSV Tönning als Linksaußen und war nicht nur Mannschaftskapitän, sondern sogar einmal zu einem Sichtungsspiel nach Malente eingeladen – in den Ort, der späterWM-Quartier der deutschen Nationalmannschaft werden sollte. An dem Spiel konnte er aber wegen einer Verletzung nicht teilnehmen, so seine gern erzählte Anekdote. Die Verletzung hatte er sichübrigens beim Fußballspielen zugezogen.
Die Fußballerkariere folgte also nicht. Aber dafür eine wahre»Krabbenpul-Karriere«: Gut 40 Jahre später gipfelte diese 1988 sogar in einem Krabbenpul-Weltmeistertitel in Holland, mit dem Jürgen Gosch heute noch gerne kokettiert. Der Titel zähle zu den Dingen in seinem Leben, auf die er, nach eigener Aussage, stolz ist.
Gegen 19 Frauen habe er im Finale gewonnen – vor 5000 Zuschauern, die genau verfolgten, wie er die Krabben in Rekordgeschwindigkeit»auszog«. Er könne heute noch Krabben pulen, mit einer Hand und verbundenen Augen sogar, sagt er.
»Fischkönig« oder»Fischpapst« wird Jürgen Gosch heute auch genannt. Auch in seiner Kindheit war Fisch allgegenwärtig: Fast jede Familie lebte in dem kleinen Hafenort Tönning von der Fischerei. Täglich kam Fisch auf den Tisch der Familie Gosch, und»Jünne« half den Fischern beim Kutterfestmachen, wenn er bei ihnen die tägliche Krabbenration abholte. Am Hafen fühlte er sich zu Hause, hier hielt er sich gerne auf.
Geschäftstüchtig war er schon damals und wurde nicht müde, bereits als kleiner Junge nach Möglichkeiten zu suchen, Geld hinzuzuverdienen.
»Ich wusste immer, womit ich Geld verdienen konnte«, sagt er. Sei es damit, den Fischern beim Verladen des Fischfangs für die Genossenschaft auf die Wagen zu helfen und so noch mehr Krabben zum Pulen abzustauben. Diese pulte er heimlic