: Liane Holliday Willey. Vorwort Tony Attwood
: www.autismus-buecher.de
: Ich bin Autistin - aber ich zeige es nicht Leben mit dem Asperger-Syndrom
: Verlag Rad und Soziales
: 9783956901553
: 1
: CHF 8.00
:
: Gesundheit
: German
: 208
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Einfach ein großartiges Buch: Die Tochter erhält die Diagnose Asperger und die Mutter erkennt sich - endlich - in dieser Diagnose wieder. Sie beschreibt im Rückblick ihre Lebensgeschichte und reflektiert es nun in Kenntnis der Asperger-Diagnose. Ernst, lustig und voller Anekdoten. Dabei immer spannend, denn man wartet darauf, wie der nächste Lebensabschnitt bis zur Hochschullehrerin mit drei Kindern verlaufen wird - und welchen Anteil das Asperger-Syndrom dabei hat. Ein Extrakapitel widmet sie den Ereignissen, als Asperger-Autistin Kinder zu haben. Sehr offen, in klaren Worten und schnörkellos beschrieben - und dabei doch sehr ins Detail gehend. Sie beschreibt Gefühle intensiver, als so mancher Mensch ohne Asperger. Sie muss die Gefühle für sich genau beschreiben, um sie zu verstehen."Auch wenn es 38 Jahre lang gedauert hat - ich kann gar nicht deutlich genug sagen, was für eine Erleichterung es war, mich endlich selbst zu finden!" Ein gelungenes Ende findet das Buch mit zahlreichen Checklisten für alle Lebensbereiche. Hier gibt Liane H. Willey viele wichtige Hinweise, worauf man als Asperger-Autist achten sollte (bei der Ausbildung, der Arbeit, in Beziehungen etc.). Mit einem sehr persönlichen Vorwort von Tony Attwood Das Buch: „Meine Tochter hat Asperger!" Liane Willey hatte von dieser Krankheit noch nie gehört, und nun erfährt sie: Unter Asperger oder „High-function-Autismus" leiden viele Menschen, ohne es zu wissen - „besondere" Menschen, die zu zurückgezogenem oder egozentrischem Verhalten neigen, die oft hoch begabt sind, aber an Selbstwertproblemen, Überempfindlichkeit, Unsicherheit, Verzweiflung leiden. Sie fühlen sich mitunter wie „Ausländer im eigenen Land" oder wie „Außerirdische, die auf einem falschen Planeten gelandet sind". Die Diagnose ihrer Tochter verändert ihr Leben, denn Liane Willey begreift, dass sie seit Jahrzehnten mit den gleichen Symptomen zu kämpfen hatte: „Ich kann die Erleichterung nicht ausdrücken, die ich empfand, als ich schließlich realisierte, dass meine Tochter und ich nicht an einer Geisteskrankheit oder einer gespaltenen Persönlichkeit litten oder etwas Ähnlichem. Wir haben Asperger. Damit können wir leben! Wir können unsere Ziele und Träume erreichen, und wir können unser Leben weiterführen - mit Optimismus und Hoffnung. Wie aufregend die Erkenntnis, dass ich ganz einfach Dinge anders sehe, anders auffasse, anders empfange als andere und dass das so in Ordnung ist. Es ist meine Normalität." Liane Willey erzählt ihre Lebensgeschichte von der frühen Kindheit über die Schul- und Collegezeit bis zum Leben als Berufstätige und Mutter von drei Kindern. Sie macht deutlich, wie die Welt von einer „Aspie" erlebt wird - von den Strategien, mit denen es ihr gelang, ihren eigenen Weg zu finden, aber auch von dem oft erheblichen Leidensdruck, der damit einherging. In einem Anhang folgen praktische Hinweise „von immenser Präzision, was die Vorschläge (und Erfahrungen) angeht, im Alltag Probleme zu bewältigen, die sich einem Menschen mit Asperger-Autismus stellen" (Ulrich Rabenschlag). Ein persönliches Buch, das die Menschen, die Asperger haben - einer großen europäischen Studie zufolge in Deutschland pro Jahrgang ca. 5000 Menschen -, in ihrer Besonderheit versteht und ihnen Achtung und Sympathie entgegenbringt. Ein spannender Fallbericht nicht nur für Betroffene, sondern auch für Eltern, Erzieher, Lehrer, Psychologen und Ärzte. Die Autorin Liane Holliday Willey ist eine der führenden Kapazitäten zum Thema Asperger-Syndrom. Sie lebt in Michigan, USA, und arbeitet dort als Hochschullehrerin.

