: Heinz Helfgen
: www.radtouren4u.de
: Ich radle um die Welt Der Klassiker der Radtourer-Literatur
: Verlag Rad und Soziales
: 9783956901652
: 1
: CHF 4.40
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: Reiseführer
: German
: 606
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was für ein Abenteuer! Dieses Buch ist nicht nur eine abenteuerlicher Geschichte mit unglaublichen Erlebnissen, sondern auch echte Zeitgeschichte: Wüsten, Orient, Tigerjagd, Hemingway, Dschungel, Atombombe, Diamantensucher – und das alles kurz nach dem Weltkrieg. Das macht das Buch spannend bis zur letzten Seite. Der Reisebestseller der Fünfziger Jahre. Ein einzigartiges Lesevergnügen voller Spannung und Abenteuer – und ein großartiges Zeitdokument. Heinz Helfgen berichtet nicht nur einfach von einer faszinierenden Radreise rund um die Welt, die ihn mehrfach in lebensgefährliche Situationen bringt. Er erlebt auch den Alltag und schildert die Lebensumstände der bereisten Länder, trifft viele berühmte Persönlichkeiten seiner Zeit wie Tito oder Hemingway und gewinnt die Freundschaft vieler Menschen rund um den Erdball. Man hat Heinz Helfgen einen modernen Karl May genannt. Nur – er hat seine Abenteuer selbst erlebt.

Die Polizei hilft weiter


Männerstimmen. Ich schob den Kopf aus dem Schlafsack und streckte mich. Heller Tag. Die Morgensonne blendete. Ein Schatten beugte sichüber mich.„Guten Morgen! Haben Sie gut geschlafen?“ Die Stimme klang etwas zynisch. Ich rieb mir die Augen und stützte mich auf. Alle Knochen schmerzten. Drei Mann standen da. Polizei. Daneben, mitten zwischen den Apfelbäumen, ein Volkswagen.„Polizei“ stand groß darauf. Was soll’s? Einer von den Männern hob mein Fahrrad auf und lehnte es an einen Baumstamm.„Guck’ dir das mal an“, sagte er,„er hat das funkelneue Rad nicht einmal abgeschlossen!“„Vielleicht hat er es geklaut; schau’ mal nach”, sagte ein anderer. Ich stöhnte vor Muskelkater.„Darf ich Ihre Papiere sehen?“ sagte der, der mir so freundlich„Guten Morgen“ gewünscht hatte.„Müssen drüben in der Packtasche sein“, stöhnte ich und kroch langsam aus meinem warmen Schlafsack. Fast wäre ich vor Gliederschmerzen zusammengebrochen. Der Polizist, ein blutjunger Mann, stützte mich.„Sind Sie verletzt?“ fragte er dienstlich.„Quatsch“, sagte ich, ,,hab’ mir nur zuviel zugemutet - am ersten Tag gleich von Düsseldorf bis hierhin, 215 Kilometer.“ Die Männer schienen zu begreifen, dass sie es nicht mit einem stehlenden Landstreicher zu tun hatten. Ihr Chef, ein Oberwachtmeister mit einem schwarzen Schnurrbart, meinte schließlich, als ich ihm klarmachte, dass ich um die Erde radeln wollte:„Donnerwetter, da würde ich am liebsten gleich mitmachen.“ Wir unterhielten uns noch eine Weile bis der Chef den Vorschlag machte:„Am besten wäre es doch, wenn Sie uns die zwei Kilometer bis zur Wache folgen würden. Dort können Sie sich frisch machen und mit uns frühstücken.“ Ich tastete mein Gesicht ab. Der Bart war ganz schön gewachsen. Wahrscheinlich sah ich tatsächlich wie ein Vagabund aus.

Die Polizei, Freund und Helfer. Damals, am Anfang unserer deutschen Demokratie. Ich nahm ein heißes Duschbad, massierte und rasierte mich, und die Polizisten ließen mich nicht weiterziehen, bis ich auch ihr Frühstück mit ihnen geteilt hatte. Ich habe diesen echten Beweis freundlicher Menschlichkeit nie vergessen. Das gab mir viel Auftrieb, um wenige Stunden später die arroganteÜberheblichkeit anderer Zeitgenossen ertragen zu können.

