: Karin Steger
: Hättest halt kein Kind gekriegt! Auf der Suche nach mütterlicher Identität in der Leistungsgesellschaft
: Verlag Orac im Kremayr& Scheriau Verlag
: 9783701505739
: 1
: CHF 14.80
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: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Hättest halt kein Kind gekriegt!' Ein Satz wie ein Hammerschlag, den so manche Frau schon gehört hat, so auch Karin Steger. Ihr Alltag bestand wie jener vieler Mütter aus Hetzen zwischen gesellschaftlich anerkannten Lebensbereichen und der angeblichen Privatsache Familie. Das Buch beginnt mit einem Breakdown. Die alleinerziehende Karin Steger ist erschöpft, kann nicht mehr, weiß nicht mehr weiter. Bald erkennt sie, dass die Abwertungsmechanismen, die in ihrem Umfeld und in unserer Gesellschaft wirken, auch in ihr selbst existieren. Sie macht sich auf die Suche nach einer Balance zwischen ihren vielen Aufgaben und ihren eigenen Wünschen, im Beruf, zu Hause, mit den beiden Kindern. In vier Etappen und über einen Zeitraum von sieben Jahren schildert sie, wie sie aus Wut und Erschöpfung zu Autonomie, Geborgenheit und Lebensglück fand. 'Kinder haben in unserer Zeit keine eigene Bedeutung. Sie werden zu Objekten gemacht: erzogen, gebildet, bewertet, verwaltet. Es ist dies in meinen Augen das wichtigste Thema unserer Zeit. Das Buch liest sich locker und lebendig, viele werden sich darin wiedererkennen und wohl auch nachdenklich werden. Es wäre schön, wenn es viele Leser fände und diese auch wirklich berührt.' - Gerald Hüther

Karin Steger, geboren 1968, beginnt noch während des Studiums (Musikwissenschaften und Frauenforschung) beim ORF als Radiojournalistin und Moderatorin für Ö1 zu arbeiten. 1999 Geburt ihres ersten Kindes. Der frühere Traumberuf lässt sich mit den hinzugekommenen Aufgaben nicht mehr vereinbaren, sie erfindet sich neu. Sie arbeitet als Sängerin, Sprecherin und später hauptsächlich als Stimm- und Sprechtrainerin. 2010 bekommt sie mit 41 Jahren ein zweites Kind.

Mama ist hilflos


Irgendetwas sagt mir, dass ich trotzdem keine schlechte Mutter bin. So lange ich irgendwie konnte, habe ich versucht, alles richtig zu machen. Möglicherweise war genau das mein Fehler?

Ich sitze auf einem Stuhl im Wohnzimmer, und auf meinem Schoß sitzt meine kleine Tochter, sie schaut mit dem Gesicht zu mir her, und legt dann ihren Kopfüber meine rechte Schulter. Sie streichelt mirüber die Haare undüber meinen Rücken, spricht mit gesenkter Stimme und redet auf mich ein wie auf ein krankes Pferd:Aaaaalles wird guuuut. Gaaaaanz ruuuhig. Sie stupst mit ihrer kleinen Nase an mein Gesicht.Gaaaanz ruuuhig, Mami.

Meine Tochter ist siebeneinhalb, und ihre Mami kann nicht mehr. Sitzt da und heult. Die Augen geschwollen, das Gesicht salzig und nass.Gaaaaanz ruuuhig, sagt die gesenkte Kinderstimme.Jaaaaa, Mama… aaalles wird guuut.

Die Mami weint


Herzrasen, Nierenschmerzen, Schlaflosigkeit. So geht das jetzt seit ein paar Wochen und es wird immer schlimmer. Ich fühle mich alleingelassen. Ich kann nicht mehr.

Ich kriege keine Luft mehr und zittere. So wache ich auf, an jedem Morgen. Mein Körper funktioniert nicht mehr wie sonst.

Mir war, mir ist, andauernd schlecht. Kopfweh, und nun auch der Hals, aber nicht innen, sondern außen. Der Hals fühlt sich manchmal an, als würde er seitlich platzen wollen.

Wut und Trauer haben sich also auf mein Herz und auf meine Nieren geschlagen.