2. Der Unterschied wird größer, und ich frage mich warum


 

Meine Gedanken sind in der Mitte ganz klar, an den Rändern voller Falten, außen ganz zerfetzt.

Ich kann mich dazu bringen, nur das Klare zu sehen, indem ich meine Augen ganz auf die Mitte gerichtet halte, auf die Essenz,

den Punkt, der vollkommen deutlich ist.

Ich kann meine Erinnerungen mit dem Hauch meines

Flüsterns vermischen

und die Ränder glätten,

wenn ich es muss,

wenn ich es möchte,

wenn meinÄußeres zu sehr strapaziert wird.

 

Ich denke nicht, dass die Jahre als Teenager fürüberhaupt irgendjemanden sorgenfrei sind. Für mich waren es aufschlussreiche und faszinierende Zeiten, wenn es auch nicht immer leicht gewesen ist und nicht ohne Probleme ablief. Meine Erfahrungen damals waren einfach, aber auch bereichernd. Es war, als habe diese Zeit aus einer Vielzahl von Rätseln bestanden, denen ich in aller Unschuld gegenüberstand. Kognitiv war ich mir meiner ungewöhnlichen Eigenschaften bewusst, die ich offenbar mit niemandem teilte. Aber aus irgendeinem Grund machte ich mir deshalb keine Sorgen, ja eigentlich machte ich mir darüberüberhaupt keine Gedanken. Ich störte mich nicht daran, dass meine Freunde von anderen Voraussetzungen ausgingen, und meine Freunde störte das ebenso wenig. Die freundschaftliche Akzeptanz gab uns gegenseitig viel zu entdecken.

Ich erinnere mich daran, dass sich unter den Mitschülern meiner Schule mindestens drei verschiedene Cliquen gebildet hatten, denen man zugehörig sein konnte. Ich denke, dass es sogar noch weitere gab. Wenn ich jetzt an diese Cliquen zurückdenke, dann kommt es mir so vor, als sei jede von ihnen aufgrund gemeinsamer Interessen entstanden. Für Menschen mit dem Asperger-Syndrom bedeutet das, dass für sie ein Traum wahr wird. Ich kann mich noch lebhaft an die Gruppe von Schülern erinnern, in der ich Mitglied war. Es gab da Athleten, Cheerleader und all die Leute, die sich in der Schülerverwaltung engagierten. Ich war in diesen Freundeskreis geraten, weil ich schon in der Grundschule mit denselben Mitschülern befreundet gewesen war, also Jahre, bevor wir wussten, wie wir in unserer Gymnasialzeit sein würden und was wir dort machen würden. Unsere Freundschaft war für uns etwas, auf das wir uns verlassen konnten. Sie war beständig und gab uns daher Sicherheit - beides Qualitäten, die im Teenager-Alter eine Seltenheit sind. Wir waren diejenigen, die freimütig aussprachen, was wir dachten. Wir setzten uns sowohl praktisch als auch intellektuell für alles Mögliche ein. Nichts ging an uns vorüber, ohne dass wir uns ihm in den Weg stellten, uns zunächst eine Meinung darüber bildeten und uns damit auseinander setzten.

Es fiel mir leicht, meine Sicht der Dinge zu vertreten, ich tat das fast die ganze Zeit. Aus der Gruppe war ich mit Abstand am offensten und schonungslosesten, auch wenn meine Freunde mir häufig sagten, dass ich zu weit ging. Ich wusste nie, wie weit zu weit war. Sogar heute kann ich keinen guten Grund dafür finden, warum ich meine Gedanken für mich behalten sollte. Die Welt scheint mir in diesem Punkt unverständlich zu sein. Manchmal wollen die Leute eine ehrliche Meinung von einem hören, ein anderes Mal dagegen nicht. Zuweilen sagen sie so unglaubliche Dinge, dass man seine Meinung dazu einfachäußern muss. Manchmal sitzen sie still da und tun so, als hätten sie von der Situation, die entstanden ist, gar nichts mitgekommen. Die ganze Logik ist zu verwirrend. Ich kann nie begreifen, wie man mit Sicherheit wissen soll, ob es angebracht ist, seine Gedanken auszusprechen oder nicht. Natürlich denke ich oft darüber nach, ob ich vielleicht zu viel gesagt habe, und frage mich, ob man mich vielleicht falsch verstanden hat. Manchmal wünsche ich mir sogar, dass ich nicht gesagt hätte, was mir gerade herausgerutscht ist. Aber schon vor sehr langer Zeit ist mir klar geworden, dass es für mich einfacher wäre, einen Hund davon abzubringen, einem Knochen hinterher zu rennen, als mich selbst davon abzubringen, meine Gedanken auszusprechen.

