: Sarah Sundin
: Das Strahlen des Himmels
: Francke-Buch
: 9783868278927
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 384
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nach dem Tod ihres Mannes stürzt sich Helen Carlisle in ihre vielen Ehrenämter, um ihre Gefühle zu verbergen. Aber die fein säuberlich errichtete Fassade der trauernden Kriegswitwe aufrecht zu erhalten, kostet Kraft. Es dauert nicht lange, bis sie ihren ersten Knacks bekommt. Lieutenant Raymond Novak ist eigentlich Pastor. Und er zieht die Kanzel dem Cockpit eindeutig vor. Sein Job als Fluglehrer für B-17-Bomber gestattet ihm den Luxus eines Privatlebens - und eine willkommene Ausrede, seiner größten Angst aus dem Weg zu gehen. Als die schöne Helen ihm den Kopf verdreht, beschließt er, ihr Herz zu erobern. Aber dann sehen sich Ray und Helen plötzlich mit unvorhergesehenen Herausforderungen konfrontiert. Werden sie beide die Kraft finden, sich ihren Ängsten zu stellen? Und hat ihre Liebe eine Chance, den Krieg zu überdauern? Das Strahlen des Himmels, der dritte und letzte Teil der Trilogie um die Familie Novak, steckt voller Wagemut, Drama und Romantik.

Sarah Sundin ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Kalifornien. Wenn sie nicht gerade schreibt, engagiert sich die studierte Pharmazeutin in ihrer Gemeinde in der Sonntagsschularbeit und leitet Bibelgruppen für Frauen.

Kapitel 1

Antioch, Kalifornien
Mittwoch, 1. März 1944

Helen Carlisle lief die G Street hinunter und gab sich Mühe, bekümmert auszusehen. Es gab Tage, an denen ihr diese zur Schau gestellte Trauer leichter fiel, aber das war sie ihrem Sohn nun einmal schuldig.

Sie hievte den zweijährigen Jay-Jay auf ihrer Hüfte etwas höher und sog die frische Brise ein, die von der Bucht von San Francisco ins Sacramento River Delta wehte. Die Luft war vom Regen gereinigt und roch nach frischem Gras.

Mit einem Hüftstoßöffnete sie die Tür zu Dellas Boutique und ließ ihre Notizbücher auf den Tisch am Eingang fallen. Aus einem schwarzen Bilderrahmen lächelte Jim Carlisle sie an– groß, schlank und in der schicken blauen Uniform der Navy. Der Held der Kleinstadt. Ob er diese Uniform getragen hatte, als sein Zerstörer vor Guadalcanal von einem japanischen Torpedo getroffen worden war?

Helen küsste ihre Fingerspitzen und drückte sie auf das kalte Glasüber Jims Gesicht. Dann ließ sie den Blick durch das Geschäft schweifen, aber ihre Schwiegereltern waren nirgendwo zu sehen. Als aus dem Hinterzimmer Schritte erklangen und der Vorhang schwungvoll zur Seite geworfen wurde, wiederholte sie die Prozedur schnell und hob das Bild dann für ihren Sohn hoch.„Gib Daddy einen Kuss.“

Jay-Jay patschte sich das Händchen auf den Mund, woraufhin irgendetwas knirschte, und gab den Kuss an den Vater weiter, an den er sich nicht erinnern konnte.

Es knirschte? Jay-Jays eines Bäckchen sah voller aus als sonst.„Schätzchen, was hast du da im Mund?“

Der Kleine schüttelte die blonden Locken und presste die Lippen aufeinander.

„Lass Mama mal sehen.“ Helen hockte sich hin, setzte sich den Jungen auf den Schoß und versuchte, seinen Mund zuöffnen. Jay-Jay heulte auf und schlug mit seinenÄrmchen nach ihr.

„Bitte, Jay-Jay!“ Ihr wurdeübel. Auf seiner Zunge lagen schleimig-graue Stücke. Dabei hatte sie ihn nur einen Augenblick abgesetzt, einen kurzen Augenblick, während sie das Plakat mit dem aktuellen Spendenbarometer ins Schaufenster der Rotkreuzfiliale gehängt hatte.

„Was machst du da mit meinem Enkel?“ Della Carlisles Stimme klang hart und unnachgiebig.

„Er ... er hat eine Schnecke im Mund.“ Helen zog ein Taschentuch aus ihrem Kleid, holte dieÜberreste vorsichtig heraus und versuchte, sich nicht an den scharfen Zähnchen zu verletzen.

„Eine Schnecke? Um Himmels willen! Hat dir deine Mommy nichts zu essen gegeben?“

„Doch, natürlich. Schnittchen mit Schinken, einen Apfel und Milch.“

Jay-Jay wand sich aus ihren Armen.„Gamma!“

Mrs Carlisle hob ihn hoch.„Komm, wir gucken mal, ob deine Grandma etwas hat, was kleinen Jungs wirklich schmeckt.“

Helen seufzte und stand auf. Mrs Carlisle hatte ein einzigartiges Geschick dazu, immer genau dann anwesend zu sein, wenn Helen ein Fehler unterlief. Sie knüllte das Taschentuch vorsichtig zusammen und nahm sich vor, es nach ihrer Schicht auszuwaschen.

„Da ist ja mein Goldjunge.“ James Carlisle kam mit dem gleichen schwungvollen Schritt aus dem Lager, den sein Sohn einst gehabt hatte. In einer fließenden Bewegung schnappte er sich Jay-Jay aus Mrs Carlisles Armen und nahm ihn Huckepack.„‚Hoppe, hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er. Fällt er in die Hecken, isst der Kleine Schnecken!‘ Ist doch nicht schlimm. Dreck reinigt den Magen.“

Mrs Carlisle zog sich ins Lager zurück.

Jay-Jay juchzte vor Freude, als sein Großvater mit ihm um einen Kleiderständer galoppierte.

Helen freute sichüber die Zuneigung, die zwischen dem alten Mann und seinem Namensvetter bestand.„Mrs Carlisle kann gerne nach Hause gehen, wenn sie möchte. Ich bin bis um eins hier.“

„Bis um drei.“

Sofort dachte Helen an die Notizbücher am Eingang, in denen sie unter anderem ihren heutigen Tagesplan schriftlich festgehalten hatte.„Ich kann leider nur eine Stunde bleiben. Ich muss mit Mrs Novak das Frühlingsteekränzchen besprechen, die Spende fürs Rote Kreuz einzahlen und die Strickmuster zu Dorothy bringen, damit sie Socken für die Soldaten stricken kann. Um halb vier kommen dann die Rotkreuzkinder ...“

James Carlisle lachte auf.„Und ich muss die Mieten eintreiben und zur Vorstandssitzung in der Bank. Um drei. Familie geht vor.“ Er schnaubte und trabte weiter.

Wie könnte sie sich ihm widersetzen? Ihr Haus gehörte ihrem Schwiegervater und er ließ sie mietfrei wohnen, sola