: Henning Köhler
: Helmut Kohl Ein Leben für die Politik. Die Biografie
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732501076
: 1
: CHF 4.50
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 1024
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ist er nun einer der ganz Großen oder nicht? An der Bedeutung Helmut Kohls scheiden sich die Geister. Warum eigentlich? Für seine Kritiker war Helmut Kohl der Kanzler des Aussitzens. Im entscheidenden Moment aber hat er Geschichte gemacht. Als die Wiedervereinigung möglich schien, hat er die Chance erkannt und entschlossen gehandelt. Das Deutschland, in dem wir heute leben, unser Europa, hat er ganz wesentlich geprägt. Später geriet er wegen der Spendenaffäre in Misskredit. Wer also war dieser Mann? Detailliert und kenntnisreich zeichnet Henning Köhler Helmut Kohls Leben für die Politik nach - eine umfassende politische Biografie.

I.
DIE ANFÄNGE 1945–1958


Als die Besatzungsmächte 1945 durch eine Neugliederung die Grenzen des Landes Rheinland-Pfalz festlegten, wurden Gebiete zusammengebracht, die nie zueinander gehört hatten. Das Ergebnis wurde denn auch abschätzig als »Kunstgebilde«, als »Land aus der Retorte« bezeichnet. Das neue Land Rheinland-Pfalz brauchte Jahrzehnte, bis seine Bürger sich endgültig mit ihm identifiziert hatten. Den Westmächten war es bei der Aufteilung in erster Linie darum gegangen, dem französischen Partner eine Besatzungszone abzutreten, die möglichst nur Gebiete umfassen sollte, die wie Eifel, Hunsrück und Westerwald wirtschaftlich nicht besonders ertragreich waren. Das neue Rheinland-Pfalz war ein armes Land mit wenig Industrie, zudem schlecht erschlossen.

Nach der Festlegung der Besatzungszonen hatte der Norden des heutigen Rheinland-Pfalz – die Regierungsbezirke Koblenz und Trier –, der zu der ehemaligen preußischen Rheinprovinz gehört hatte, mit dem wirtschaftlich starken Nordrhein-Westfalen geliebäugelt. In Rheinhessen hätte man sich eine Vereinigung mit dem von den Amerikanern geschaffenen Land Hessen gut vorstellen können, und in der ehemals bayerischen Pfalz, vor allem in deren Süden, gab es Tendenzen, sich über den Rhein nach Baden zu orientieren – schließlich waren Heidelberg und später Mannheim für Jahrhunderte die Residenz der Kurfürsten von der Pfalz gewesen.

Bereits im Jahre 1815 war auf dem Wiener Kongress eine Neugliederung im Westen beschlossen worden, die auf historisch gewachsene Strukturen keine Rücksicht genommen hatte. Unter dem frischen Eindruck der napoleonischen Kriege galt es, eine Abwehr gegen künftige französische Angriffe zu organisieren. Preußen musste widerwillig – es hätte lieber Sachsen annektiert – weite Teile des Rheinlandes als Eckpfeiler der Verteidigung übernehmen. Mainz, das älteste deutsche Erzbistum, verlor den Rang als Erzdiözese und wurde zur Festung des Deutschen Bundes degradiert. Der größte Teil der Pfalz wurde Bayern zugeschlagen, um auch diesen Staat am Rhein zu engagieren. Die hier geschaffene Ordnung hatte weit über hundert Jahre Bestand gehabt. Die Bewohner hatten sich an die bestehende Verwaltungsgliederung gewöhnt. Zudem hatte die Industrialisierung Veränderungen bewirkt, auf die man nicht leichtfertig verzichten wollte. Kein Wunder, dass viele Bewohner im Jahr 1945 im neuen Land Rheinland-Pfalz mehr Nachteile als Vorteile erkennen konnten. Damals war nicht abzusehen, dass die Pfalz einmal zum Kraftzentrum des Landes würde und seine Bürger sich gar nicht mehr vorstellen könnten, dass ihr Land einmal als »Kunstgebilde« gering geschätzt worden war.

Helmut Kohl ist in die Geschichte dieses Landes seit seiner Gründung, seit dem politischen Neuanfang nach 1945 einbezogen. Die Schwäche des Landes, das so viele Gegner in den eigenen Reihen hatte, kam ihm zugute. Für ihn war Rheinland-Pfalz der gegebene Rahmen für den ersten Abschnitt seines politischen Wirken