Der General Bonaparte
Bonaparte war, wie wir gesehen, zur Belohnung für seine der Republik vor Toulon geleisteten Dienste, zum Artilleriegeneral der Armee von Nizza befördert worden. Hier trat er in ein vertrautes Verhältnis mit dem jüngern Robespierre, der bei dieser Armee abgeordneter Volksvertreter war. Kurze Zeit vor dem 9. Thermidor nach Paris zurückberufen, gab sich Robespierre alle Mühe, den jungen General zu bestimmen, ihm in die Hauptstadt zu folgen; aber Bonaparte weigerte sich beharrlich; noch war die Stunde nicht gekommen, wo er Partei nehmen sollte.
Zudem hielt ihn vielleicht noch ein anderer Beweggrund zurück, und– war es diesmal wieder der Zufall, der das Genie schützte? In diesem Falle hatte sich der Zufall in der Gestalt einer schönen jungen Volksvertreterin verkörpert, die zu Nizza die Sendung ihres Gemahls teilte. Bonaparte hegte eine ernste Neigung für sie, die er durch echt kriegerische Huldigungen bewies. Eines Tags, als er mit ihr in der Nähe des Col di Tenda spazierenging, wollte der junge General seiner schönen Begleiterin das Schauspiel eines kleinen Krieges bieten und befahl ein Vorpostengefecht. Ein Dutzend Soldaten fielen dieser Belustigung zum Opfer, und Napoleon hat mehr als einmal auf St. Helena gestanden, daß diese zwölf ohne wirklichen Grund, aus bloßer Laune getöteten Menschen ihm größere Gewissensbisse verursachten als der Tod der 600 000 Soldaten, deren Gebeine er in den Eissteppen Rußlands gelassen hatte.
Inzwischen faßten die Volksvertreter bei der italienischen Armee folgenden Beschluß:
»Der General Bonaparte hat sich nach Genua zu begeben, um in Verbindung mit den Geschäftsträgern der französischen Republik seinen Aufträgen gemäß mit der Regierung von Genua zu unterhandeln.
»Der Geschäftsträger bei der genuesischen Republik hat ihn anzuerkennen und bei der Regierung von Genua zu beglaubigen.
Loano, den 25. Messidor im II. Jahr der Republik.«
Der wahre Zweck dieser Sendung war, den jungen General die Festungen Savona und Genua mit eigenen Augen sehen zu lassen, ihm Gelegenheit zu geben,über die Artillerie und sonstige Kriegsvorräte alle möglichen Aufschlüsse zu erhalten, endlich ihn instand zu setzen, alles Tatsächliche festzustellen, woraus man die Absichten der genuesischen Regierung der Koalition gegenüber erkennen könnte. Während Bonaparte diese Sendung erfüllte, bestieg Robespierre das Schafott, und an die Stelle der terroristischen Volksvertreter traten Albitte und Salicetti. Bei ihrer Ankunft zu Barcelonette machten sie folgenden Beschluß– es war dies der Dank, der des rückkehrenden Bonaparte wartete,– bekannt:
»Die Volksvertreter bei der Alpen- und bei der italienischen Armee fassen, in Erwägung, daß der General Bonaparte, Oberbefehlshaber bei der Artillerie der italienischen Armee, ihr Vertrauen durch das verdächtigste Benehmen und besonders durch seine jüngste Reise nach Genua gänzlich verloren hat, folgenden Beschluß:
»Der Brigadegeneral Bonaparte, Oberbefehlshaber bei der Artillerie der italienischen Armee, ist vorläufig seiner Stelle enthoben: er soll durch Maßnahme und unter Verantwortlichkeit des Obergenerals der genannten Armee in Verhaft genommen und unter guter und sicherer Bedeckung vor denöffentlichen Wohlfahrtsausschuß nach Paris geführt werden; alle seine Papiere und Effekten, von denen die von den Volksvertretern Albitte und Salicetti an Ort und Stelle zu ernennenden Kommissare ein Verzeichnis zu machen haben, sind unter Siegel zu legen, und was davon verdächtig erscheint, ist nach Paris an denöffentlichen Wohlfahrtsausschuß zu senden.
Gegeben zu Barcelonette den 19. Thermidor des Jahres II der einen, unteilbaren und demokratischen französischen Republik.
Gezeichnet:
Albitte, Salicetti, Laporte.
Für die Richtigkeit der Abschrift der Obergeneral
der italienischen Armee:
Gezeichnet:Dumerbion.«
Der Beschluß wurde vollzogen; Bonaparte, zu Nizza ins Gefängnis geführt, blieb vierzehn Tage darin, worauf er durch einen von denselben Männern unterzeichneten zweiten Beschluß vorläufig wieder in Freiheit gesetzt ward.
Übrigens entkam Bonaparte einer Gefahr nur, um in eine Unannehmlichkeit zu geraten. Die Ereignisse des ThermidorSturz und Hinrichtung Robespierres. A. d.Ü. hatten eine Umgestaltung in den Konventsausschüssen mit sich gebracht; ein alter Kapitän, namens Aubry, stand nun an der Spitze des Ausschusses und entwarf eine neue Heeresordnung, auf der er sich als Artilleriegeneral verzeichnet hatte. Was Bonaparte betrifft, so erteilte man ihm als Ersatz für den entzogenen Rang eines Artilleriegenerals den eines Infanteriegenerals in der Vendée. Bonaparte, der den Schauplatz eines Bürgerkriegs in einem Winkel Frankreichs für seinen Ehrgeiz zu eng fand, weigerte sich, diesen Posten zuübernehmen, und wurde kraft eines Beschlusses desöffentlichen Wohlfahrtsausschusses aus der Liste der aktiven Oberoffiziere gestrichen.
Schon hielt sich Bonaparte für zu unersetzlich für Frankreich, um nicht durch eine solche Ungerechtigkeit tief niedergeschlagen zu werden; aber da er noch nicht auf einem jener Gipfel des Le