: Karl Bruckmaier
: The Story of Pop
: Murmann Publishers
: 9783867743433
: 1
: CHF 7.60
:
: Pop, Rock
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Córdoba im Jahre 822: An diesem Punkt vor über 1000 Jahren beginnt Karl Bruckmaier seine visionäre Zeitreise durch die Geschichte der Popmusik. Folgen Sie ihm per Anhalter durch eine Galaxis aus Klang und Farben - mit vielen unerwarteten Zwischenstationen. Ungewöhnliche Helden, magische Orte und wegweisende Ereignisse der Zeitgeschichte weben eine Erzählung der Story of Pop, wie es noch keine gibt. Zwischen Clash der Kulturen und Streben nach Glück: 'My life was saved by rock 'n' roll!'

Karl Bruckmaier moderiert seit vielen Jahren musikjournalistische Sendungen im Bayerischen Rundfunk (Club 16, Zündfunk, Nachtmix). Seit 1981 schreibt er Pop - Kritiken für die Süddeutsche Zeitung. In einem anderen Leben ist der Autor und Übersetzer auch noch reichlich dekorierter Hörspielregisseur, u. a. ausgezeichnet mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden und dem Deutschen Hörbuchpreis.

We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal

13 ZUCHT

Wenn man heute Monticello besucht, Jeffersons Herrenhaus, dann wirkt das alles so putzig, so adrett, so puppenstubensklavenhaltermäßig, dass es einen irgendwie einlullt. Hier die lustige Maschine zum gleichzeitigen Abschreiben mehrerer Bücher, der Polygraph, schab kratz, dort die gar nicht so winzigen Baracken für die Schwarzen, fein in Reih und Glied, hmmm hmmm, vielleicht gar nicht so schlimm, dass er sich die eine oder andere Konkubine von dort in sein Bett geholt hat, lechz lechz, oder war es nicht die Tochter der schwarzen Zofe seiner Frau väterlicherseits, egal, jedenfalls die lässliche Sünde eines ansonsten verdienten Lebemannes?

Aber legen wir doch einmal eine Tonspur auf dieses Abziehbild einer Plantagenidylle: Während im oberen Stockwerk der Polygraph leise knarzt und das Bett ebenfalls, allerdings nicht unter den Geistesblitzen des Gebieters, sondern unter den Stößen der herrschaftlichen, ja präsidialen Lenden, brüllt weiter draußen ein Aufseher die Zwangsarbeiter an, die es gewagt haben, sichüber die Tatsache zu beschweren, dass jetzt auf einmal getrockneter Stockfisch verfüttert wird, weil er billiger ist als beef jerky, oder dass man zur Erntezeit 18 Stunden auf dem Feld stehen muss statt derüblichen zwölf und dass selbst der Sonntag gerade noch vier Stunden Freizeit zum Bestellen der eigenen Beete hergibt. Hunde bellen und knurren, dann Peitschenhiebe, lang und fies und spitz. Ein Fenster schlägt zu, der Herr will nicht gestört werden. In etwas abseits aufgestellten Hütten werden empfängnisbereite Sklavinnen ihren schwarzen Besamern zugeführt, ein Stöhnen undÄchzen auch dort. Und leises Weinen. Draußen, neben dem Weg zu den Baumwollfeldern, baumelt der Körper einer jungen Frau am Galgen. Sie hat ihr Kind nach der Geburt erstickt, um ihm das Sklavenschicksal zu ersparen. Am anderen Ende des Besitzes, nahe dem Eingangstor, müssen laut protestierende Mütter gewaltsam weggetrieben werden, da man wie jede Woche, jeden Monat ihre Kinder– von welchem Zuchthengst auch immer– auf Karren verlädt, um sie nach Charlottesville auf den Markt zu bringen, Weinen und Schreie auch hier, laut, hysterisch, untröstlich. Als wäre Schlachttag. Dabei ist Alltag.

Vielleicht nicht genau so und vielleicht nicht auf Monticello, aber soähnlich muss es doch gewesen sein. Denn Nordamerika hat eine eigene, ganz besonders perfide Geschichte der Sklaverei. Man kommt ihr auf die Spur, wenn man einen kalten Blick auf die Zahlen wirft: In die englischen Kolonien und die USA werden in den Jahrhunderten der Sklaverei lediglich fünf oder sechs Prozent der insgesamt gehandelten Sklaven verbracht, das sind grob geschätzt eine halbe Million Menschen. Mitte des 19. Jahrhunderts leben aber vier Millionen Schwarze allein in den Südstaaten der USA und haben in etwa den siebenfachen Buchwert aller im Umlauf befindlichen Zahlungsmittel. Wie ging dieses Wunder vonstatten? Nicht das mit der Sklavenblase, die mit dem amerikanischen Bürgerkrieg platzen wird, sondern das mit der Vermehrung, mit dem»natürlichen Zuwachs«, wie es gedankenloserweise oft heißt? Es sind ja mit Sicherheit nicht die der Gesundheit zuträglichen Lebensbedingungen auf den Plantagen oder beim Eisenbahnbau, welche die Sklaven zu gesteigerter Fortpflanzungstätigkeit anregen, obwohl die Befürworter der Sklaverei nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass es den Arbeitern in Manchester, Berlin oder Wien wesentlich elender ergeht als den geschätzten farbigen Mitarbeitern, die den ganzen Tag an frischer Luft etwas für ihre Gesundheit und Kondition tun können.

Nein, es ist die Obsession der englischstämmigen Herrenschicht mit der Zucht. Und das unverhältnismäßige Geschäft, das sich mit ihr spätestens seit dem Verbot des transatlantischen Sklavenhandels im Jahr 1808 machen lässt. Die ausländische Konkurrenz wird ausgeschlossen, das eigene Produkt konkurrenzlos. Wir finden in den USA hochspezialisierte Sklavenzüchterstaaten, wo Männer, Frauen, Kinder allein für den Verkauf herangezogen werden,»als wären sie Pferde oder Schweine oder Kühe. Sklavenzucht gilt als respektabler Beruf, niemand regt sich auf, der Staat nicht und auch nicht die Kirche. Der Horror geht einfach immer so weiter«, so ein Abolitionist.»In Virginia, wo die meisten Sklaven gezüchtet werden, unternimmt man alles Erdenkliche, um an bestes Zuchtmaterial zu kommen. Kranke und Schwache werden sofort ausgesondert.«

Die heute fast absolute Dominanz schwarzer Sportler beim Sprint oder Weitsprung, im Basketball oder im Boxring mag eine Spätfolge dieser Eugenik sein.»Die Züchter kennen ihre besten Decksklaven und stellen diese bei Landwirtschaftsmessen aus und kaufen und verkaufen sie, wie es daheim in England die Pferdehändler mit ihren Hengsten machen.« Grundlegend ist dabei, dass man als Züchter und Käufer peinlich darauf achtet, dass kein Kind bei der Mutter, kein Vate