Und weil mir mein Herz und die Nieren immer wieder so weh tun, sind die anderen, die kleineren Symptome fast schon wieder egal.Übelkeit?… Ja, sowieso… Und Kopfweh?… immer wieder… Schlaflosigkeit?… eigentlich schon, aber ich weiß ja gar nicht mehr, wann das damals angefangen hat…, ich meine,… ich glaube, dass ich in letzter Zeit… schon wieder ein bisschen besser…?

Nein, also… die Schlaflosigkeit, die ist nicht so schlimm.

Der Versuch eines Lächelns. Anscheinend habe ich mich daran gewöhnt, dass ich nachts wach liege, die Augen geschlossen, und stundenlang immer wieder auf der Suche bin nach einer halbwegs bequemen Stellung. Vor allem der Kopf! Ich kann kaum eine bequeme Position für ihn finden. Irgendetwas glüht in mir, heiß ist es und unbequem und es rattert und pocht.Das geht schon, werde ich demnächst zu meinem behandelnden Arzt sagen.Nein, schlafen ist kein Problem.

Schon wieder bin ich dabei, meine Beschwerden herunterzuspielen. Ich will es einfach nicht wahrhaben. Ich trage noch immer das Bild einer unverwundbaren Superheldin in mir. Wie eine Comicfigur: mit großen, schweren Stiefeln, mit windzerzausten Haaren. Eine, die alles schafft. Alles kann.

Mein Selbstbild: erfolgreich, sehr kommunikativ, strahlend. Machtalles mit links. Immer ein offenes Ohr auch für andere, und das Ganze als alleinerziehende Mutter.

Aber…

Seit ein paar Wochen habe ich alles, was irgendwie vermeidbar war, abgesagt. Seminare an der Universität, die ich hätte abhalten sollen. Sendungen, die ich sonst moderiert hätte. Treffen mit Freunden.

Hab michüber eine Grippe gefreut, endlich ins Bett! Und die Wahrheit ist: Ich kriege keine Luft mehr.

Schon bevor ein behandelnder Arzt es ausgesprochen hatte, war mir klar: So etwas heißt Burn-Out-Syndrom. Die Superfrau geht in die Knie. Sie zieht Bilanz. Fragt sich: Woher kommt dieser Widerstand? Wie hat das alles angefangen? Bevor ein normales Telefonat zu einem schier unüberwindbaren Hindernis geworden ist.

In meinem Körper tobt ein Krieg. Schon in der Früh, wenn ich aufwache, zittere ich. Kann nicht frei atmen, die Brust ist zu eng. Entweder mich fröstelt, oder ich habe das Gefühl, innerlich zu glühen. Nichts ist normal.

Ich habe in der Nacht nicht geschlafen, weil ich nicht abschalten konnte.

Aber jetzt will ich weiterschlafen. Will meine Augen nicht aufmachen müssen.

Manchmal, ganz kurz, einen Augenblick lang: feine, kleine Glücksmomente.

Kann also alles nicht so schlimm sein, denke ich mir.

Gestern, da habe ich mich einen Augenblick lang gefreut, weil sich in mein Zimmer die Sonne hereintastete.

Ein zartrosa Morgenlicht,fein ist das. Sogar jetzt im November…!
Diese Zustimmung hielt nicht lange an, sie wurde gleich anschließend zu…sie soll doch ruhig scheinen! Trotz hat sich eingemischt,…es stört mich ja nicht! Gleich war ich wieder nur noch genervt. Meine Kraft reichte für so etwas wie Freudeüber einen Sonnenstrahl ganz einfach nicht aus.

Ich hab mich ruckartig umgedreht, Augen zu…Aber was, scheiß auf die Sonne!

Eingeknickt


Ich kann nicht mehr

heißt eigentlich:

Ichmag nicht mehr.

Ich mag nicht mehr funktionieren.

Ich stelle mich tot.

Ich hab keine andere Wahl.

Ich habe erfahren, dass auf meine Schwierigkeiten (oder wie ich versucht habe, sie zu kommunizieren) niemand reagiert hat.

Eine unbeschreibliche Wut und Enttäuschung in mirüber dieses Alleingelassen-Sein lähmt im Moment alles andere.

Ich binüber die Jahre,

schön langs