: Wolf Haas
: Brennerova
: Hoffmann und Campe
: 9783455813296
: 1
: CHF 9.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ob du es glaubst oder nicht. Zuerst wird der Brenner von einem Zehnjährigen bewusstlos geschlagen. Und dann versucht seine Freundin, ihn vor den Traualtar zu schleppen. Es läuft nämlich gerade ausgesprochen gut zwischen den beiden. Einziges Problem: Mit seiner anderen Freundin läuft es auch sehr gut. Da ist es für den Brenner ein Glück, dass noch eine dritte Frau in sein Leben tritt, indem sie verschwindet. Vermutlich ist sie von Mädchenhändlern entführt worden, und die Suche nach ihr hilft dem Detektiv bei der Lösung seiner privaten Probleme, sprich Flucht in die Arbeit. Denn nie kannst du besser über das Glück nachdenken, das ein Ehering bietet, als wenn der berüchtigtste Zuhälter der Stadt gerade dazu ansetzt, dir die Hände abzuhacken.

Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Seine Brenner-Krimis erschienen ab 1996 in neun Bänden, zuletzt Müll (2022). Bei Hoffmann und Campe erschienen auch seine Romane Das Wetter vor 15 Jahren, Verteidigung der Missionarsstellung und Junger Mann. Wolf Haas lebt in Wien.

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Früher hat man gesagt, die Russinnen. Die sind groß und muskulös wie Hammerwerfer, die arbeiten beim Straßenbau, und unter den Achseln haben sie so viele Haare, dass sich noch ein Toupet für ihren Mann ausgehen würde und ein zweites für den ersten Parteisekretär. Da hat man gesagt, Russinnen sind Mannweiber, und wenn sie ihren Diskus werfen, musst du in Deckung gehen, weil Kraft wie ein Traktor aus Minsk oder einer aus Krasnodar oder sogar ein Kirovets aus Leningrad. Dann hat es auf einmal geheißen, die Russinnen, das sind die dünnsten Fotomodelle, die teuersten Nutten, da musst du als Mann schon ein Hochhaus haben, damit sich so eineüberhaupt von dir scheiden lässt, am besten mit einem Privatzoo, weil Beine wie eine Giraffe, Taille wie eine Wespe, Augen wie die Biene Maja.

Darüber hat der Nikolaus nachgedacht, während er im Computer die Damen durchgeschaut hat, die einenösterreichischen Mann zum Heiraten gesucht haben. Wo liegt da die Wahrheit punkto Russinnen, und gibt esüberhaupt eine Wahrheit, quasi Philosophie. Aber interessant. Da war keine einzige Traktorfahrerin dabei, sondern der Nikolaus hätte fast jede genommen, so gut waren die in Schuss.

Geschrieben hat er natürlich nie einer. Er war ja nicht blöd. Obwohl sicher auch Anständige darunter waren, aber man weiß es ja nicht im Vorhinein. Und bevor du zweimal schaust, bist du irgendwo hineingeraten, Verwicklungen und alles. Liest man immer wieder, dass die zuerst recht nett sind, brieflich und alles, da verliebst du dich schon rein brieflich, und dann soll es zum ersten Treffen kommen, und im letzten Moment tauchen sie nicht auf, weil kein Geld für die Reise. Jetzt ich schick dir das Geld für die Reise. Dann freust du dich, dass sie endlich kommt, du bist schon seit Wochen verliebt in sie, womöglich länger, als du je in eine echte Frau verliebt warst, du zählst die Tage, bis deine Olga endlich ankommt, deine Natascha, deine Ivana, du fährst zum Flughafen, und wer ist nicht da? Die Olga. Die Natascha. Die Ivana, vollkommen egal, wenn eine nicht da ist, kann sie heißen, wie sie will, eine Nichtdafrau brauchtüberhaupt keinen Namen.

Hört man immer wieder, dass so ein armer Depp umsonst auf die Dame gewartet hat, der er das Fahrgeld geschickt hat und womöglich noch Proviantgeld für unterwegs, und drück dir am Flughafen nach der Sicherheitskontrolle noch ein Wasser aus dem Automaten. Dann enttäuscht heim, und dort eine Nachricht. Leider die Tante krank geworden. Kein Geld fürs Krankenhaus. Und siehst du, weil der Nikolaus nicht blöd war, hat er nicht geschrieben, das war komplett ausgeschlossen.

Geschaut natürlich schon. Immer wieder! Und das ist eben das Verhexte am Menschen. Da ist er nicht gescheiter als die Maus, die glaubt, dass sie gescheiter als die Falle ist. Wenn die Maus schon ihre Kolleginnen in der Falle enden gesehen hat, dann denkt sie mit ihrem Maushirn, den Käse möchte ich trotzdem, ich muss es nur geschickter anstellen. Ich muss mehr so seitlich hin, und dann schnappe ich mir den Käse, ohne dass die Falle mich erwischt. Und der Nikolaus hat sich gesagt, ein persönliches Profil ausfüllen kann ich eigentlich schon, nur zur Unterhaltung, was soll da passieren mit dem falschen Namen. Ist sogar absolut korrekt, dass man einen falschen Namen angibt, weil Nickname, und da ist er eben auf die Idee mit dem Nikolaus gekommen, wegen dem Nicknamen. Er hat sich gewundert, dass ihm das nicht früher klar gewesen ist, wie harmlos es dadurch ist. Wahrscheinlich schreibt mir sowieso keine. Und wenn, bin ich immer noch unter dem falschen Namen.

Jetzt was schreibt man da am besten? Da stellen sich ja grundlegende Fragen, soll ich mich jünger machen, soll ich mich reicher machen, soll ich mich interessanter machen, soll ich gleich falsche Versprechungen machen oder erst später, falls es ernst wird. Ernst werden im rein spielerischen Sinn natürlich. Weil ernst nehmen muss man es, auch wenn man weiß, dass man sich nie mit einer treffen wird.

SeineÜberlegungen haben ihn noch misstrauischer gemacht, als er sowieso schon war. Weil er hat sich gesagt, wenn schon ich, als von Grund auf ehrlicher Charakter, solche Gedanken habe, dann womöglich die Russinnen auch solche Einfälle. Die machen sich vielleicht auch jünger, interessanter und und und. Bei den Fotos kann man sowieso nie ganz sicher sein. Und hinter den Fotomodellfotos womöglich Wahrheit: Kugelstoßerin! Hammerwerferin! Straßenwalzenfahrerin! Jetzt hat er das Profilausfüllen aufgegeben,