: Beverly Lewis
: Der Betrug
: Francke-Buch
: 9783868279481
: 1
: CHF 4.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 304
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Abram Ebersol erzieht seine Töchter auf dem festen Fundament der jahrhundertealten Amisch-Tradition. Er erwartet, dass sie dieses Erbe bewahren in der klösterlichen Abgeschiedenheit ihrer Amisch-Gemeinschaft in Lancaster-County, Pennsylvania. Dennoch ist es kein leichter Weg ins Leben, den die Mädchen eingeschlagen haben. Man kann es nicht als Fehltritt abtun, was Sadie, die älteste der fünf Amisch-Mädchen in ihrer wilden Zeit des 'Rumschpringe' getan hat. Schweren Herzens verlässt sie die Geborgenheit ihres Vaterhauses. Gut, dass sie in ihrer Trauer um ihr Baby, das sie verloren glaubt, ihre Schwester Leah an ihrer Seite weiß. Und deren Liebe schließt nicht nur sie ein. In Leahs Herzen hat auch Jonas Mast einen Platz, der junge Mann, der so weit fortging, um das Handwerk eines Zimmermanns zu lernen. Doch es gibt stärkere Dinge als die vielen, vielen Meilen, die sich zwischen das junge Paar drängen wollen.

1

Hundstage. Die Bewohner von Gobbler’s Knob klagten schon den ganzen Sommerüber die glühende, brütende Hitze. Die heiße Sonne hatte klare, plätschernde Bäche in dünne Rinnsale verwandelt und grüne Brokkolibeete in gelbe Blumengärten. Die Wiesenlerchen schimpften mit der ausgedörrten Erde, in der keine Würmer zu finden waren, während die rotweißen Petunien ihre gerüschten Petticoats hängen ließen und sehnsüchtig auf einen sommerlichen Regenschauer warteten.

Noch schlimmer war, dass die Abendstunden nur eine kurze, vorübergehende Linderung schenkten, und auch nachts fand nur hier und da ein leichter Wind seinen Weg durch die offenen Fenster in den Bauernhäusern und brachte unruhigen Schläfern eine kurzzeitige Erfrischung. Die Nachmittage waren fast unerträglich, und das nun schon seit Wochen. Am zwölften Juni wurde die Rekordtemperatur von sechsunddreißig Grad erreicht.

Abram und Ida Ebersols Bauernhaus stand am Rand eines großen Waldes, der ein wenig Schutz vor der sengenden Hitze bot. Das Weideland und dieÄcker, die das Haus umgaben, strömten einen warmen, angenehmen Duft aus, der durch die hohen Temperaturen noch verstärkt wurde. Abrams Wiesen und das angrenzende Ackerland waren ein verlockender Lebensraum für eine Vielzahl von Gottes kleinen Geschöpfen: Eichhörnchen, Vögel, Backenhörnchen und Feldmäuse. Letztere waren ein guter Grund, ein Dutzend Katzen im Stall zu dulden.

Unweit des Hofes grenzte das hohe Gras mit seinen rauen Rispen an den Lehmweg, der zum Toilettenhäuschen führte. Ein ausgetretener Pfad schnitt sich durch eine hohe, grüne Wiese und führte zum Blockhaus von Idas unverheirateter Schwester, Lizzie Brenneman, hinauf.

Ida, die mitüber vierzig Jahren noch einmal Mutter geworden war– vor drei Monaten hatte sie neben ihren vier großen Töchtern, die fast alle schon im heiratsfähigen Alter waren, noch die kleine Lydiann bekommen–, genoss an diesem Tag den feuchten, kalten Keller unter der großen Küche, wo ihre Töchter den Zementboden fegten und alles aufräumten. Abram hatte Leah gegen halb vier ins Haus geschickt, damit sie sich ein wenig von der schier unerträglichen Hitze erholen konnte. Ida war froh, dass ihr so viele fleißige Hände halfen, die Holzregale abzuwischen und alles vorzubereiten, damit Platz war für viel Eingemachtes, sobald die Erntezeit kam– achthundert Gläser Obst und Gemüse. Gemeinsam reihten sie Dutzende von Gläsern mit eingemachten Erdbeeren auf und ungefähr genauso viele grüne Bohnen und Erbsen, siebzehn Gläser Pfirsiche und sechsunddreißig Gläser süße und mit Dill sauer eingelegte Pickles. Die letzten Gläser waren mit Tante Lizzies Hilfe und mit der Hilfe ihrer direkten Nachbarn– der Frau des Schmieds, Miriam Peachey, und ihrer Töchter, Adah und Dorcas– gefüllt worden.

Die Ebersolmädchen ließen sich mit dem Sortieren der Gläser viel Zeit. Sie hatten es ganz und gar nicht eilig, nach oben in die stickige Küche zu kommen und das Abendessen vorzubereiten.

„Ich würde sagen, das ist der heißeste Sommer, den wir seit Jahren haben“, bemerkte Mama.

„Das ist nicht nur hier so“, fügte Leah hinzu.„Die Hitze lässt auch in Ohio nicht nach.“

Mary Ruth wischte sich die helle Stirn ab.„Dein Freund hält dichüber das Wetter in Millersburg gut auf dem Laufenden, was?“

Darauf musste Hannah grinsen.„Nach Jonas’ Briefen könnten wir die Uhr stellen. Nicht wahr, Leah?“

Leah, die in zwei Monaten siebzehn Jahre wurde, musste unwillkürlich lächeln. Der liebe, liebe Jonas. Was für ein treuer Briefeschreiber er doch war. Er schrieb ihr fast dreimal in der Woche. Das hatte sie wirklichüberrascht ... aber Mama sagte immer, es sei sehr wichtig, dass ein junger Mann eine Frau umwirbt, entweder mit Briefen oder persönlich. Mama hatte einen guten Eindruck von Jonas. Papa jedoch leider nicht. Nein, ihr Vater wollte seine Hoffnung einfach nicht aufgeben, dass Leah den zwanzigjährigen Sohn des Schmieds, Gideon Peachey– mit Spitznamen Smithy Gid–, vom Nachbarhof heiraten würde.

Sadie trat einen Schritt zurück, um ihre ordentliche Gläserreihe mit Tomatensuppe zu betrachten.„Vetter Jonas zu schreiben, welches Wetter wir haben, kann ja wohl nichtso interessant sein, oder?“, bemerkte sie mit einem Blick auf Leah.

„Wir schreibenüber viele Dinge ...“, versuchte Leah zu erklären. Sie merkte, dass Sadie wieder eine ihrer Launen hatte.

„Warum musste erüberhaupt nach Ohio fahren, um diese Lehre zu beginnen?“, fragte Sadie.

Jetzt richtete sich Mama auf. Ihre ernsten blauen Augen schauten ihreÄlteste leicht vorwurfsvoll a