: Gabriel Josipovici
: Unendlichkeit Die Geschichte eines Augenblicks
: Jung und Jung Verlag
: 9783990271223
: 1
: CHF 8.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dies ist ein ebenso komisches wie in Wahrheit tiefernstes Buch über einen großen Komponisten des letzten Jahrhunderts.Gabriel Josipovici hat ein überaus komisches Buch geschrieben, das das Leben durchschaut, um ins Herz aller Kunst zu zielen. Und zu treffen.»Ich hatte Glück, Massimo, sagte er zu mir, dass das einzige, wofür ich mich wirklich interessiert habe, die Frauen und die Musik waren. Indem die Frauen dich verletzen, bereichern sie dein Leben. Selbst meine Frau hat mein Leben bereichert.« Jener Massimo, der hier erzählt, von gelegentlichen Fragen unterbrochen oder ermuntert, war der Butler seines verstorbenen Herrn. Und dieser Herr, Tancredo Pavone, wird uns als einer der großen italienischen Komponisten des 20. Jahrhunderts vorgestellt (und der Kenner wird sein zusätzliches Vergnügen daran haben, hinter diesem Namen einen anderen zu ahnen). Ungewöhnlich in seinen Auffassungen, nicht zuletzt von Musik, war er so ungewöhnlich, wie einer sein muss, der in sich Unerhörtes hört und das zum Klingen bringen will.Der Butler, der seinem Herrn so nah wie fern war, hat nicht vergessen, was er gesehen und gehört hat, und so kann er von der großartigen Arroganz, der Eigensinnigkeit und Lebensneugier Pavones berichten, die aus diesem Nachkommen eines sizilianischen Adelsgeschlechts einen großen Klangerfinder gemacht haben.

1940 als Kind russisch-italienischer und rumänisch-levantinischer Eltern in Nizza geboren, wuchs in Kairo auf, studierte in England und lehrte an der School of European Studies der Universität Sussex. Er lebt als freier Schriftsteller in Lewes, England. Zuletzt auf Deutsch: Unendlichkeit (2012).

Als erstes fragte ich ihn, wie es dazu gekommen war, dass er für Mr. Pavone arbeitete.

Ich habe erfahren, dass er jemanden suchte, sagte er.

Wie haben Sie das erfahren?

So etwas erfährt man eben.

Standen Sie vorher schon einmal in Diensten?

Ehrlich gesagt, mein Herr, hatte ich keine Arbeit. Ich war eine Zeitlang für meinen Schwager tätig, dann aber nicht mehr. Ich stellte–

Und warum nicht mehr?

So etwas kommt vor, mein Herr.

Natürlich. Was machten Sie für Ihren Schwager?

Sie baten mich,über Mr. Pavone zu sprechen.

Natürlich. Bitte fahren Sie fort.

Ich stellte mich Mr. Pavone vor, aber er sagte mir, dass die Stelle bereits vergeben sei. Er notierte sich dennoch meine Telefonnummer, und einige Tage später rief er an und bat mich, zu ihm kommen.

Und da bot er Ihnen die Stelle an?

Ja, mein Herr.

Welchen Eindruck machte Mr. Pavone auf Sie?

In welcher Hinsicht?

Wie wirkte er auf Sie?

Auf mich wirken?

Als Sie ihn zum ersten Mal trafen, ja.

Wissen Sie, mein Herr, Mr. Pavone gehörte zu einer ganz anderen Kategorie als die Herren, die Ihnen vielleicht geläufig sind. In erster Linie war er Sizilianer, verstehen Sie? Und sizilianische Signori, sizilianische Adlige, Mr. Pavone war nämlich ein Adliger, wissen Sie, mein Herr, der Abkömmling einer sehr adligen Familie, sizilianische Adlige sind ein ganz eigener Menschenschlag. Und darüber hinaus war er Künstler. Sie wissen, dass Künstler von Gott berufen sind, und dass sie, wenn ich so sagen darf, genauso seine Diener sind wie der Papst höchstpersönlich. Aber vor allem war er er selbst.

Was meinen Sie damit, er war er selbst?

Er war er selbst. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.

Aber ist nicht jeder von uns er selbst?

Nein, mein Herr, wenn ich so sagen darf, mein Herr. Nicht auf diese Weise.

Auf welche Weise?

Er war einzigartig.

In welcher Weise war er einzigartig?

In jeder Weise.

Können Sie mir ein Beispiel geben?

Er war es in jeder Weise. Ich habe niemals, in meinem ganzen Leben habe ich niemals einen Herrn wie ihn getroffen, und, wie Sie sehen, bin ich nicht mehr jung.

War es seine Erscheinung, die ungewöhnlich war, oder war es etwas anderes?

Nicht ungewöhnlich, mein Herr. Nein. Nicht ungewöhnlich.

Aber Sie sagten einzigartig.

Einzigartig, aber nicht ungewöhnlich.

Erklären Sie mir, was Sie damit meinen.

Sie hätten ihn kennen müssen, mein Herr, um es zu verstehen.

Aber ich habe ihn nicht gekannt. Deshalb frage ich Sie.

Ja, mein Herr.

Fahren Sie fort.

Wie möchten Sie, dass ich fortfahre?

Fahren Sie einfach fort. Beschreiben Sie ihn.

Er war sehr großgewachsen und dünn, zumindest machte er den Eindruck, sehr großgewachsen zu sein, obwohl er, ehrlich gesagt, nicht mehr als mittelgroß war, vielleicht sogar ein wenig kleiner, mit einer Adlernase und, zu jener Zeit, als ich anfing, bei ihm zu arbeiten, schwarzem Haar, so schwarz, dass es fast blau war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ein Schwarz, das in gewissem Licht auch blau sein konnte.

Fahren Sie fort. Hören Sie nicht auf. Fahren Sie fort.

Wir Italiener haben alle schwarzes Haar, natürlich mit Ausnahme derer, die blond sind, aber Sizilianer haben schwärzeres Haar als die meisten, wenn Sie wissen, was ich meine.

Ja, ich versteh