: Joseph von Eichendorff
: Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts
: AuraBooks – eClassica
: 9783956900839
: 1
: CHF 0.90
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: Erzählende Literatur
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts
• Neu editiert, mit aktualisierter Rechtschreibung, ohne den Charakter des Textes zu verfälschen
• Voll verlinkt, und mit detailliertem Inhaltsverzeichnis
• Mit einem aktuellen Vorwort des Herausgebers (Feb/2014)

»Voller Abneigung gegen ein bürgerlich-strebsames Leben macht sich der namenlose Held, vom Vater aus süßem Nichtstun aufgeschreckt, auf den›Weg in die Welt‹«
(Der große Brockhaus Literatur)
Wie schafft es eine kleine, unscheinbare Novelle auf die berühmte Liste der»ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher«? Gerade 90 Seiten lang, leicht und luftig, fröhlich und spielerisch– ja. Aber große Literatur? Wenn man in den Text eintaucht, wenn man neben der an der Oberfläche sichtbaren Handlung auch das Symbolische und Transzendentale an der Geschichte wahrnimmt, versteht man es: Der›Taugenichts&lsaquo ist das klassische Denkmal eines Protagonisten, der seither inähnlicher Form in der Literatur immer wieder erscheint. Ein Aussteiger, ein›Drop-Out‹&n ash; und die Novelle ist das erste Road-Movie, und Ur-Vorfahr von Jack Kerouacs›On the Road‹.

Es ist die Zwiesprache mit der Natur, die im Kern die Geschichte zusammenhält. Der Wunsch und Wille, die bekannten Grenzen hinter sich zu lassen, sich Einzulassen auf die Welt, zu spüren und schmecken, zu wandern um des Wanderns Willen. Und am Ende der Reise erweisen sich sogar unüberwindbar scheinende Hürden als nichtig.

Über den Autor:
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff (* 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz bei Ratibor,† 26. November 1857 in Neisse) wurde als Hauptvertreter der deutschen Romantik vor allem durch seinen 1837 erschienenen Gedichtband berühmt, der unzählige nach ihm kommende Dichter und Schriftsteller beeinflusste. Das Leitmotiv vieler Gedichte ist die Sehnsucht nach dem»Anderswohin«, nach dem Sich-Bewegen und Wandern, im Einklang mit der Natur. Die elf Jahre zuvor erschienene Novelle›Aus dem Leben eines Taugenichts‹ hat das gleiche Grundmotiv. Joseph von Eichendorffs Sprachmelodie ist im Deutschen unerreicht, selbst nicht durch Goethe. Aus zahllosen Versen wurden Lieder, ja Volkslieder. Mit rund 5000 Vertonungen ist Eichendorff der bei weitem meistvertonte deutschsprachige Lyriker. (© eClassica)

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eClassica– Die Buchreihe, die Klassiker neu belebt.

Erstes Kapitel

Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine. Da trat der Vater aus dem Hause; er hatte schon seit Tagesanbruch in der Mühle rumort und die Schlafmütze schief auf dem Kopfe, der sagte zu mir:»Du Taugenichts! da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und lässt mich alle Arbeit allein tun. Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Tür, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.«–»Nun«, sagte ich,»wenn ich ein Taugenichts bin, so ists gut, so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen.« Und eigentlich war mir das recht lieb, denn es war mir kurz vorher selber eingefallen, auf Reisen zu gehen, da ich die Goldammer, welche im Herbst und Winter immer betrübt an unserm Fenster sang:»Bauer, miet mich, Bauer, miet mich!« nun in der schönen Frühlingszeit wieder ganz stolz und lustig vom Baume rufen hörte:»Bauer, behalt deinen Dienst!«

Ich ging also in das Haus hinein und holte meine Geige, die ich recht artig spielte, von der Wand, mein Vater gab mir noch einige Groschen Geld mit auf den Weg, und so schlenderte ich durch das lange Dorf hinaus. Ich hatte recht meine heimliche Freude, als ich da alle meine alten Bekannten und Kameraden rechts und links, wie gestern und vorgestern und immerdar, zur Arbeit hinausziehen, graben und pflügen sah, während ich so in die freie Welt hinausstrich. Ich rief den armen Leuten nach allen Seiten stolz und zufrieden Adjes zu, aber es kümmerte sich eben keiner sehr darum. Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemüte. Und als ich endlich ins freie Feld hinauskam, da nahm ich meine liebe Geige vor und spielte und sang, auf der Landstraße fortgehend:

 

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt erin die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.
Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was sollt ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl und frischer Brust?
Den lieben Gott lass ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs best bestellt!

