FERDINAND. DerPRÄSIDENT.WURM, welcher gleich abgeht.
FERDINAND. Sie haben befohlen, gnädiger Herr Vater –
PRÄSIDENT. Leider muss ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden will – Lass Er uns allein, Wurm. – Ferdinand, ich beobachte dich schon eine Zeitlang, und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich sonst so entzückt hat. Ein seltsamerGram brütet auf deinem[23]Gesicht – Du fliehst mich – Du fliehst deineZirkel – Pfui! –Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausschweifungen vor einer einzigenGrille.Überlass diese mir, lieber Sohn. Mich lass an deinem Glück arbeiten, und denkeauf nichts, als in meine Entwürfe zu spielen. – Komm! Umarme mich, Ferdinand.
FERDINAND. Sie sind heute sehr gnädig, mein Vater.
PRÄSIDENT. Heute, duSchalk – und dieses Heute noch mit der herben Grimasse?(Ernsthaft.) Ferdinand! –Wem zulieb hab ich die gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten?Wem zulieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen? – Höre, Ferdinand – (Ich spreche mit meinem Sohn) –Wem hab ich durch die Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht – eine Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das Messer der Welt verberge. Höre. Sage mir, Ferdinand:Wem tat ich dies alles?
FERDINAND(tritt mit Schrecken zurück). Dochmir nicht, mein Vater? Doch aufmich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht fallen? Beim allmächtigen Gott! Es ist besser, gar nicht geboren sein, als dieser Missetat zur Ausrede dienen.
PRÄSIDENT. Was war das? Was? Doch! ich will es demRomanenkopfe zugut halten – Ferdinand – ich will mich nicht erhitzen, vorlauter Knabe – Lohnst du miralso für meine schlaflosen Nächte?Also für meine rastlose Sorge?Also für den ewigenSkorpion meines Gewissens? – Auf mich fällt die Last der Verantwortung – auf mich der Fluch, der Donner des Richters – Du empfängst dein Glück von der zweiten Hand – das Verbrechen klebt nicht am Erbe.
FERDINAND(streckt die rechte Hand gen Himmel). Feierlich entsag ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.
PRÄSIDENT. Höre, junger Mensch, bringe mich nicht auf. –[24]Wenn es nach deinem Kopfe ginge, du kröchest dein Leben lang im Staube.
FERDINAND. O, immer noch besser, Vater, als ich kröch um den Thron herum.
PRÄSIDENT(verbeißt seinen Zorn). Hum! – Zwingen muss man dich, dein Glück zu erkennen. Wo zehn andre mit aller Anstrengung nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben. Du bist im zwölften JahreFähndrich. Im zwanzigstenMajor. Ich hab es durchgesetzt beim Fürsten. Du wirst die Uniform ausziehen, und in das Ministerium eintreten. Der Fürst sprach vom Geheimen Rat – Gesandtschaften – außerordentlichen Gnaden. Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir. – Die ebene Straßezunächst nach dem Throne – zum Throne selbst, wenn anders die Gewalt so viel wert ist, als ihre Zeichen – das begeistert dich nicht?
FERDINAND. Weil meine Begriffe von Größe und Glück nicht ganz die Ihrigen sind –Ihre Glückseligkeit macht sich nur selten anders als durch Verderben bekannt. Neid, Furcht, Verwünschung sind die traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belächelt. – Tränen, Flüche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran diese gepriesenen Glücklichen schwelgen, von der sie betrunken aufstehen, und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln – Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinemHerzen liegen alle meine Wünsche begraben. –
PRÄSIDENT. Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung wieder! – Schade nur, dass mein fünfzigjähriger Kopf zu zäh für das Lernen ist! – Doch – dies seltne Talent nicht einrosten zu lassen, will ich dir jemand an die Seite geben, bei dem du dich in dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exerzieren kannst. – Du wirst dich entschließen – noch heute entschließen – eine Frau zu nehmen.
FERDINAND(tritt bestürzt zurück). Mein Vater?
[25]PRÄSIDENT. Ohne Komplimente – Ich habe der Lady Milford indeinem Namen eine Karte geschickt. Du wirst dich ohne Aufschub bequemen, dahin zu gehen, und ihr zu sagen, dass du ihr Bräutigam bist.
FERDINAND.Der Milford, mein Vater?
PRÄSIDENT. Wenn sie dir bekannt ist –
FERDINAND(außer Fassung). WelcherSchandsäule im Herzogtum ist sie das nicht! – Aber ich bin wohl lächerlich, lieber Vater, dass ich Ihre Laune für Ernst aufnehme?Würden SieVater zu demSchurken Sohne sein wollen,