: John Curtis
: Seewölfe - Piraten der Weltmeere 65 Das Piratennest
: Pabel eBooks
: 9783954393824
: 1
: CHF 2.20
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 115
: Wasserzeichen
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: ePUB
In der Grotten-Kneipe auf Tortuga flogen die Fetzen, als die Seewölfe zum Kampf antraten und den Karibik-Wölfen die Zähne zeigten. Denn der Pirat, den man den Marquis nannte, hatte das Maul zu voll genommen und Philip Hasard Killigrew unterschätzt. Aber er hatte ihn beleidigt. Und jetzt zahlten sie zurück, Stich auf Stich, Schlag um Schlag, Hieb auf Hieb. Diego, der Kneipenwirt, verschwand hinter dem Tresen und stieg in den Keller. Jetzt konnte er nur noch beten...

1.


Aus der Ferne sah die Insel wie eine Riesenschildkröte aus, und so war sie auch von Kolumbus getauft worden, als er sie 1492 auf der Suche nach dem sagenhaften Indien passierte– Tortuga, die Schildkröten-Insel.

Wäre er damals näher herangesegelt, dann hätte er feststellen müssen, daß diese„Schildkröte“ etwas ganz anderes war. Zwar war ihr Kopf nach Westen und ihr Schwanz nach Osten ausgerichtet, aber ihre Nordküste bestand aus riesigen Brockenübereinandergetürmter Felsen, die wie monumentale Burgzinnen aus dem Wasser ragten.

Einziger Zugang zur Insel und damit auch ihr natürlicher Hafen war eine liebliche Bucht an der Südküste, deren Gestade aber keineswegs der Willkür heranrollender Karibikbrandung ausgesetzt waren. Denn wenn die Stürme von Süden heranbrausten, dann fielen sie zuerstüber Hispaniola her, jene Insel, die Tortuga breit und mächtig abschirmte.

Die Südküste Tortugas und die Nordküste Hispaniolas trennte ein Kanal von nur fünf Seemeilen Breite. Pfiff der Wind aus Osten oder Westen, dann preßte er allerdings ziemliche Wassermassen durch diesen Schlauch zwischen den beiden Inseln. Und wer diese Ecke kannte, vermied es dann, Tortuga anzusteuern.

An diesem Nachmittag Ende April 1581 wehte ein mäßiger Nordostwind, vor dem eine kleine, schlanke Zweimast-Karavelle und eine Dreimast-Galeone mit Kurs auf das Ostkap Tortugas herliefen, dieses rundeten, dann anluvten und mit Backstagswind in den Kanal steuerten.

Die Karavelle segelte voraus. Sie hatte ein auffallendes Merkmal, und zwar die Farbe ihrer Segel. Sie waren rot. Es war nicht die einzige Eigentümlichkeit dieses Schiffes, das von den Piraten der Karibik bereits mit Legenden umwoben wurde. Die Karavelle mit den roten Segeln stand unter dem Kommando einer Frau, deren Verwegenheit ebenso sprichwörtlich war wie ihreäußeren Reize.

Sie hieß Siri-Tong, aber unter den Piraten, Abenteuern und Glücksrittern der Neuen Welt nannte man sie die Rote Korsarin, was auf die rotgelohten Segel, aber auch auf die Farbe ihrer Kleidung zurückzuführen war. Sie trug rote Blusen.

Diese schlanke, mittelgroße Frau mit den langen schwarzen Haaren und den etwas schräg gestellten dunklen Augen war eine exzellente Degenkämpferin. Genauso virtuos beherrschte sie ihr Schiff– und die Männer, die unter ihr fuhren.

Jetzt allerdings war ihre Karavelle unterbemannt– aus gutem Grund, denn der größte Teil ihrer alten Crew warüber die Klinge gesprungen, und zwar im Laufe einer Auseinandersetzung, deren Anlaß ein paar Hitzköpfe ihrer