Ich stand auf dem Bett und hüpfte auf und ab. Mein Zimmer leuchtete gelb, die Wände waren frisch gestrichen, am Wandstück neben mir hingen meine Messer. Ich hüpfte auf der grünen Frotté-Tagesdecke, die Liegefläche federte, unter der Matratze war kein Lattenrost, sondern ein aus Draht geknüpftes Gewebe: ein Trampolin aus federnden Metallringen. Das Bett ächzte, es war weich. Lag ich in ihm, fühlte ich mich sicher, denn unter meiner Matratze spannte sich Kettenhemdstoff, den kein Pfeil durchdringen konnte. Kettenhemden kannte ich aus den Ritterburgen am Rhein – schwere, aus winzigen Metallringen gefertigte Schutzkleidung, die Schwerthieben standhielt. Von unter dem Bett hätte mich niemand erdolchen können.
Die Messer an der Wand hingen an Nägeln, die ich selbst eingeschlagen hatte, die meisten krumm. Unser Haus war nicht gemauert, sondern aus Beton gegossen und anschließend ausgehärtet. So stellte ich es mir vor, und so sah ich es auf den Baustellen im Neubaugebiet: Verschalungsbretter wurden zu Formen gezimmert und Hohlräume mit Flüssigbeton gefüllt. Auf den nackten Wänden, so war es auch in manchen Räumen unseres Hauses, blieb später die grobe Maserung der Verschalungsbretter zurück, eine Zeitlang dachte ich, Beton sei eine Art versteinertes Holz. Waren da nicht sogar Astlöcher zu sehen? Und, zweite Frage, wohnten wir in einem Bunker?
Ich schaute mich um. Links von mir lagen Bücher auf dem Boden, die ich aus der Stadtbücherei ausgeliehen hatte, auch eigene waren dabei, Lustige Taschenbücher etwa, Donald Duck las ich jeden Tag. Vielleicht lagen da auchDie Insel der Abenteuer von Enid Blyton oderDie drei Fragezeichen und der tanzende Teufel, das nicht Alfred Hitchcock geschrieben hatte, wie ich von meiner ältesten Schwester wusste, obwohl sein Name und ein stilisiertes Schwarz-Weiß-Porträt von ihm auf den Umschlag gedruckt waren. Das Fußende meines Bettes zeigte Richtung Schreibtisch, über ihm hingen Regale mit weiteren Büchern. Eigentlich hatte ich zwei Schreibtischplatten, das Zimmer war groß oder kam mir groß vor, lag voll von allen möglichen Dingen, die im Kinderzimmer eines Grundschülers herumliegen können: Stifte, Pinsel, Blöcke, Papiere, Schulbücher, Zettel, Munition für Spielzeugpistolen, Steine, Murmeln, eine kaputte Erbsenpistole, eine Zwille, Dartpfeile, andere Malutensilien, Süßigkeitenpapiere, eine aufgebrochene Sparbüchse, Taschenmesser, eine Uhr, noch eine Uhr, Bilder, eine Blockflöte, ein Springseil und so fort. Dahinter das Doppelfenster, das hinunter – mein Zimmer lag im ersten Stock – auf den Garten ging, auf den Rasen, den ich jede Woche mähen musste, und die Bäume. Dem Haus am nächsten stand der Kirschbaum, dessen Kirschen im Frühsommer gegen die Vögel verteidigt werden mussten, dann kamen der Apfel- und der Pfirsichbaum, dahinter der Walnussbaum, die große Blutbuche stand schon einen Garten weiter.
Ich wippte leicht hin und her und auf und ab, nicht wild, nein, ich hüpfte nicht ausgelassen, denn ich stand mit einem Messer in der Hand auf meinem Bett, wollte mir alles noch einmal ansehen, wollte mir mein Zimmer einprägen, den grauen Teppichboden und den weißen Schrank, der die meinem Bett gegenüberliegende Wand komplett ausfüllte, ein riesiger Kleiderschrank mit fünf oder sechs Türen – «der Interlübke», wie meine Mutter sagte, um ihn von dem anderen Kleiderschrank in ihrem Schlafzimmer zu unterscheiden. Meine Anziehsachen belegten dort nur ein Segment, Spielzeug ein zweites, hinter den anderen Türen hingen ältere Kleidungsstücke meiner Eltern, Mäntel, Pullover, Skianzüge, Wintersachen. Der Schrank, seine Türen waren mit Bildern von Burgen, Flugzeugträgern und Raubvögeln beklebt, zog sich bis zum Fenster, dort blieb ein schmaler Spalt zur Wand, zu schmal, um sich hineinzuzwängen. Hin und wieder warf ich Papiere und leere Süßigkeitenverpackungen dort hinein und baute einen Sichtschutz aus Büchern und Spielsachen davor, die Verpackungen der mitunter geklauten Süßigkeiten hätten im Papierkorb ja auffallen können, dachte ich mir –