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Der Zug eilte weiter durch das braune herbstliche Land, vorbei am blinkenden Wasser und den felsigen Küsten, den weißen Städtchen und flammenden Farben und der einsamen, tragischen und ursprünglichen Schönheit Neuenglands. Es war das Land seiner Herzenssehnsucht, die dunkle Helena, die ewig brannte in seinem Blut – und dieses Anstürmen nun durch das Oktoberland, die Rauchfahne, die an jenem Tag hinter der Lok den rauen grauen Himmel streifte!
Das Nahen der großen Erde, das Neuland, die verwunschene Stadt, die Reise, so rauchig, blind und halb erstickt, ins ehrwürdige Geflecht, ins Faszinosum der rußigen alten Barrikaden Bostons hinein. Die Straßen und Häuser, die an jenem Tag in solch beklemmend sonderbarer Vertrautheit vorüberglitten, die mächtige Lok, die ihrem Ziel entgegenschnaubte, und die große Bahnhofshalle voll beißenden Rauchs und dem bedächtigen Keuchen eines Dutzends Loks, die nun träge wie große Katzen dalagen, der mächtige Bahnhof mit seinem unablässigen Strom grenzenlosen Lebens und dem raunenden, fernen und doch machtvollen Gemurmel, das ihn ewig durchhallte, und dazu eine scharfe, näselnde Stimme, die eine Handbreit entfernt quäkte: «Die Zeit is knapp, aber Sie können’s ja versuchen.»
Dann sah er die schmalen, gewundenen, altersbraunen Straßen Bostons mit ihrem schweren Duft nach frisch geröstetem Kaffee, das Menschengewimmel in millionenfüßigem Hin und Her, das ferne Dröhnen und Murmeln der großen geheimnisvollen Stadt rundum, das leuchtende Wasser des Basin1 und das Murmeln des Hafenbeckens und seiner Schiffe, die Verheißungen des Ruhms und von tausend noch verborgenen, anmutigen und geheimnisvollen Frauen, die irgendwo warteten im Gewebe der Stadt.
Er sah die furiosen Straßen des Lebens mit ihrer endlosen Flut von einer Million Gesichtern, die gewaltige Bibliothek mit ihrer Million Bücher; oder war es nur ein einziger Moment in der urbanen Menschenflut um fünf, eine Stimme, ein Gesicht, ein kräftiges, kerngesundes Mädchen, das beim Bahnhof Park Street mit einem Lächeln an ihm vorübereilte und sich im starken Oktoberwind für einen Moment einprägte – Brust, Bauch, Arm und Schenkel und all das Kräftige, Kerngesunde – und dann in das Menschengewimmel eintauchte und für immer verloren war, unwiederbringlich.
War es in einem solchen Moment – Lokomotivenrauch, ein Bahnhof, eine Straße, das Summen der Zeit, ein Gesicht, das auftauchte, vorüberzog und verschwand und unvergesslich blieb –hier oderhier oderhier, in einem solchen Moment nicht festgehaltener Erinnerung, dass er Wut aus der Luft einsog, dass die Wut begann?
Er begriff es nie; doch nun ergriff ein wilder Furor sein Leben, und er wurde vom Traum der Zeit heimgesucht. Zehn Jahre würden kommen und gehen ohne einen Moment der Ruhe: zehn Jahre Furor, Hunger und unstete Wanderschaft in seinem jungen Leben. Und wofür? Wozu?
Von welchen Furien wird dieser junge Mann getrieben, die ihn immerzu über die ganze Erde jagen werden? Es ist das Denken, das an seinem eigenen Übermaß zugrunde geht, das Herz, das in der Not seiner Enttäuschung bricht. Es ist der Hunger, der von allem, was er sich einverleibt, noch weiter wächst, der Durst, der ganze Flüsse hinunterstürzt und sich doch nicht stillen lässt. Es ist die Million Menschen, die Million Gesichter, denen man begegnet und ihnen doch stets ein Unbekannter und Fremder bleibt. Es ist das nächtliche Durchforsten einer gewaltigen Bibliothek, aus deren tausend Regalen man Bücher zerrt, um sie mit dem Heißhunger der Jugend zu verschlingen.
Es ist der alte unruhige Geist, das ausgehungerte Herz, die rastlose Seele; es ist der vollständige Verlust von