: Svetislav Basara
: Die Verschwörung der Fahrradfahrer
: Dittrich Verlag
: 9783943941500
: 1
: CHF 11.70
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 420
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Die Verschwörung der Fahrradfahrer' von Svetislav Basara ist ein jugoslawischer Kultroman, der im Original vor zwanzig Jahren erschien. Die Geschichte beginnt im staubigen Keller einer Bibliothek in der serbischen Provinz und führt den Leser durch das fantastische Labyrinth einer fiktiven Dokumentation über eine uralte Bruderschaft. Diese geheimnisvolle Organisation - ein mystischer Orden der Fahrradfahrer - leitet, kraft ihrer Beherrschung der Zukunft, die Geschicke der Menschheit. Die Fahrradfahrer treffen sich im Traum, in einer frei schwebenden durchsichtigen Kathedrale, wo sie auch Anweisungen von Ordensmitgliedern aus der Zukunft empfangen. Ebenso satirisch wie fantasievoll lässt der Autor eine Fülle exzentrischer Figuren auftauchen, erfundene und historische Gestalten - von Karl dem Grässlic hen über Freud, Nietzsche, Sherlock Holmes bis hin zu Stalin. Basara bedient sich ihrer, um die Einheit von Raum und Zeit in Frage zu stellen, und außerdem die These zu beweisen, dass Geschichte nie objektiv erzählt wird, sondern von jedem, wie es ihm passt.

Geboren 1953 in Bajina Ba?ta, unweit der bosnischen Grenze. Er ist einer der international erfolgreichsten und renommiertesten Autoren Serbiens. Debütierte 1982 mit 'Verschwundene Geschichten', veröffentlichte über zwanzig Romane, Erzählungen und kritische Schriften, die mit renommierten Literatur preisen ausgezeichnet und in viele Sprachen übersetzt wurden, darunter die Romane 'Führer in die Innere Mongolei' (deutsch 2008) und 'Aufstieg und Fall der Parkinsonschen Krankheit', der 2006 den höchsten serbischen Literaturpreis NIN bekam. Sein bekanntester Roman 'Die Verschwörung der Radfahrer' kam 2012 in den USA heraus und wurde von der amerikanischen Kritik mit den Werken von Jorge Luis Borges, Thomas Pynchon und Umberto Eco verglichen. Basara lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Belgrad.

KARL DER GRÄSSLICHE


Die Geschichte meines Königreichs
 (Apokryph)


Obwohl die Maßeinheit des Quadratkilometers noch gar nicht in Gebrauch ist, erstreckt sich mein Königreich auf etwa 450 Quadratkilometern. Aber das weiß niemand. Nicht einmal Grosman. Aus großen Königreichen habe ich mir noch nie etwas gemacht. Die Größe eines Königreichs trägt nichts zur Größe eines Königs bei. Im Gegenteil. Große Königreiche ziehen allerlei Abschaum an und der König hat immer weniger Untertanen. Schließlich und endlich habe ich mein Königreich nicht geerbt. Ich habe es selbst geschaffen, mit meinen eigenen Händen und mit größter Mühe. Alle meine Ersparnisse habe ich aufgebraucht. Mit Hilfe Grosmans, meines Majordomus, stellte ich sogar selbst einen Thron aus gutem Buchenholz her. Wir schlugen Eisennägel von hinten in die Thronlehne, in einer kreuzförmigen Anordnung, und den Thron selbst befestigten wir mit festen Seilen an der Decke, sodass er herunterbaumelte wie eine Schaukel. Nichts wurde dem Zufallüberlassen,überall wimmelt es von Symbolik. Wenn ich auf dem Thron sitze, bohren sich die Nägel in meinen Rücken, und so werde ich gekreuzigt; der Schmerz hindert mich daran, mich zu entspannen. Ich denke an die Qualen unseres Erlösers, was mich dazu drängt, gerecht zu sein und zu vergeben. Das Schaukeln des Throns weist auf die Unbeständigkeit der Fortuna hin, auf die Unbeständigkeit des menschlichen Lebens an sich. Ich selbst zum Beispiel habe als ein ganz normaler Bauernjunge begonnen. Mein Vater war unbekannt. Meine Mutter vielleicht auch. Wie Sigmund Freud in dreihundertfünfzig Jahren– wenn er in der Welt der Lebenden aufgetaucht ist– meinen wird, erfüllte ich sämtliche Bedingungen, um denÖdipuskomplex niemals zuüberwinden. Davon vermag Grosman noch nicht einmal zu träumen. Er denkt, Freud sei eine Ausgeburt meiner Phantasie. Dabei ahnt er nicht einmal, dass er selbst, der Majordomus, eine Frucht der Imagination ist, so stark, dass er nun greifbar ist. Egal, selbst wenn er es wüsste, würde er, Speichellecker der er ist, sofort herbeigelaufen kommen, den Schwanz einziehen und winseln:»Sire, welch eine bedeutsame Verheißung! Welch eine bedeutsame Verheißung!« Und wenn ich ihm erst etwasüber die Quarks und Quanten erzählte? Doch lassen wir das. DenÖdipuskomplex habe ich jedenfalls sehr leichtüberwunden, möglicherweise deshalb, weil ich damals nichts davon wusste. Ich bin ein einfacher Mann und dachte mir Folgendes: Ich habe keinen Vater, deshalb werde auch ich niemandes Vater sein. Und Schluss. Dann lernte ich Grosman kennen. Man hatte ihn soeben von der Universität in Uppsala geschmissen, wo er Theologie studierte. Meines Wissens war der Grund für seinen Rausschmiss ein Pakt mit dem Teufel gewesen. Das Geschäft sah folgendermaßen aus: Grosman sollte vom Teufel sein Doktorat bekommen und im Gegenzug sollte der Teufel Grosmans Seele kassieren. Eine ehrliche Sache, aber ein Verstoß gegen die geltenden Regeln. Da wir damals nicht genug Geld zum Leben hatten, aber zu leben beabsichtigten, fanden wir eine Arbeit im Wirtshaus»Zu den vier Hirschgeweihen«. Wir spülten Geschirr, machten Feuer, brachten Wasser und kochten Büffel in Pfeffer und Dill. Grosman hatte die Angewohnheit, mir zum Zeitvertreib theologische Rätsel aufzugeben. Zum Beispiel: Wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze? Oder:Habet mulier animam? Diese Fragen stellte er mir mitten in der allergrößten Arbeit, wegen der Büffelhörner umhüllt von einer undurchdringlichen Wolke aus Schwefeldunst wie in der Hölle. Der Wirt setzte dem Ratespiel meist mit einer Flut von Beschimpfungen ein Ende und die Theologie musste warten, bis die Adeligen sich vollgefressen hatten. Und sie fraßen, und wie! Noch immer kann ich hören, wie sie die Eintöpfe schlürfen, wie sie schmatzen und die Knochen zerknacken, wie ein Echo hallt es durch die Jahrhunderte. Fast hätte ich es vergessen: Damals hieß ich Ladislav, aber ich achtete nicht besonders darauf. Wenn mich jemand irrtümlich mit Ivan ansprach, dann war ich eben Ivan. Ivan, Ladislav, Grosman, was macht das für einen Unterschied? Zu jener Zeit