Schmerz Ganzheitliche Wege zu mehr Lebensqualität
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Monika Specht-Tomann, Andreas Sandner-Kiesling
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Schmerz Ganzheitliche Wege zu mehr Lebensqualität
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Hogrefe AG
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9783456953144
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2
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CHF 15.30
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Angewandte Psychologie
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German
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256
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Schmerzen - von der Geburt bis in den Tod begleiten sie unser Leben. Wer kennt nicht das bohrende, klopfende oder nagende Gefühl? Besonders chronischer Schmerz stellt eine enorme körperliche, aber auch psychische Belastung dar. Oft bringt er Gefühle wie Wut oder Traurigkeit mit sich. Die Psychologin Monika Specht-Tomann und der Intensivmediziner Andreas Sandner-Kiesling erklären in diesem Ratgeber in klarer, verständlicher Sprache das Phänomen aus interdisziplinärer Sicht. Sie beschreiben die verschiedenen Formen und die wichtigsten Ursachen von Schmerzen sowie insbesondere die neuesten Therapien zu deren Behandlung. Einfühlsam geben sie Betroffenen wie auch Angehörigen in zahlreichen Fallbeispielen einen Überblick über die Möglichkeiten, im Alltag damit umzugehen. Wie lässt sich der Schmerz überhaupt mitteilen, wie kann man mit dem Arzt richtig darüber sprechen? Wie lässt sich die lähmende Wirkung von Schmerzen auflösen? Die Autoren klären auf über den richtigen Gebrauch und die Wirkung von Medikamenten und stellen wichtige Komplementärmaßnahmen zur Schulmedizin vor, wie z. B. Physiotherapie, Naturheilverfahren, Konzentrations- und Entspannungsübungen. Ein Buch, das Betroffenen hilft, die Spirale aus Schmerz, Angst, Wut und Trauer zu durchbrechen, und Mut macht, verborgene persönliche Kraftquellen aufzuspüren, um ein Stück Lebensqualität zurückzugewinnen.
1Schmerzen verstehen
1.1 Was ist Schmerz? – Erklärungsmodelle
Das Wort Schmerz ist in unserem Sprachgebrauch fest verankert. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, alte Menschen ? sie alle kennen nicht nur den Begriff Schmerz, sie verbinden damit auch alle ganz bestimmte Erfahrungen und Empfindungen. Schmerzen sind in gewissem Sinne Lebensbegleiter. Wissenschaftler, Philosophen, Künstler, Dichter ? sie alle haben in der einen oder anderen Form versucht, sich dem Phänomen Schmerz anzunähern. Siegfried Lenz beispielsweise schreibt:
Jeder kennt seine Wirkung, jeder weiß, wozu er uns bringen kann. Wir schreien, wimmern und weinen vor Schmerz, wir stöhnen und ächzen, jammern und klagen, zittern und beben, der Schmerz verschlägt uns die Sprache und lässt uns tanzen, er lässt uns hadern und zerreißt uns, er entstellt uns und – verklärt uns mitunter. (Lenz, 2000, S. 10 f.)
Das Thema Schmerz hat Menschen zu allen Zeiten bewegt, beschäftigt und letztlich auch fasziniert. Zum einen liegt der Grund in der zentralen Bedeutung, die der Schmerz in seiner Warnund Schutzfunktion für das Überleben und Weiterleben des Einzelnen und der Menschheit hat. Zum andern steckt im Schmerzerleben eine Intensität, die außergewöhnliche Kräfte freisetzen kann. Schmerz hat in der Welt der Philosophie, Religion und Kunst ebenso seinen Platz wie in den Naturwissenschaften. Der Schmerz wird auch als sogenanntes «Elementarphänomen» bezeichnet und zählt zu den großen Menschheitsfragen. Ein Blick zurück in die Geschichte:
1.1.1 Schmerz gestern und heute
Die Auffassungen davon, was denn nun Schmerz sei, wie und wa rum er entsteht und wie er zu behandeln ist, haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis von Schmerzzuständen lag in vielen Kulturen in der Mythologie. Im alten Ägypten beispielsweise wurden Schmerzen als Strafe für die Beleidigung der Götter angesehen. Auch bei den Griechen gab es eine enge Verflechtung zwischen religiösen Vorstellungen und Interpretationen von Schmerz. Man kann darin Versuche sehen, das Unerklärliche und Unfassbare von Schmerz und Leiden begreiflich zu machen. Gleichzeitig wurden Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, den Schmerz abzuwenden, aufzulösen, zu beseitigen. Gebete, Opfergaben oder rituelle Waschungen waren ebenso üblich wie Zauberhandlungen zur Linderung körperlicher Beschwerden. In den antiken Hochkulturen ? etwa in Mesopotamien, Ägypten oder China ? waren es in erster Linie sogenannte Priesterärzte, die als vermittelnde Instanz zwischen den Schmerzgeplagten und den strafenden Göttern standen. Diese Vermittler können als die ersten Schmerztherapeuten angesehen werden. Sie genossen hohes Ansehen und waren in ihrer Gesellschaft sehr einflussreich.
