Wenn Jakob Walter erwacht, ist um ihn herum erst einmal nichts. Die ersten Sekunden des Tages, in denen die einen den Schattengestalten ihrer Träume begegnen, andere im Kopf bereits Unerledigtes auflisten und ihr Tagwerk vorbereiten, braucht Walter, um sich im Schlafzimmer seiner eigenen Wohnung zurechtzufinden. Es ist ihm, als ob er jeden Tag zum ersten Mal in diesem Doppelbett neben Edith erwachen würde. Stück für Stück setzt er die altbekannte Welt zusammen. Die Hand seiner Frau greiftüber ihn hinweg und stellt das Klingeln des Weckers ab. Sie steigt aus dem Bett, fast nackt, aber noch ganz ohne Bewusstsein für ihren Körper. Das Licht im Flur geht an und wirft einen ersten Fleck von Tag durch die offene Tür aufs Bett. Walter schlägt die Decke zurück und setzt sich auf. Seine müden Augen mustern die wenigen Gegenstände des Schlafzimmers und ordnen sie ein in den neuen Morgen. Die ebenmäßig weiße Schiebetür von Ediths Kleiderschrank bietet seinen Augen keinen Halt. Aus der Decke ragen drei Drähte, da wo eine Lampe hingehört. In der Ecke neben dem Fenster steht der Stuhl mit seinen Kleidern.
Es ist Freitag, ein weiterer gewöhnlicher Tag in seinem Leben, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass er sich aufÜberraschungen gefasst machen müsste. Er will schon aufstehen, den Schlaf in Gestalt der im Bett gespeicherten Wärme hinter sich lassen und den Tag beginnen, als ihm eine Ungewöhnlichkeit ins Auge sticht. Auf dem Stuhl mit seinen Kleidern liegt ein fremdes Kleidungsstück. Nie hat er einen Pullover mit einem solchen Muster getragen, und doch weiß er mit Sicherheit, dass niemand außer ihm Kleider auf diesen Stuhl ablegt. Edith hängt ihre ordentlich in den Schrank. Walter steht auf und indem er sich dem Stuhl nähert, erkennt er, dass er am gestrigen Abend beimÜberstreifen des Pullovers einenÄrmel verdreht hat und dieser nun aus dem Halsausschnitt hervorschaut. Die Rückseite desÄrmels hat ihn getäuscht. Er dreht denÄrmel um und legt den Pullover zurück auf den Stuhl. Er ist froh, dass sich das Rätsel um den fremden Pullover so schnell geklärt hat, nicht auszudenken, was ein fremder Pullover auf seinem Stuhl hätte auslösen können. Er hätte Edith bezichtigt, dass sie in irgendeiner Form mit fremden Männerpullovern zu schaffen habe. Sie hätte ihm heftig widersprochen und er hätte ihr glauben müssen, weil es keine schlechtere Lügnerin als Edith gibt. Das aber hätte zur Folge, dass es eine Verbindung zwischen ihm und dem Pullover gäbe, weil sich außer Edith und ihm noch nie eine Drittperson in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer der Kleider entledigt hat. Walter bricht das Gedankenspiel ab. Er mag sich nicht ausmalen, was es bedeuten würde, wenn er der Integrität und Einheit seiner Person nicht mehr trauen könnte. Gestern schon hat er sich den ganzen Abend mit einer unangenehmen Frage herumgeschlagen, erinnert er sich, heute will er unbeschwert zur Arbeit gehen.
Mit der Erinnerung an die unangenehme Frage stellt sich selbige aber auch schon wieder ein, ganz von selbst, er kann es nicht verhindern. Ich weiß es nicht, möchte er rufen, keine Ahnung, weshalb ich in dieser Stadt lebe, stattdessen zieht er sein Pyjama aus. Entblößt trete ich der Frage entgegen, denkt er, und sie hat die Unverschämtheit zu bleiben, irgendein Motiv muss es schließlich geben, ein Mensch lebt nicht grundlos an einem Ort, er kann sich bewegen. Die Sesshaftigkeit, der das Menschengeschlecht so viel zu verdanken hat, löst sich nach vielen tausend Jahren Beständigkeit langsam wieder auf. Walter nimmt ein Hemd vom Stuhl, schlüpft hinein und knöpft es zu. Es bleibt ihm nichts anderesübrig, er wird sich während des Frühstücks und vermutlich, zumind