 

Indem, wie ich mich so umsehe, kömmt ein köstlicher Reisewagen ganz nahe an mich heran, der mochte wohl schon einige Zeit hinter mir drein gefahren sein, ohne dass ich es merkte, weil mein Herz so voller Klang war, denn es ging ganz langsam, und zwei vornehme Damen steckten die Köpfe aus dem Wagen und hörten mir zu. Die eine war besonders schön und jünger als die andere, aber eigentlich gefielen sie mir alle beide. Als ich nun aufhörte zu singen, ließ dieältere stillhalten und redete mich holdselig an:»Ei, lustiger Gesell, Er weiß ja recht hübsche Lieder zu singen.« Ich nicht zu faul dagegen:»Euer Gnaden aufzuwarten, wüsst ich noch viel schönere.« Darauf fragte sie mich wieder:»Wohin wandert Er denn schon so am frühen Morgen?« Da schämte ich mich, dass ich das selber nicht wusste, und sagte dreist:»Nach Wien«; nun sprachen beide miteinander in einer fremden Sprache, die ich nicht verstand. Die jüngere schüttelte einige Male mit dem Kopfe, die andere lachte aber in einem fort und rief mir endlich zu:»Spring Er nur hinten mit auf, wir fahren auch nach Wien.« Wer war froher als ich! Ich machte eine Reverenz und war mit einem Sprunge hinter dem Wagen, der Kutscher knallte, und wir flogenüber die glänzende Straße fort, dass mir der Wind am Hute pfiff.

Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf, unter mir Saaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend,über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft– ich schämte mich, laut zu schreien, aber innerlichst jauchzte ich und strampelte und tanzte auf dem Wagentritt herum, dass ich bald meine Geige verloren hätte, die ich unterm Arme hielt. Wie aber denn die Sonne immer höher stieg, rings am Horizont schwere weiße Mittagswolken aufstiegen und alles in der Luft und auf der weiten Fläche so leer und schwül und still wurdeüber den leise wogenden Kornfeldern, da fiel mir erst wieder mein Dorf ein und mein Vater und unsere Mühle, wie es da so heimlich kühl war an dem schattigen Weiher, und dass nun alles so weit, weit hinter mir lag. Mir war dabei so kurios zumute, als müsst ich wieder umkehren; ich steckte meine Geige zwischen Rock und Weste, setzte mich voller Gedanken auf den Wagentritt hin und schlief ein.

Als ich die Augen aufschlug, stand der Wagen still unter hohen Lindenbäumen, hinter denen eine breite Treppe zwischen Säulen in ein prächtiges Schloss führte. Seitwärts durch die Bäume sah ich die Türme von Wien. Die Damen waren, wie es schien, längst ausgestiegen, die Pferde abgespannt. Ich erschrak sehr, da ich auf einmal so allein saß, und sprang geschwind in das Schloss hinein, da hörte ich von oben aus dem Fenster lachen.

In diesem Schlosse ging es mir wunderlich. Zuerst, wie ich mich in der weiten, kühlen Vorhalle umschaue, klopft mir jemand mit dem Stocke auf die Schulter. Ich kehre mich schnell um, da steht ein großer Herr in Staatskleidern, dem ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die Hüftenüberhängt, mit einem oben versilberten Stabe in der Hand und einer außerordentlich langen, gebogenen kurfürstlichen Nase im Gesicht, breit und prächtig wie ein aufgeblasener Puter, der mich fragt, was ich hier will. Ich war ganz verblüfft und konnte vor Schreck und Erstaunen nichts hervorbringen. Darauf kamen mehrere Bedienten die Treppe herauf und herunter gerannt, die sagten gar nichts, sondern sahen mich nur von oben bis unten an. Sodann kam eine Kammerjungfer (wie ich nachher hörte) gerade auf