Neben dem Verständnis von Schmerz als Götterzeichen, Strafe und Fluch werden aber schon in Homers Ilias (etwa 8.–7. Jh. v. Chr.) Schmerzen als die «bellenden Hunde der Gesundheit» bezeichnet. Das Aufkeimen rationaler Denkansätze im alten Griechenland wirkte sich nach und nach auch auf die Schmerztheorien aus. Von Aristoteles bis Platon haben sich alle großen Denker Griechenlands mit dem Phänomen Schmerz befasst. Besonders den Arbeiten des Hippokrates (460?370 v.Chr.), der auch als «Vater der Medizin» gilt, ist es zu verdanken, dass Krankheitsund Schmerzzustände von magisch-religiös begründeten Vorstellungen getrennt wurden. Die «Entmystifizierung» des Schmerzes begann also im alten Griechenland.
Das zunehmende Wissen über Anatomie, Physiologie und Pathologie, das auch in alten römischen Schriften deutlich wird, erweiterte Schritt für Schritt die Schmerztheorien. Auf den Säulen der Chirurgie, Pharmazeutik und Diätetik wurden erste kausale Schmerztherapien entwickelt. Hier sei der griechische Arzt Galen (ca. 130?ca. 200 n. Chr.) genannt, der in Rom wirkte und neben Hippokrates zu den bedeutendsten Ärzten der Antike zählt. Als Arzt der Gladiatoren widmete er sich besonders der Linderung von Schmerzen.
Aber der Weg hin zu einem modernen Schmerzverständnis war noch lange nicht geebnet. In der frühchristlichen Leidenslehre wurden die Erkenntnisse der Griechen und Römer nicht anerkannt und als «heidnisch» abgelehnt. Leiden und Schmerz galten im frühen Christentum als persönlicher Weg, Schuld und Sünde zu überwinden und Erlösung zu finden. Dabei spielte die Passion Christi eine entscheidende Rolle. Alle Bemühungen, Schmerzen zu lindern, wurden als Versuche angesehen, sich dem gottgewollten Leiden zu entziehen. Für Thomas von Aquin (1224?1274) beispielsweise, den als Kirchenlehrer berühmt gewordenen Theologen und Philosophen, ist der Schmerz eine Eigenschaft der Seele, genauso wie die Freude. Beide «passiones» seien durch die Kraft des menschlichen Willens zu beherrschen. Er verweist eindringlich darauf, dass der Genuss in der «Beschauung göttlicher Dinge» eine Möglichkeit sei, Schmerzen zu ertragen.
Religiöse Dogmen bestimmten auch das Schmerzverständnis im Mittelalter. Selbst Paracelsus (1493?1541), ein wichtiger Vorreiter einer naturwissenschaftlich orientierten Krankheitsund Therapielehre, sah im Schmerz einen gottgewollten Zustand. Die Vorstellung von Schmerz als Strafe Gottes, von Schmerz als «Sündenkrankheit» und Erdulden als «Linderung» oder «Läuterung» brachte den Menschen noch weit bis ins 17. Jahrhundert viel Leid. So war der Einsatz von schmerzstillenden Mitteln lange Zeit von der Kirche verboten und jeder, der Schmerzen lindern konnte, kam in den Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu sein.
Erst die philosophischen Strömungen der Neuzeit («cartesianischer Dualismus») und die Befreiung der Wissenschaft von religiösen Dogmen («Aufklärung») machten eine Neubewertung des Phänomens Schmerz möglich und leiteten die Schmerzforschung….
Inhaltsverzeichnis
6
Vorwort
12
Einleitung: Schmerz ein Patientenbericht
16
1. Schmerzen verstehen
20
1.1 Was ist Schmerz? – Erklärungsmodelle
20
1.2 Der Schmerz hat viele Gesichter: Die verschiedenen Schmerztypen
31
1.3 Der Schmerz als Freund, der Schmerz als Feind: Schmerzfunktionen
50
1.4 Schmerz ist nicht gleich Schmerz: Das Schmerzerleben
61
1.5 Wenn die Seele schmerzt: Trauer
73
2. Schmerzen mitteilen
88
2.1 Über den Schmerz reden
88
2.2 Den Schmerz erfassen
103
2.3 Dem Schmerz Ausdruck verleihen
118
2.4 Schmerzgeschichten: Berichte Betroffener
125
3. Schmerzen lindern
138
3.1 Schmerztherapie: Möglichkeiten und Grenzen
138
3.2 Medikamente als Helfer
151
3.3 Hilfreiche Berührungen
176
3.4 Entspannung und Bewegung
188
3.5 Psychologische und psychotherapeutische Ansätze
213
Ausklang
234
«Die Hand dort auflegen, wo eine Not ist»: Miriam Goldberg – aus dem Leben und Wirken einer großen Therapeutin
234
Literatur
248
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis, Bildnachweis
256