: Berthold Auerbach
: Auf der Höhe: Band 1 bis 4 (Roman) Historicher Roman
: e-artnow
: 9788026811046
: 1
: CHF 1.80
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 465
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Auf der Höhe: Band 1 bis 4 (Roman)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Berthold Auerbach (1812/1882) war ein deutscher Schriftsteller. Aus dem Buch: 'In der Schloßkapelle der königlichen Sommerburg wurde Frühmesse gelesen. Das Schloß, nicht weit von der Residenz, lag an einem mäßigen Berghang mitten im Park. Nach der Morgenseite war der Berg weit hinauf mit Reben bepflanzt und dann bis zur Spitze mit mächtigen Buchen bestanden. Im Parke gediehen Ahorn, Platane und Rüster und breiteten ihr Laub aus neben Tannen und Weimutskiefern; selbst die Arve war vom Hochlande hieher verpflanzt und zeigte in dichten Nadelbüscheln, daß sie heimisch geworden. Auf Wiesenplanen standen einzelne hohe Fichten, die von unten auf ihr volles Gezweige behalten. Gebüschgruppen von mannigfaltiger Blöten- und Blätterart boten erfrischende Blicke. Das Auge eines wohlordnenden Künstlers schaute aus der ganzen Anlage.'

Drittes Kapitel.



Die Glocken tönten hell und widerhallten von den schroffen Bergen, die Schallwellen flossen hin über den ruhigen Spiegel des weiten grünen Bergsees, drin sich die bewaldeten Berge und Felsspitzen und der Himmel drüber klar nachbildeten.

Aus der einsam stehenden Kirche am obern Ende des Sees strömten die Menschen heraus; die Männer setzten die grünen mit Spielhahnfedern gezierten Hüte auf, holten die Tabakspfeifen aus der Tasche und schlugen Feuer; die Frauen putzten an sich herum, rückten an den spitzen grünen Hüten, glätteten die Schürzen, knüpften die weitflatternden Enden der seidenen Tücher von neuem. Noch hinter den alten Frauen, die die letzten in der Kirche sind, kam ein schönes junges Paar, die Frau hoch gewachsen und umfangreich, der Mann schlank und knorrig wie eine Tanne. Man sah ihm die rauhe Arbeit der Woche an; er setzte sich den Spitzhut, an dem kein Jägerzeichen war, etwas schief auf den Kopf, zog die Joppe aus und legte sie über die Schulter und schmunzelnd – das Schmunzeln in diesem wetterharten Gesicht war gar sonderbar – sagte er:

»Siehst du, daß es so besser ist? So kommst du nicht ins Gedränge.« Die junge Frau nickte beistimmend.

Eine Gruppe von Frauen und Mädchen schien auf die letztere gewartet zu haben; eine ältere Frau sagte:

»Walpurga, das hättest nicht thun sollen: jetzt, wo du nicht weißt, wann deine Stunde kommt, den weiten Weg zur Kirche gehen; man kann sich auch im guten versündigen.«

»Das schadet mir nichts,« entgegnete die junge Frau.

»Und ich habe heute für dich gebetet,« sagte ein junges, trotzköpfiges Mädchen, das einen frischen Blumenstrauß an der Brust trug. »Wie der Pfarrer das Gebet für die Königin gesprochen hat, daß ihr Gott in der schweren Stunde beistehen möge, da hab' ich gedacht: was geht mich die Königin an? und für die beten auch schon Leut' genug im ganzen Königreich. Ich hab' an dich gedacht dabei, und hab' Amen Walpurga! gesagt.«

»Stasi, du hast's gewiß gut gemeint,« wehrte Walpurga mit treuherziger Stimme ab, »aber ich will kein Teil haben an dem. Das darf man nicht; man darf kein Gebet verdrehen.«

»Recht hat sie,« bestätigte die Alte, »das wär' ja, wie wenn man einen falschen Eid schwört.«

»So soll's meinetwegen nichts gelten!« rief das trotzköpfige Mädchen.

»Es muß doch was Schönes sein,« fuhr die Alte fort und faltete die Hände, »eine Königin zu sein. In dieser Stunde wird in allen Kirchen von Millionen und Millionen Menschen für sie gebetet. So ein König und eine Königin, die müssen ganz schlechte Menschen sein, wenn sie nicht brav sind.«

Die Alte war die Wehmutter, sie durfte immer sprechen, und alles hörte ihr geduldig zu. Sie geleitete den Mann und die Frau noch ein Stück Wegs und gab genau an, wo sie in den nächsten Tage