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Drei Tage später. Erfrischt nach einigen Schwimmrunden auf dem Dach-Swimmingpool des ultrahippen Hotels Gansevoort stand Gideon Crew splitternackt in seiner Suite hoch über dem Meatpacking District von New York und blickte hinunter auf das Kingsize-Bett, das mit Zeichnungen und Plänen übersät war. Sie bildeten die Alarmanlage des East Room der Morgan Library in allen Einzelheiten ab.
Die Vorbereitungen zur Ausleihe des Book of Kells seitens der irischen Regierung an die Morgan Library hatten acht Jahre in Anspruch genommen. Das Projekt war mit Schwierigkeiten gespickt gewesen. Der Hauptgrund bestand darin, dass im Jahr 2000 eines der Folios ins australische Canberra entsandt worden war, wo es ausgestellt werden sollte. Aufgrund von Reibung und Pigmentverlust wurden dabei etliche Seiten beschädigt – wofür man das Vibrieren der Flugzeugmotoren verantwortlich machte –, und jetzt war die irische Regierung höchst abgeneigt, eine weitere Ausleihe zu riskieren.
James Watermain, der milliardenschwere irisch-amerikanische Gründer der Watermain Group, hatte es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht, das Buch in die Vereinigten Staaten zu holen. Dem für sein Charisma und seinen Charme bekannten Mann gelang es, den irischen Premierminister und schließlich auch die irische Regierung davon zu überzeugen, es auszuleihen, allerdings nur unter strengsten Auflagen. Eine dieser Auflagen sah die komplette Überholung der Alarmanlage des East Room der Morgan Library vor, die Watermain aus eigener Tasche bezahlte.
Watermain hatte zunächst versucht, die Handschrift im Smithsonian auszustellen. Die Leute von der Sicherheitsabteilung des Museums hatten sich jedoch nicht bereit gezeigt, die notwendige Hightech-Aufrüstung vorzunehmen, weshalb alle Bemühungen vergebens waren. Insgeheim freute sich Gideon über die Nachricht. Denn trotz seiner fürchterlichen Kindheitserinnerungen an Washington D.C. – schließlich war dort sein Vater umgebracht worden – war er in späteren Jahren ab und zu wieder auf Besuch dort hingefahren und hatte die Stadt als etwas langweiliges, ja verschlafenes Sammelsurium schöner Denkmäler und zeitloser Dokumente empfunden. Doch erst einige Wochen zuvor war er nach Washington zitiert worden, um eine Auszeichnung für seine jüngsten Erfolge in Fort Detrick in Empfang zu nehmen. Zu seinem nicht geringen Entsetzen – vielleicht wegen des elften September, vielleicht auch einfach infolge der neuen Sicherheitsvorkehrungen und der unvermeidlichen Zunahme der Bürokratie – glich die damals angenehme, entspannte Hauptstadt inzwischen eher einem Militärcamp. Metropolitan Police, Capitol Police, Park Police, State Department Police, US Mint Police, Secret Service Police, Special Police – etwa zwei Dutzend Polizeitruppen verstopften die Stadt mit ihrer Präsenz, alle bewaffnet und alle mit der Befugnis ausgestattet, jeden Pechvogel von Autofahrer oder Besucher anzuhalten und festzunehmen. (Zumindest laut einem von Gideons Taxifahrern, der früher einmal selbst bei der Polizei gewesen war.) Während er sich nach all den überflüssigen Polizisten mit ihren sich überlappenden Zuständigkeiten umschaute, spürte er geradezu, wie seine Steuerdollars verbrannt wurden.
Der Gipfel war dann, dass er später, nach seiner Abreise, einen Strafbescheid in der Post vorfand: Irgendeine Sicherheitskamera hatte aufgezeichnet, wie er auf der New York Avenue einige Meilen schneller als die erlaubten 35 Meilen gefahren war, worauf man ihm – mitsamt dem unscharfen Foto seines Kfz-Zeichens – ein Strafmandat in Höhe von 125 Dollar zugesandt hatte. Nur bestand realistischerweise keine Möglichkeit, Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung einzulegen – höchstens, wenn er nach Washington zurückkehrte und persönlich vor Gericht erschien. Und natürlich war seine Erinnerung an das eigentliche Geschehnis derart vage, dass er es überhaupt nicht mehr rekonstruieren konnte. Hatte denn wirklich in der Nähe ein Verkehrsschild gestanden, das ein Tempo