: Philipp Hager
: Im Bauch des stählernen Wals
: Edition Atelier
: 9783903005518
: 1
: CHF 8.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wir begegnen dem Erzähler als Reporter in Frankfurt, als Bettler in Paris, als 'Cornerman' bei einem Boxkampf in Prag und als rastlos Suchendem und dennoch Antriebslosem in Wien. Er hält sich nur durch glückliche Zufälle und gelegentliche Jobs über Wasser - bis eine junge Frau seinem Leben eine Wendung verleiht. Vielleicht. Der Roman einer neuen Generation: abgebrannt, unterwegs und immer auf der Suche nach der richtigen Art, das Leben zu bestreiten.

Philipp Hager, 1982 in Scheibbs/Niederösterreich geboren, Kindheit und Jugend in Lunz am See. 2000 Abschluss eines Oberstufengymnasiums, Umzug nach Wien, Studium der Geschichte und Völkerkunde. Abbruch nach dem ersten Semester. Anschließend verschiedene Jobs: Hundesitter, Telefonist, Kampfrichter, Türsteher, Rezeptionist etc. Langjährig als Reporter und Kolumnist für ein führendes deutsches Kampfsportmagazin tätig. Veröffentlichungen (Auswahl): Das Spektrum des Grashalms (Roman, 2008), Am Sandsack (Gedichte, 2010).

Kapitel I


Ein paar Bäume rasten am Fenster vorbei; dann war der Blick auf die Landschaft wieder frei. Endloses Ackerland. Bis zum Horizont erstreckte sich ein ockerfarbenes Nichts. Es machte den Eindruck, als hätte auf diesem Landstrich im Mittelalter eine unsägliche Metzelei getobt und als hätte die Erde die Kadaver niemals richtig verdaut. Wie ein grenzenloser, mit Weizen bewachsener Friedhof. Irgendwie war es schön anzusehen.

Ich versuchte, ein paar Eindrücke in meinem Notizbuch festzuhalten, aber der Zug rumpelte stark, und es kamen nicht mehr als schwarze Spinnennetze dabei heraus. In zwei Stunden würde ich nichts mehr davon entziffern können. Ich murmelte die Wörter vor mich hin, ließ sie wie Streichhölzer aufflammen, in der Hoffnung, sie mögen sich in meine Hirnrinde einbrennen. Aber kaum eine Minute später konnte ich mich an keine Silbe mehr erinnern; ich schnaubte, packte das Notizbuch in den Rucksack und lehnte mich zurück in den Polstersitz.

Es war Nachmittag, ein schöner Julinachmittag, und ich saß allein auf einem Viererplatz. Die Sonne brannte herein; Staubkörner schwebten im Licht. Weiter vorne im Wagen saßen ein paar Menschen. Sie schwatzten, und ihre Sätze zerbröckelten im Stampfen des Zuges, kleine Bruchstücke staubtenüber meine Ohren…PersonalmangelAkten… Ich achtete nicht darauf. Mir war fröhlich und heiter zumute. Ich fühlte mich meistens wohl. Zumindest, wenn ich alleine war.

Ich schaute eine Weile aus dem Fenster. Bis irgendwann die Abteiltür sich aufschob und ein glänzender Servicewagen hereinrollte. Der Mann dahinter war kaumälter als ich. Er hielt vorn, bei den Schwätzern. Dann kam er zu mir.

»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Eine Erfrischung vielleicht?«

»Gibt’s auch was zu essen?«, fragte ich.

»Wir haben Sandwiches… mit Thunfisch, Schinken und Ei, Käse…«

»Drei Thunfischsandwiches bitte«, und während er eine Lade aufzog und darin kramte,»Obst gibt es wohl nicht? Nein… dann noch einen schwarzen Tee.«

Er gab mir die Sandwiches. Dann ließ er den Tee herabsprudeln und reichte mir den dampfenden Becher. Er blickte kurz an die Decke; zwischen seinen Schläfen floss der Strom.

»Das wären dann… neun Euro zwanzig.«

»Hier sind zehn. Stimmt schon«, sagte ich.

Das war meine letzte Kohle, nun war ich blank. Aber darüber machte ich mir keine Sorgen. Wenn alles glatt lief, würde ich noch heute Abend ein paar Hunderter in der Tasche haben.

Der Mann lächelte und nickte. Dann rollte er sein Wägelchen an mir vorbei. Unter dem hydraulischenÄchzen der Abteiltür verschwand er in den nächsten Wagen.

Ich sah wieder aus dem Fenster. Die Landschaft blühte nun zusehends auf. Ein bewaldeter Hang zog vorbei. Unzählige Rotbuchen streckten ihre Wipfel nach der Sonne, die am Himmel stand wie eine platzende Orange. Zwischen den Baumstämmen wand sich eine Straße hervor, darauf ein Lastwagen, der langsam hinter den Zug zurückfiel.

Ich packte ei