: Eberhard Wolff
: Medizin und Ärzte im deutschen Judentum der Reformära Die Architektur einer modernen jüdischen Identität
: Vandenhoeck& Ruprecht Unipress
: 9783647569437
: Jüdische Religion, Geschichte und Kultur
: 1
: CHF 54.40
:
: Allgemeines, Lexika
: German
: 292
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Ärzte und Medizin waren Brennpunkte des grundlegenden kulturellen Wandels, den die Juden in Deutschland in der Zeit der Haskala (der jüdischen Aufklärung) und der sich anschließenden Reformära bis ca. 1850 durchmachten. Eberhard Wolff arbeitet anhand von Detailstudien heraus, dass ein modernes, variables Verständnis vom Jüdischsein und eine differenziert konstruierte jüdische Identität in dieser Zeit gerade unter jüdischen Ärzten entwickelt und gerade anhand medizinisch relevanter Themen diskutiert wurden. An lokalen Beispielen wie Berlin, Hamburg, Göttingen und Dresden werden Themen wie der Reformeifer und das säkularisierte Berufsverständnis jüdischer Ärzte untersucht sowie Reformdebatten um die »frühe Beerdigung«, die jüdische Beschneidung oder die Krankenbesuchsgesellschaften einer Analyse unterzogen. Das entwickelte moderne jüdische Selbstverständnis hatte eine komplexe »Architektur«, die weit über simple »Assimilation« oder ein einfaches Modell hybrider Verschmelzung mit bürgerlichen Werten hinausging. So unterschieden jüdische Ärzte mit einem professionellen Habitus gezielt zwischen ihrer ärztlichen und ihrer jüdischer Identität. In Reformdebatten etablierten sie sich als weltliche Experten des Jüdischen und entwickelten ein kulturelleres Verständnis des Jüdischseins mit neuen Leitwerten und Legitimationen, das kompatibel war mit den Anforderungen der Moderne, ohne mit den jüdischen Traditionen generell zu brechen. Ihr jüdisches Selbstverständnis mit sektoriellen und situativen Differenzierungen sowie bewussten Asymmetrien war der Versuch einer Stabilisierung jüdischer Identität im historischen Wandel. Es war eine eigenständige kulturelle Leistung aufgrund eines originären Modernisierungswillens und nicht nur, um Anerkennung in der christlichen Mehrheitsgesellschaft zu finden.

PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Medizinhistorischen Institut und Museum der Universität Zürich und Privatdozent für Kulturanthropologie an der Universität Basel.
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Table of Contents4
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1 Der Rahmen8
1.1 Einleitung8
1.2 Juden und Medizin: Historisch-kulturwissenschaftliche Perspektiven20
1.3 (Jüdische) Identität: Debatten und Definitionen40
2 Ärzte zwischen jüdischer Identität und professionalisiertem Berufsverständnis56
2.1 „Gelehrte“ und „Reformer“: Jüdische Ärzte im Berlin des 18. Jahrhunderts als Aktivisten des kulturellen Wandels56
2.2 Die Assimilationserwartungen der christlichen Umwelt: Der Streit Gumprecht–Osiander in Göttingen um 1800105
2.3 Jüdische Ärzte und professioneller Habitus im frühen 19. Jahrhundert: Das Beispiel Hamburg135
2.4 „Gelebte Moderne“: Die Trennung von ärztlicher und jüdischer Identität in den Schriften des Arzt-Literaten Phoebus Philippson (1830 bis 1860)159
3 Gesundheitliche Praxis und jüdische Tradition: Konflikte und Lösungen167
3.1 Der Beerdigungsfristenstreit im späten 18. Jahrhundert: Religionsverträgliche Verweltlichung und Ansätze eines kulturellen Verständnisses des Judentums167
3.2 Von der Wohltätigkeit zum sozialen Netzwerk: Die Modernisierung der organisierten jüdischen Krankenversorgung in Dresden (1780 bis 1850)197
3.3 Biegen, ohne zu brechen: Das neue jüdische Religionsverständnis in der medizinischen Beschneidungsdebatte (1830 bis 1850)207
3.4 Weltliche Experten des Jüdischen: Die Dominanz der Ärzte über die Rabbiner in der Debatte um die Beschneidungsreform (1830 bis 1850)222
4 Die Medizin und der kulturelle Wandel im Judentum237
4.1 Kompatibles Jüdischsein: Die Medizin als Kristallisationskern eines modernen jüdischen Selbstverständnisses 237
4.2 Gestaltete Identität statt Assimilation: Jüdischer Kulturwandel und kulturelle Hybridisierung245
Literatur260
Archivalische Quellen260
Primärliteratur261
Sekundärliteratur 267
Back Cover267
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