Zehn Uhr. Frankfurt Innenstadt. Der Kilometerzähler stand auf 230. Ich stand vor dem Gebäude der„Frankfurter Zeitung“, der„Zeitung für Deutschland“, wie man sich dort vielversprechend propagierte.

Der Lift war kaputt. Mühsam stieg ich die Stufen zur Chefredaktion empor. Tolles Vorzimmer! Noch tollere Blondinen hinter zwei zueinander gestellten Schreibtischen. Die Damen fixierten mich kurz.„Sie wünschen?“„Ihren Chef zu sprechen“, sagte ich.„Sind Sie angemeldet?“„Tun Sie das, wenn ich bitten darf!“„Der Chef hat gerade ein längeres Ferngespräch - mit dem Ausland“, fügte sie stolz hinzu. Ich wartete eine Weile. Dann sagte sie:„Vielleicht können wir Ihnen helfen.“ Ichüberlegte. Warum sollte ich den Damen nicht sagen, worum es ging? Sie hörten aufmerksam zu, und nach drei Minuten nahm eine den Hörer des Telefons auf und sagte:„Chef, hier ist ein Journalist, der um die ganze Welt radelt -radeln will.“ Lange Pause. Dann sie:„Hab’ ich auch gedacht.“ Sie legte auf, zuckte die Schultern, sah mich an und sagte mit einem sauren Lächeln:„Ich bedaure, der Chef meint, Sie sollten sich an ein Boulevardblatt wenden. Wir sind eine zu seriöse Zeitung, um solche `Mätzchen´ zu drucken, sagte er.“ Die andere Blondine grinste mich an.„Mätzchen“? Das war eine unverschämte Beleidigung. Ich schluckte einige Male und verabschiedete mich:„Sagen Sie Ihrem Chef, es würde mir sehr leid tun, dass er Seriosität und Arroganz verwechselt.“

Die zweite Zeitung, einige Straßen weiter, war etwas bescheidener. Ich klopfte an der Tür mit dem Schild„Chefredakteur“ und trat einfach ein. Einälterer Herr saß dort hinter einem Stapel Zeitungen und las. Ich stellte mich vor. Er sagte:„Eigentlich hätten Sie sich anmelden sollen. Ich hatte vergessen, den Schlüssel umzudrehen. Wozu habe ich schließlich mein Vorzimmer?“„Entschuldigung“, sagte ich,„aber darf ich dennoch ganz kurz imTelegrammstil.“ Er rückte unruhig auf seinem Stuhl hin undher, und ich redete.„Ach sooo“, sagte er schließlich.„Sie glauben doch nicht etwa, dass wir so etwas drucken. Ja, wenn Sie deutscher Meister im Radfahren wären oder meinethalben auch noch ein bekannter Filmstar ... aber als ehemaliger Auslandskorrespondent und dazu noch Akademiker ... nein, wissen Sie, so was gefallt mir ganz und gar nicht. Schließlich reist kein Gentleman mit dem Fahrrad um die Welt.“

Ich stand da wie ein begossener Pudel. Dann fühlte ich, wie Zorn und Wut in mir aufstiegen. Ich hätte den Kerl, der da so satt und selbstgefällig hinter dem dicken Schreibtisch saß, ich hätte ihn erwürgen können. Er schien das zu fühlen und schaute mich fastängstlich an, als ob er sagen wollte: Bitte, bitte hau’ doch ab. Sekunden nur, dann riss ich mich zusammen und sagte grinsend:„Ich habe beim Studium der Psychologie gelernt, dass Arroganz eine Kompensation für armselige Minderwertigkeitsgefühle ist.“ Ich konnte mich nicht mehr bremsen und schlug die Tür mit lautem Krach hinter mir zu.

Draußen fühlte ich mich hundeelend. Der weißgetünchte Hof desGebäudes, den ich durchschreiten musste