Tunesien
In den Suks von Tunis
Der Hauptort des Tourismus in Tunesien ist Hammamet, 60 km südlich von Tunis gelegen. Am gleichnamigen Golf reihen sich die Hotels aneinander wie Perlen auf einer Kette. Ausflüge nach Tunis, Karthago und Sidi Bou Said werden von denörtlichen Reiseunternehmen angeboten und man erreicht in kurzer Zeitüber die moderne Autobahn die Landeshauptstadt. Die Busse halten gewöhnlich am Rathaus, einem Prachtbau an einem mit den Nationalflaggen geschmückten großen Platz. Von hier aus gelangt man in wenigen Minutenüber die Rue de Kasba zur Altstadt. In der ErzählungChristus oder Mohammed (Band 10 der Gesammelten Werke,Sand des Verderbens) beschreibt Karl May die Stadt Tunis ziemlich pauschal und ohne auf die bedeutenden Moscheen oder andere hervorragende Bauwerke einzugehen:
„Von der Stadt selbst lässt sich wenig sagen. Sie gleicht den andern orientalischen Städten, ohne irgend welchen Vorzug vor ihnen zu haben. Der Moslem freilich hat eine so gute Meinung von ihr, daß er sie die Stadt der Glückseligkeit nennt. Dem pflichtet der Europäer bei, wenn er von dem Oelbaumhügel, Belvedere genannt, im Lichte der sinkenden Sonne die schlanken Minarehs und platten Dächer, auf deren Weiße goldige Tinten flimmern, liegen sieht. Doch wird er, wenn er das Innere der Stadt betritt, auch diese Meinung sicherändern. Die Gassen sind krumm und eng;überall liegt Schutt, Geröll undübelriechender Schmutz. Oft treten die Häuserreihen so nahe aneinander, daß man mit einem kurzen Schritte von einem Dache der diesseitigen Straßenseite auf ein Dach der jenseitigen gelangen kann. Baufällige Gebäude werden nicht repariert; man lässt sie zerfallen und baut, da es nicht an Platz gebricht, ein neues Haus nebenan. So stehen Ruinen, wohlgepflegte Gebäude, improvisierte Zelte, ja Grabkapellen nebeneinander…“
Angesichts seiner Unkenntnis derÖrtlichkeit wundert Karl Mays aussagearme Beschreibung von Tunis nicht. Die Leser zu seinen Lebzeiten waren vielleicht damit zufrieden, der wahren Bedeutung der Stadt wird die Darstellung nicht gerecht.
Zur Zeit der Vorherrschaft von Karthago soll an der Stelle des heutigen Tunis ein kleines Dorf gestanden haben. Erst im 13. Jahrhundert wurde Tunis unter der Herrschaft der Hafsiden zur Hauptstadt erklärt und mit prächtigen Bauten geschmückt. Der Ort war allerdings bereits seit dem 9. Jahrhundert von einer fünf Kilometer langen Mauer mit vielen Türmen umgeben, davon sind jedoch nur Reste und Teile eines Tores, des Bab el Menere, erhalten. Andere Tore, wie das Bab Sonika und das Bab Bhar, entstanden erst um 1200.
Doch diese Baureste ziehen heute die Touristen weniger an, in organisierten Gruppen werden sie von ortskundigen Führern durch die Medina geschleust. Hinter Bergen von Touristenkitsch aller Art verbergen sich, und nur auf den zweiten Blick erkennbar, bedeutsame Architekturteile und hervorragend gearbeitete Tore und Türgewände vergangener Jahrhunderte. Das Angebot an Waren ist zwar vielfältig, doch ausschließlich für den Verkauf an Touristen bestimmt. Echte Antiquitäten wird man hier nicht mehr finden.
Von der Rue de Kasba biegt man an der ersten Kreuzung nach rechts ab, wenn man den großen rechteckigen Turm mit demüberwölbten Tordurchgang erblickt. Von hier aus kann man die nach links führende Hauptgeschäftsgasse bis zur Avenue de France entlang schlendern und auf der Rue de Kasba zurückkehren. Bei diesem kurzen Bummel zeigt sich viel von der lebendigen, quirligen Atmosphäre eines arabischen Basars, die wenigen Quergassen dagegen sind zumeist kaum belebt. Kaufen kann man, was das Herz begehrt, nur die Preise müssen ausgehandelt werden,übers Ohr gehauen wird man doch.
Man sollte sich nichtüber die oft hartnäckigen Verkäuferärgern, diese Leute müssen verkaufen, sie leben davon. Jeder Bummel durch einen Suk wird zum Erlebnis, wenn man sich nur durch die Gassen treiben lässt: Sehen, schauen und die Seele baumeln lassen, so sollte uns diese kleine, bunte, vielfältig gestaltete Welt gefallen– und am Abend kehrt auch hier wieder die Ruhe ein, die Allahüber alle Wesen breitet.
Auf dem Rückweg sollte man die große Moschee oder auch‚Moschee ez Zitouna‘,Ölbaummoschee, betrachten; für Touristen ist das Betreten des Inneren allerdings zur Zeit nicht möglich, die im Gebetssaal der Moschee befindlichen 184 römischen Säulen aus Karthago können leider nicht bewundert werden. An der Stelle, wo ein wundertätigerÖlbaum verehrt wurde, erbauten die arabischen Eroberer bereits im Jahr 732 ein Gebetshaus auf den Fundamenten des römischen Forums. Es ist möglich, dass die Moschee auf den baulichen Resten eines römischen Tempels steht. Diese Annahme wird durch den von der Rechteckregel abweichenden verzogenen Grundriss bestärkt, denältere Bauteile bedingt haben.
Im Bardo–„Ihnen hier im Tunis?“
Kara Ben Nemsi erreichte Tunis mit dem Schiff, nahm ein Zimmer in einem Ho