Kapitel1
Es war einer jener Tage, von denen man sich wünscht, sie wären schon vorbei, kaum dass sie zehn Minuten alt sind. Es begann, als ich meine Augen aufschlug und feststellte, dass beunruhigend viel Sonnenlicht durch die Fensterläden des Schlafzimmers drang. Jene Menge an Sonnenlicht, die für8 Uhr morgens typisch ist – nicht für7 Uhr morgens. Mein Wecker hatte nicht geläutet. Dieser Erkenntnis folgte ein zwanzigminütiges Schimpfen und Heulen (das Heulen besorgte mein sechs Jahre alter Sohn), als ich durch das Haus hetzte, vom Bad in die Küche und zur Haustür, und dabei versuchte, all die lächerlichen kleinen Dinge zusammenzuraffen, die Adam und ich für den Rest dieses Tages benötigen würden. Als ich eine Dreiviertelstunde später mit dem Wagen an seiner Schule ankam, warf mir Adam einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Mami hat gesagt, wenn du mich am Montag zu spät zur Schule bringst, werde ich Sonntagabend nicht mehr zu Hause verbringen dürfen.«
Junge, Junge!
»Das war das letzte Mal, ich verspreche es.«
Adam stieg mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck aus dem Auto.
»Hier«, sagte ich und reichte ihm einen prall gefüllten Plastikbeutel. »Vergiss dein Pausenbrot nicht.«
»Behalte es«, erwiderte Adam, ohne mich anzuschauen. »Ich darf keine Erdnussbutter in die Schule mitbringen.«
Darauf drehte er sich um und rannte über den leeren Schulhof.Das arme Kind, dachte ich, während ich beobachtete, wie er mit seinen kurzen Beinen auf die Eingangstür zulief. Nichts ist schlimmer, als zu spät zur Schule zu kommen, wenn alle anderen schon da sind und die Nationalhymne durch die Gänge hallt. Und dann auch noch kein Pausenbrot dabeizuhaben.
Ich warf den Plastikbeutel auf den Beifahrersitz und seufzte. Ein weiteres »Betreuungswochenende« hatte ein unrühmliches Ende gefunden. Ich hatte als Ehemann eklatant versagt. Und jetzt schien es, als würde ich auch als getrennt lebender Vater auf ähnlich grandiose Weise scheitern. Nachdem ich Adam abgeholt hatte, reihte sich anscheinend eine Enttäuschung an die andere. Obwohl ich die ganze Woche, wenn Adam nicht da war, das Gefühl hatte, mir würde etwas Wichtiges fehlen, verspätete ich mich am Freitag regelmäßig. Die versprochene Pizza und der Kinobesuch wurden vergällt durch das Thunfisch-Sandwich, das Annisha Adam mittags zu essen gab. Und dann war da noch mein Telefon, das unaufhörlich piepste, als habe es einen schlimmen Schluckauf. Es läutete im Kino und wenn ich Adam zu Bett brachte. Es läutete beim Frühstück, bei dem wir leicht angebrannte Pfannkuchen verzehrten, und wenn wir im Park spazieren gingen. Es läutete, wenn wir uns Hamburger holten, und es läutete die ganze übrige Zeit. Natürlich war das Läuten nicht das eigentliche Problem. Das bestand darin, dass ich jedes Mal darauf reagierte. Ich überprüfte meine Kurznachrichten; ich verschickte Antworten; ich telefonierte. Und mit jeder Unterbrechung wurde Adam ein wenig stiller, ein wenig distanzierter. Es brach mir das Herz, doch der Gedanke, das Ding einfach zu ignorieren oder es abzuschalten, trieb mir den Schweiß auf die Stirn.
Während ich zur Arbeit raste, dachte ich über das verkorkste Wochenende nach. Als Annisha angekündigt hatte, dass sie eine Trennung auf Probe wünsche, fühlte ich mich, als habe mich gerade ein Lastwagen angefahren. Sie hatte sich seit Jahren darüber beklagt, dass ich nie Zeit für sie und Adam fand; dass ich viel zu sehr von meiner Arbeit in Beschlag genommen werde; dass ich viel zu sehr mit meinem eigenen Leben beschäftigt sei, um auch an ihrem teilhaben zu können.
»Aber wie soll das besser werden, wenn du mich verlässt?«, fragte ich. »Wenn du häufiger mit mir zusammen sein möchtest, warum sorgst du dann dafür, dass du mich künftig noch seltener siehst?«
Immerhin hatte sie gesagt, dass sie mich nach wi