1 Vom Sinn des Unsinns
Sie nennen sich Rididu, Spargel, Professor Nase oder Doktor Murks und auf den ersten Blick könnte man sie durchaus für ganz normale Clowns halten ... Wenn da nicht diese absolut unpassende Umgebung wäre: weiße Flure, gedämpftes Licht, Betten auf Rädern.
Clowns– wie bitte?– im Krankenhaus? Späße und Gelächter hier, wo der Ernst des Lebens regiert? Klamauk und Poesie im Reich von Tod und Schmerz? Bunte Gestalten mit zweifelhaften Manieren inmitten von hochseriösen Würdenträgern im gestärkten weißen Kittel? Das Quietschen einer Tröte in den schallgedämpften Wartearealen, in denen man kaum zu flüstern wagt?
Klar doch! Der Wahnsinn ist Programm: Die Clowns gehören zur Truppe der Klinikclowns, die ihr Wesen vorzugsweise dort treiben, wo kranke Kinder sind. Sie wollen die kleinen Patienten auf ihre ganz spezielle Art„behandeln“– indem sie ihnen etwas mitbringen, was in der Welt des Krankenhauses Mangelware ist: Humor.
Aber gehört die Behandlung von schwerkranken Kindern nicht in die Hand von Experten mit Diplom und Uni-Abschluss? Und werden für die seelischen Nöte nicht schon genügend Psychologen eingesetzt? Die Klinikclowns sehen sich nicht als Alternative zu den Bemühungen der Fachleute. Sondern als Ergänzung, vielleicht auch als Gegengewicht. Sie können keine Krankheiten heilen, aber sie können die ernste, allzu erwachsene Welt des Krankenhauses etwas bunter machen und dem Kind ermöglichen, trotz allem Kind zu sein und nicht nur Patient.
Gerade schwer kranken Kindern sieht man oft schon auf den ersten Blick an, wie sehr sich das Kind in ihnen verkrochen hat. Man muss es erst einmal erreichen.– Wie bei diesem Mädchen mit der Sauerstoffsonde und der lustigen Frisur, das auf dem Bett in Zimmer Nummer 14 sitzt und offenbar einiges hinter sich hat. Vorsichtig und auch skeptisch beäugt es den Clown, der durch den Türspalt schaut.„Darf ich hereinkommen?“
Das Kind nickt kaum merklich. Langsam nähert sich dieses fremde Wesen, hockt sich neben das Bett und fragt leise:„Willst du auch so eine schöne Nase wie ich?“ Ein stummer Blick, der Ja sagt– das Spiel darf beginnen. Mal ist die Nase da, wo sie hingehört, mal ist sie weggezaubert, plötzlich sind zwei da ... Das Mädchen ist ganz auf das Spiel konzentriert, ernst und bedächtig zuerst, aber allmählichöffnet sich ihr Gesicht, ein Lächeln kommt zum Vorschein, zaghaft erst, dann immer breiter.
Die Macht des Lachens wurde mittlerweile auch von der ernsthaften Forschung entdeckt. Wissenschaftliche Publikationen und Kongresse rücken dem Thema„Therapeutischer Humor“ zuleibe, untersuchen die physiologischen Wirkungen des Lachens, den Einfluss auf Adrenalin- und Endorphinausschüttung, Pulsschlag und Blutdruck. Und kommen zu dem Ergebnis, wen wundert’s: Lachen ist gesund.
Der Anfang der Klinikclown-Bewegung hat allerdings nichts mit wissenschaftlichen Theorien zu tun, im Gegenteil: mit einem Clown aus Fleisch und Blut, den wir Ihnen noch genauer vorstellen werden: Michael Christensen. Dessen ganz persönliche Begegnung mit Krankheit und Tod wird zum Startfunken für die Klinikclown-Bewegung. Schnell breitet sich die Idee in Amerika und dannüber den Atlantik aus und erreicht Anfang der 90er Jahre die deutschsprachigen Länder. Heute haben hier bereitsüber hundert Kliniken„ihre“ Clowns, und jeden Monat kommen ein paar neue dazu.
Während am Anfang vielÜberzeugungsarbeit bei den Klinikchefs geleistet werden musste, bis den Clowns Zutritt in die heiligen Hallen gewährt wurde, sind die Clowns heute für viele Krankenhäuser ein Wettbewerbsfaktor.„Wir werden manchmal schon beim Aufnahmegespräch von den Eltern gefragt, ob wir auch Clownsbesuche hätten“, sagt der leitende Oberarzt einer Universitätsklinik. Und auf vielen Stationen will auch das Personal das bunte Treiben der Clowns mittlerweile nicht mehr missen. Ihre Anwesenheit entspannt die Atmosphäre und sorgt für willkommene Abwechslung in der Alltagsroutine.
Die gewohnte Ordnung kann schon ein bisschen durcheinander kommen, wenn die Clowns umgehen. Da werden Respektspersonen gnadenlos parodiert in ihrer Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Ein Namensschild wird kritisch inspiziert:„Was, Sie sind auch Professor? Zeigen Sie mal Ihren Ausweis.“– Der Clown hat nun einmal ein gewisses Maß an„Narrenfreiheit“. Er kann wider den Stachel löcken, den autoritären Chef auf seine unschuldige Clowns-Art hochnehmen, und spricht damit den Mitarbeitern aus der Seele, die sich so was nicht trauen dürfen. Da, wo der Clown herkommt, gibt es keine Chefs und keine Untergebenen. Für ihn gibt es nur zwei Sorten Menschen: Erwachsene und Kinder– das Kind im Erwachsenen eingeschlossen. Und sein Herz gehört eindeuti