Die Waffen der Frotteerevolutionärin kommen per Luftpost
BeFa Protokoll 10. September 1979
betrifft: Ausschreibung edv-befa
überprüfte Person: Elisabeth ,
geb. 10. 7. 1943
anlass der ueberpruefung: grenzpolizeiliche einreisekontrolle
grenzuebergang: frankfurt main flughafen
datum, uhrzeit: 10. 9. 79, 18.40 Uhr.
mitgefuehrtes kfz: entfaellt
begl.-personen: keine
reiseweg: london heathrow int. airport- frankfurt/main flughafen. reiseziel: heidelberg
sonstige angaben: im besitz eines zahlungsbelegs der langham street clinic und einer Kontaktadresse in iowa (shirley pesterneck, marshalltown, iowa, usa–überprüfen/anfrage fbi legat office frankfurt).
zollrechtliche untersuchung: negativ.
Waldhilsbach, 18. Januar 1980
Der Feind. Sie schlüpft in ihren Frotteebademantel, es ist helllichter Tag, da kann sie schlecht nackt zum Briefkasten gehen, der Feind kann in so vielerlei Gestalt vor einen treten. Heute zum Bespiel wird er die Gestalt ihres Schwiegervaters annehmen, dem sie in zwei Stunden lächelnd und im braven Schwiegertochterkostüm Kaffee in ihrem Rosenthal-Service servieren wird. Für den Staat hat der Feind eine andere Gestalt. Weil diese sich so häufig von den auf Fahndungsplakaten abgebildeten Terroristinnen unterscheidet, durchsucht der Staat bei Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen vorsichtshalber auch mal die Hygieneartikel verdächtiger deutscher Studienrätinnen.»Nichts wird in den Achtziger Jahren so sein wie in den Siebzigern– nichts«, hat Helmut Schmidt zum Jahreswechsel angekündigt. Hoffentlich gilt das auch für den Fahndungsterror. Hagens Freunde mögen es als Auszeichnung verstehen, aber sie hätte gut darauf verzichten können, Gegenstand einer›Maßnahme der Beobachtenden Fahndung‹ zu werden und zwei schmallippigen Bundesgrenzschutzbeamtinnen dabei zuzugucken, wie sie mit spitzen Fingern ihre Damenbinden aus dem Karton zupfen und auf Vordrucken vermerken.
»Verdankste garantiert deiner blödsinnigen Gruppentherapiesitzung«, hat Hagen sie angeblafft, hätte ihr doch klar sein müssen, dass der Verfassungsschutz dasSozialistische Patientenkollektiv so schnell nicht aus den Augen lassen würde. Befa-Zielperson wird jeder, der nicht unmittelbar Objekt eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ist, aber anderweitig Anlass für»Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr« bietet. Jemand wie sie, eine Studienrätin im Frotteemantel mit zu kleinen Brüsten und streichholzkurzen Haaren. Vor dem Foto für die Befa-Terrorkartei hat sie am Flughafen nochmal den Lippenstift nachgezogen und in die Kamera gelächelt. Wenigstenseine lächelnde Terroristin soll es geben.
Partisanen, kommt nehmt mich mit euch, o bella ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao…»Oh bitte. Elisabeth.Überlass doch bitte die revolutionären Gesänge denen, die sich darum verdient gemacht haben. Zieh dich lieber an, in anderthalb Stunden stehen Mutti und Vati vor der Tür. Außerdem versuche ich gerade, die Soli-Erklärung für Volker aufzusetzen.« Wie sie seinen Politjargon hasst. Wer nicht weiß, dass Soli für Solidarität steht, gibt sich sofort als Nicht-Mitglied im Club der Revolutionäre zu erkennen. Dabei hat Hagen ja selber nur die silberne Mitgliedskarte. Volker, der hat Gold. Hagen wäre so gerne Volker. Aber Hagen ist nicht Volker, sondern Studienrat (nächstes Jahr wahrscheinlich sogar Oberstudienrat), Sozialdemokrat und seit Jahren im Ortschaftsrat. Hagen ist einer von denen, die Verständnis dafür haben, dass die RAF sich radikalisieren musste (»Nicht für die RAF. Für den Radikalisierungsprozess. Das ist ein himmelweiter Unterschied.«). 1968 wäre er beinahe selber auf die Straße gegangen. Hagen hat für fast alles Verständnis, nur nicht für die seinen. Nicht für sie. Seine Frau. Im Gegenteil, sie ist ihm peinlich. Besonders an Tagen wie heute, wo sie noch um elf im Bademantel rumläuft und Revolutionslieder singt. Jetzt haben sie Volker verhaftet. Dabei ist der nur Sympathisant, aber was heißt das schon, unter den Nazis waren ja alle nur Sympathisanten und durften sich nach’45 damit den Arsch retten, aber heute, da ist es strafbar, Sympathisant zu sein. Dafürübt jeder, der für sein Sympathisantentum zahlen muss, auf Hagen diese magische Anziehungskraft aus, seine Augen fangen an zu glitzern und seine Stimme glitzert auch, und wenn er zum Schlussakkord ansetzt, springt er vom Stuhl auf, weil man es sich nicht bequem machen darf im falschen Leben. Nein, bequem ist es kein bisschen in diesem falschen Leben. Elisabeth nimmt den Briefkastenschlüssel vom Schlüsselbrett und schlüpft in d