DREI
Die Villa Merton war wie so oft auch heute wieder gut besucht. Neben der ausgezeichneten Küche schätzte Martin besonders das angenehme Ambiente und den diskreten Service. Wie immer hatte er den Ecktisch reserviert, von dem man einen Ausblick auf die Terrasse und den Garten hatte, der jetzt im zeitigen Frühjahr nur wenige optische Reize zu bieten hatte.
Die regelmäßigen Treffen mit Frank Claasen, dem langjährigen Berater der Familie Herboltz, hatten fast schon privaten Charakter, wenn sich auch die Gespräche hauptsächlich um die neuesten Trends und Entwicklungen des Finanzmarktes drehten. So war heute die anhaltende Wirtschaftsflaute das nicht sehr erfreuliche Thema. Das perfekt zubereitete Essen versetzte die Herren in eine milde Stimmung.
„Der europäische Geldmarkt gibt nichts mehr her, und daran wird sich auch in absehbarer Zeit nichtsändern“, fasste Claasen zusammen.„China böte eventuell Möglichkeiten, aber Sie wissen ja, dass das Reich der Mitte seine Risiken hat. Man durchschaut letztlich nicht, was Theaterdonner ist und wo wirklich der Hase im Pfeffer liegt.“
Martin nickte und legte sein Besteck auf den Teller. Er hatte noch nie ein Faible für unkalkulierbare Risiken gehabt und gedachte nicht, seine konservativ ausgerichtete Anlagestrategie zuändern.„Dann bleibt also mittelfristig fast nur der Immobilienmarkt.“
Claasen runzelte sorgenvoll die Stirn.„Und selbst da ist es schwierig, etwas Geeignetes zu finden. Wenn sich zu viele Investoren um denselben Kuchen streiten, werden die Stücke zwangsläufig kleiner.“
„Nun, es eilt ja nicht. Keinen Zeitdruck zu haben ist heutzutage ein unschlagbarer Vorteil.“ So schnell ließ sich Martin nicht entmutigen.
„Die Landflucht tut einÜbriges“, gab Claasen weiter zu bedenken.„In Zeiten steigender Benzinpreise ist ein Wohnsitz in den umliegenden Gemeinden nicht mehr lukrativ, die Einsparungen beim Kaufpreis werden schlichtweg aufgefressen durch die weiteren Wege. Aber auch Frankfurt selbst ist im Umbruch. Wenn das so weiter geht, verliert unsere schöne Stadt auch noch den letzten Rest an Profil. Diese schnell hoch gezogenen Wohnblöcke sind beliebig, da ist nichts mehr von der Unverwechselbarkeit zu spüren, die Frankfurt einmal hatte.“
Gedankenverloren betrachtete Martin die alten Bäume draußen.„Ein Herrenhaus wie dieses hier in Bockenheim, das muss eine Goldgrube sein. Gegessen wird immer, egal wie schlecht die Zeiten sind.“
Claasen lachte.„Da haben Sie zweifelsohne recht. Und wohnen müssen die Leute schließlich auch irgendwo.“
„Spacey, lass das gefälligst! Ich komme ja schon.“
Schon seit zwei Jahren versuchte Schorsch vergeblich, seinem Hund das Kratzen an der Haustür abzugewöhnen. Es war nicht die Sorge, dass die Tür einen Schaden davontragen könnte. Das massive Holz war sowieso verzogen und vom Zahn der Zeit schon deutlich angenagt, auf ein paar ramponierte Stellen mehr kam es da nicht an. Aber das Geräusch der Krallen auf dem Holz verursachte bei Schorsch jedes Mal eine unangenehme Gänsehaut. Er musste dann sofort alles stehen und liegen lassen und zur Leine greifen. Auch jetzt hievte er sich von der Couch hoch und stellte den Fernseher aus. Der Hund fiepte aufgeregt und zappelte herum. Nicht zu bändigen, dieses Temperamentsbündel!
Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als Schorsch den Terriermischling als Welpen bei einem Bekannten gesehen und sich gleich unter den Arm geklemmt hatte. Ein spontaner Entschluss, den beide nie bereut hatten. Genau wie sein Herrchen