Wenn alles, was man von mir im Gymnasium verlangte, meine Meinung gewesen wäre, dann wäre ich jeden Abend fröhlich zu Bett gegangen. Aber ich wollte mehr als das, nicht weil ich irgendjemandem etwas beweisen wollte oder weil ich ein bestimmtes Ziel erreichen wollte. Ich mochte bestimmte Aktivitäten einfach sehr gerne und suchte daher nach Wegen, wie ich sie ausüben konnte. Insbesondere drei Sachen hatten es mir während meiner Gymnasialzeit angetan. Die erste dieser Aktivitäten war das Leistungsschwimmen. Wasser versetzte mich immer noch in Entzücken und hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Schade, dass es aus mir keine gute Schwimmerin machte. Ich hatte ganz naiv angenommen, dass ich, weil ich am Schwimmen Spaß hatte, auch automatisch eine gute Mannschaftsschwimmerin werden würde. Ich hatte mich geirrt. Auf eine gewisse Weise hatte ich zwar eine natürliche Begabung für das Schwimmen. Ich konnte meine Luft sehr lange anhalten, meine Beine waren kräftig und ich war von der Gesamtkondition her sehr gut trainiert. Aber ich versagte in allem, was wirklich wichtig war. Ich konnte stundenlang schwimmen, aber das ging nur dann gut, wenn ich dabei meine beiden Arme gleichzeitig bewegen konnte und meine Beine ebenso synchron. Doch ich litt entsetzlich, wenn von mir bilaterale Koordination verlangt wurde oder mein Gleichgewicht gefragt war. Wenn ich zum Beispiel meinen linken Arm durchzog, konnte ich es nicht koordinieren, gleichzeitig mit meinem rechten Bein zu treten. Meine Schwimmtrainerin hatte mich wohl sofort aufgegeben, nachdem sie mich das erste Mal schwimmen gesehen hatte. Sie ließ mich trotzdem in der Mannschaft bleiben, und ich hatte das gleiche Trainingspensum wie alle anderen auch zu absolvieren. Sie war nie gemein oder grob zu mir. Wie hätte sie das auch sein können? Ich war ja so gut wie unsichtbar für sie.

Ich strengte mich so sehr an, wie ich konnte, um mit den anderen Schwimmern mitzuhalten. Ich kam früher und ging später als sie, aber ich konnte mir nicht beibringen, was mir fehlte.Ich ging zu ein paar Mannschaftstreffen, aber ich hatte die sozialen Aspekte der Gruppendynamik noch nie begriffen. Bei den Treffen saß ich allein da, schaute wiederholt auf die Uhr, bis das Treffen vorbei war und ich endlich gehen konnte. Ich glaube nicht, dass mich jemand vermisst hat, als ich aus der Mannschaft wieder austrat. Ich kann auch nicht sagen, dass ich meine Teamkollegen vermisst habe. Was mir fehlte, war das Wasser.

Manchmal träume ich davon, wie es gewesen wäre, wenn ich von jemandem trainiert worden wäre, der meinen individuellen Bedürfnissen gegenüber einfühlsamer gewesen wäre. Von jemandem, der erkannt hätte, dass meine Koordinationsprobleme einen anderen Hintergrund hatten als die Tatsache, dass ich mich nicht zum Leistungssportler eignete. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass mir jemand mehr zur Seite gestanden hätte. Aber in der Gymnasialzeit herrschte eben das Recht des Stärkeren. Ein Schüler musste schon dringend und offensichtlich Hilfe brauchen, bevor ihm geholfen wurde. Alle anderen standen allein da und mussten sich selbst darum kümmern, wie sie klar kamen. Nachdem mir bewusst