: Jo Baker
: Im Hause Longbourn Roman
: Knaus
: 9783641143091
: 1
: CHF 5.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine mächtige Familie und ihre Dienstboten. Geheimnisse, Intrigen und Lieben. Und ein Haus, das alle zusammenhält.

Ein Millionenpublikum liebt Jane Austens Stolz und Vorurteil. Doch keiner weiß, was sich in Küche und Stall des Hauses Longbourn abspielt: Hier müht sich die junge Sarah mit Wäsche und Töpfen ab, immer noch hoffend, dass das Leben mehr für sie bereithält. Ist die Ankunft des neuen Butlers James ein Zeichen? Während Elizabeth und Mr. Darcy von einem Missverständnis ins nächste stolpern, nimmt in Longbourn noch ein anderes Liebesdrama seinen Lauf – denn James hütet ein großes Geheimnis.

Jo Baker erzählt Jane Austens bekanntesten Roman neu: aus Sicht der Dienstboten. Und zeigt, dass deren Dramen jenen der Herrschaften in nichts nachstehen.

Jo Baker wurde in Lancashire geboren und studierte an der Oxford University und der Queen’s University in Belfast, wo sie ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte. Seither veröffentlichte sie fünf Romane, die ihr in der Presse viel Lob einbrachten. Mit"Im Hause Longbourn" gelang ihr der internationale Durchbruch. Jo Baker lebt mit ihrer Familie in Lancaster.

4

da der Butler eintrat

Geräusche von der anderen Hofseite fesselten Sarahs Aufmerksamkeit: Möbel wurden umhergeschoben, Holz schrammteüber Steinplatten, dazu ein leise gepfiffenes Lied. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört, und der neue Hausdiener war eifrig dabei, den Speicherüber den Ställen auszuräumen. Die Melodie, die er pfiff, kam Sarah irgendwie bekannt vor, doch sie konnte sie nicht einordnen. Die Töne flatterten wie Motten um sie herum und lenkten sie von der Arbeit ab.

Viel Aufmerksamkeit erforderte ihre derzeitige Tätigkeit allerdings nicht. Sarahs Arme steckten bis zu den Ellbogen im Schieferbecken der Waschküche. Schwitzwasserperlen liefenüber den Wassertank aus Blei, dessen Hahn tropfte. Das Spülwasser war längst grau, kalt und fettig geworden. Polly lief mit dem Tellerstapel, den sie gerade abgetrocknet hatte, in die Küche, und Sarah hörte, wie sie sich einen Stuhl herbeizog und auf ihn hochkletterte, um an das Tellerregal heranzureichen. In Gedanken jedoch war Sarah die ganze Zeit bei dem Mann auf der anderen Hofseite.

Viel Erfahrung mit Männern hatte Sarah nicht. Um Mr Hill machte sie eher einen Bogen; der Butler war ein verhärmter alter Mann und hatte nichts zu bieten, das ihr Interesse hätte wecken können. Mit Mr B., der ohnehin nur im körperlichen Sinne anwesend war, hatte sie nur selten zu tun. Von den Stallburschen auf dem Hof hielt sie sich fern, denn es war freundlicher, sie zu ignorieren, als ihnen in irgendeiner Weise Beachtung zu schenken. Hätte Sarah sie gegrüßt, wären sie nur rot geworden und hätten, den Blick in die Ferneübers Feld gerichtet, etwas vor sich hin gebrummt und sich die Hände an der Hose abgewischt.

Die Eierpfanne versank im Spülwasser, und Sarah sah zu, wie die Eiweißreste in feinen Streifen aufstiegen. Jane konnte mit Männern umgehen– mit Gentlemen. Einer von ihnen hatte sogar Gedichte für sie geschrieben. Wie brachte man einen Mann dazu, so etwas für einen zu tun?

Indem man wie Jane freundlich lächelnd dasaß und mit aufmerksam geneigtem Kopf zuhörte, was die Herren zu sagen hatten? Wenn sie etwas gefragt wurde, antwortete Jane höflich, ansonsten schien sie sich einfach stillvergnügt darüber zu freuen, dass mit ihr geredet wurde; und wenn sie zum Tanzen aufgefordert wurde, dann tanzte sie. Allerdings war Jane auch wirklich hübsch– eine Schönheit sogar–, außerdem hatte sie nur Umgang mitGentlemen, und nicht mitMännern. Für ein einfaches Mädchen wie sie selbst, dachte Sarah, wäre ein Verhalten wie das von Janeäußerst riskant. Sie drückte probeweise die Schultern durch, lächelte und neigte den Kopf zur Seite– riskant, weil sie es als einfaches Mädchen mit einfachen Männern zu tun hatte. Nur ein Gentleman verfügteüber genügend Zeit und Muße, um eine Dame ganz langsam und behutsam aus der Reserve zu locken.

Sarah blickte auf ihre roten, vom Wasser schrumpeligen Finger und die schlaffen Falten des gallengrünen Kleids hinab. Sie hielt sich die Hände vor die Nase und schnupperte an ihnen: Fett, Zwiebeln und Spülmittel. Wahrscheinlich war dieser Geruch ihr ständiger Begleiter, und sie konnte schon froh sein, wenn sie nicht noch nach Schlimmerem roch. Nein, dachte Sarah mutlos, eine hübsche Erscheinung bin ich gewiss nicht. Ganz und gar nicht.

Sie nahm die Speckpfanne und tauchte sie ins Becken. Das Wasser schlug in Kaskadenüber den Kupferseiten der Pfanne zusammen.

»Sind die fertig?«, fragte Polly.

»Ja, nimm sie mit.«

Elizabeth. Sie war anders im Umgang mit Gentlemen, viel lebendiger und aktiver. Sarah hatte sie oft beobachtet, wenn Gäste zum Dinner oder zu einem einfachen Imbiss mit anschließendem Kartenspiel geladen waren und sie die Sardellen auf Toast herumgereicht hatte. Elizabeth hatte immer ein– wie nannte man das?– Bonmot auf den Lippen. Sie machte humorvolle und geistreiche Bemerkungen, und ihre Augen blitzten dabei vor Vergnügen. Mit ihrer Schönheit und Schlagfertigkeit brachte sie die jungen Männer zum Erröten und Stottern, während dieälteren Herren lächelten und sich insgeheim wünschten, sie wären halb so alt und noch ein klein wenig gewitzter als die junge Dame.

Sarah knabberte am stumpfen Rest ihres Daumennagels. Nein, das würde sie niemals können.

Lydia und Kitty– Sarah hatte manchmal Mühe, die beiden Mädchen als zwei eigenständige junge Damen zu betrachten und nicht als ein einziges Wesen mit vier Beinen und Armen, zwei Köpfen, einem Kleiderbündel und vielen Bändern–, Kitty und Lydia waren immer von Männern umschwärmt. Ihr kecker Blick und die Art, wie sie die Locken wippen ließen, waren eigentlich leicht nachzuahmen, und da sie gerade niemand sehen konnte, tat Sarah genau das. Kitty und Lydia stürzten sich auf jeden unverheirateten Mann, der ihnenüber den Weg lief, was bei Kartenabenden und Bällen immer wieder zu Turbulenzen führte. Die Methode der beiden Mädchen war nicht schwierig, sie erforderte nur Ausdauer,Überschwänglichkeit und ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, aber was hatten sie letzten Endes davon? Jeder Mann auf der Welt, Gentleman oder nicht, würde die Finger von einer Frau lassen, die bereits mit allen Männern in ihrem Bek