: Ursula Sarrazin
: Hexenjagd Mein Schuldienst in Berlin
: Diederichs Verlag
: 9783641083618
: 1
: CHF 16.00
:
: Gesellschaft
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
35 Jahre hat die Grundschullehrerin Ursula Sarrazin an deutschen Schulen unterrichtet, zuletzt bis zu ihrer Pensionierung an der Berliner Reinhard-Otto-Grundschule im Stadtteil Westend. Ihr erstes und mit Spannung erwartetes Buch ist ein fundierter und pointierter Beitrag zur Schul- und Bildungsdebatte. Sie spricht aus, welche Fehler die Politik, die Lehrer, die Eltern im vielleicht wichtigsten gesellschaftlichen Bereich - der Erziehung - täglich machen. Und sie formuliert Lösungswege, in deren Mittelpunkt immer das nachhaltige Wohl der Kinder steht.

Ursula Sarrazin wehrt sich vehement gegen die Auslagerung elterlicher Verantwortung an das Bildungssystem: 'Wir Lehrer können nicht alle gesellschaftlichen Defizite beheben. Schule ist damit überfordert. Ein Teil der Elternhäuser müsste stärker mitziehen und sich intensiver um den Bildungserfolg bemühen. Es stört mich, dass dieser Aspekt oft von der Politik ausgeblendet wird, weil es unbequem ist, die Mitarbeit der Eltern einzufordern.'

  • Ein aufrüttelnder Tatsachenbericht
  • Deba tenbuch zur deutschen Bildungsmisere


Ursula Sarrazin, Jahrgang 1951, stammt aus Schleswig-Holstein. 1973 trat sie in den Schuldienst; seit letztem Jahr ist sie im Ruhestand. Mit ihrem Mann Thilo Sarrazin hat sie zwei Söhne.

Vorwort

Seit zu Beginn des Jahres 2011 dieöffentlichen Anwürfe gegen mich und meine Amtsausführung als Lehrerin die Gemüter erregten, wurde ich immer wieder darauf angesprochen, ob ich nichtüber meine Erfahrungen ein Buch schreiben wollte. Das taten nicht nur Journalisten, sondern auch Menschen in meinem näheren Umfeld, deren Meinung ich hoch schätze. Meine Erlebnisse im Berliner Schuldienst sind sicher nicht alltäglich,das hoffe ich doch zumindest, aber, abgesehen von den Veröffentlichungen, die ja nur wegen meines Namens so»interessant« waren, können sie im Prinzip jedem x-beliebigen Lehrer oder Lehrerin zustoßen, wenn Kollegen, Vorgesetzte und Eltern so reagieren wie in meinem Falle. Auch deshalb habe ich dieses Buch geschrieben, nämlich für meine Kollegen. Manche von ihnen sind arg blauäugig und wissen gar nicht, welcher Unrat sichüber ihren Häuptern zusammenbrauen kann. Manche spüren ihre Unwissenheit und reagierenübervorsichtig, wo beherzter Mut nötig wäre oder auch nur ein wenig Standvermögen. Manche werden krank, weil sie keine Strategien kennen und haben, um mit Repressalien umgehen zu können. Lehrer wissen in aller Regel auch nicht, was eine Verwaltung darf, was nicht und was sie tun muss oder tun sollte. Diese Unsicherheit ist kein guter Ratgeber für vernünftiges Verhalten und fundierte Entscheidungen.

Dieses Buch ist auch ein Tatsachenbericht. Dazu habe ich die Sachverhalte und Vorgänge klar benannt und exakt dargestellt. Dabei handelt es sich zum Teil um sehr problematisches, fragwürdiges Verhalten von Vorgesetzten und Kollegen. Es ist mir nicht leichtgefallen, dies zu schildern und die handelnden oder eben gerade nicht handelnden Personen derÖffentlichkeit preiszugeben. Deswegen stehen auch nur Vorgänge in diesem Buch, die belegt sind. Meine hauptsächliche Absicht war es, Missstände aufzudecken, an denen unser Schulsystem krankt, vielleicht ein wenig zu ihrer Lösung beizutragen, und nicht, andere zu verletzen. Als Missstand empfinde ich es auch, dass es Eltern von meinen Vorgesetzten generell zugebilligt wurde, in der Anonymität gegen mich zu wirken, dieselben Vorgesetzten es aber zuließen, wenn nicht gar unterstützten, dass ichöffentlich mit vollem Namen bloßgestellt wurde.»Bei der Führung fehle es in manchen Fällen an der Charakterstärke, die Macht angemessen zu verwalten«, sagte Bernhard Bueb einmal. Das musste ich leidvoll erfahren.

Ich habe mir viel Zeit gelassen. Das Buch erscheint eineinhalb Jahre nach den geschilderten Vorfällen, Zeit genug für Vorgesetzte, in irgendeiner Form zu reagieren. Als ich zu schreiben begann, im September 2011, lagen die Vorgänge, um die es in diesem Buch hauptsächlich geht, auch schon ein halbes Jahr zurück, ohne dass die Schulverwaltung in irgendeiner Weise Anstalten machte, die haarsträubenden Vorwürfe, die daöffentlich gegen mich in völlig unqualifizierter Weise erhoben worden waren, auch nur zu untersuchen, geschweige denn zu widerlegen. Während diesen halben Jahres unterrichtete ich an der Reinhold-Otto-Schule weiter, so als wäre nichts geschehen. Nur aus der Klasse, von der aus einem Teil der Elternschaft die Vorwürfe ausgegangen waren, wurde ich vom Schulabteilungsleiter Laube aus»schulorganisatorischen Gründen« herausgenommen. Ebenfalls ohne jede Prüfung der im Raume stehenden und weiter wabernden Vorwürfe. So wollte ich mein jahrzehntelanges Lehrerdasein nicht abschließen.

Es war mir ein Anliegen, aufzuzeigen, in welchem Netzwerk ein Lehrer agiert. Er ist eingebunden nicht nur in ein Geflecht von Vorschriften und Weisungen, sondern ist auch sehr auf das verständige Wohlwollen und die Sachkenntnis seiner Vorgesetzten angewiesen. Nur in einem solchen Rahmen kann er pädagogisch erfolgreich wirken. Das heißt, zu einer modernen leistungsfähigen Schule gehört eine ebenso leistungsfähige Schulverwaltung, die dem Lehrer für seine Aufgaben den entsprechenden Raum sichert.

Dass ein Teil der Elternschaft tatsächlich so ungehemmt und rücksichtslos, wie ich es erleben musste, versucht, ihre– vermeintlichen– Vorteile gegenüber der Lehrerin ihrer Kinder durchzusetzen, zeigt auch sehr schön das Theaterstück»Frau Müller muss weg« von Lutz Hübner, das zurzeit in Berlin und anderen Städten gezeigt wird. Es geht darum, dass Eltern eine missliebige Lehrerin absetzen lassen wollen. Sie entfachen einen wahren Psychokrieg aus heuchlerischer Sorge um ihr Kind. Die Tatsache, dass esüberhaupt ein solches Theaterstück gibt, zeigt, dass dieses Elternverhalten ein Thema in unserer Gesellschaft ist und kein spezielles Problem bei mir war. Dann stellt sich allerdings die Frage, wo wir mit unserem Schulsystem hingekommen sind, wenn solche Verhaltensweisen»normal« werden oder schon sind. Was ist das für eine Gesellschaft, in der es»erlaubt« ist, die Lehrer ihrer Kinder so unter Druck zu setzen, dass sie erpressbar werden oder gehen müssen? Und welche Rolle spielt dabei die Schulbehörde? Auch davon handelt dieses Buch.