: Peter Lieb
: Unternehmen Overlord Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas
: Verlag C.H.Beck
: 9783406660726
: 1
: CHF 11.50
:
: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 254
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Mit der alliierten Invasion begann die Befreiung Westeuropas von deutscher Besatzung. Gemeinsam mit der fast zeitgleich stattfindenden Operation 'Bagration', der entscheidenden Offensive der Roten Armee im Osten, besiegelte sie das Schicksal des Dritten Reiches. Am Abend des 'D-Day' hatten die amerikanischen, kanadischen und britischen Truppen einen ersten Brückenkopf im besetzten Frankreich gesichert. Mitte September standen alliierte Soldaten an der Reichsgrenze. Peter Lieb blendet in die deutschen Widerstandsnester an den Stränden der Normandie ebenso wie in die alliierten Landungsboote, schildert die mühsamen Materialschlachten der ersten Wochen sowie den rasanten Vormarsch nach dem Zusammenbruch des deutschen Widerstands und fragt nach den Reaktionen der französischen Bevölkerung. Dabei verbindet er den 'Feldherrenblick' von oben mit den Kampferfahrungen der einzelnen Soldaten und bettet das Geschehen in die strategischen Rahmenbedingungen des Zweiten Weltkriegs sowie die deutsche Besatzungspolitik in Frankreich ein.

Peter Lieb ist seit 2005 Senior Lecturer im Department of War Studies an der Royal Military Academy Sandhurst und einer der führenden Experten für die Geschichte des besetzten Frankreichs und der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

1. Prolog
Zwei Gefechte in einer gigantischen Schlacht


1.1. Das Widerstandsnest 62 am Omaha Beach, 6. Juni 1944


„Herr Unteroffizier, Leutnant Bauch will Sie sprechen!“ Verschlafen nahm Unteroffizier Förster dem Gefreiten den Hörer ab. Noch bevor er etwas sagen konnte, tönte es ruhig vom anderen Ende der Leitung:„Die Armee hat Alarmstufe II befohlen. Sie wissen, was das für Ihr Widerstandsnest heißt.“ Förster wusste natürlich, was sein Kompaniechef Bauch meinte. Es war die höchste Alarmstufe. In den letzten Wochen hatte es allerdings bereits mehrmals falschen Alarm gegeben. Ob nun dieses Mal wirklich die lang erwartete Landung der Briten und Amerikaner in Frankreich kurz bevorstand? Zweifel schienen angebracht, denn das Wetter war schlecht. Es war bewölkt, manchmal fielen sogar ein paar Tropfen Regen. Bauch konnte auch nichts Genaueres zur Feindlage sagen. Feindliche Bomberströme flogen zwar am Himmel, aber auch das war seit Wochen ein gewohntes Spektakel. In Abwesenheit des eigentlichen Kommandanten, Leutnant Claus, sowie seines Stellvertreters befahl Förster den gut 20 Mann im Widerstandsnest 62 ihre Stellungen zu beziehen. Sie gehörten zur 3. Kompanie des Grenadier Regiments 726. In der nächsten Stunde erschien auch der Chef der 1. Batterie des Artillerie Regiments 352, Oberleutnant Bernhard Frerking, mit einem Vorgeschobenen Beobachter (VB) seiner Batterie sowie dem dazu gehörigen Trupp. Der VB sollte bei einer feindlichen Landung das Artilleriefeuer am Strand leiten. Insgesamt waren nun 31 Mann im Widerstandsnest 62.

Dieses Widerstandsnest 62 war eine imposante Bunkeranlage, hier am Plage d’Or in der Normandie. Maschinengewehrstellungen, Granatwerfer, zwei 50 mm Panzerabwehrkanonen sowie vor allem zwei tschechische 75 mm Geschütze in massiven Kasematten bildeten sein Waffenarsenal. Umgeben war die Anlage von hunderten Metern Stacheldraht, einem Panzergraben, Minenfeldern sowie vor allem Stahl- und Betonhindernissen am Strand 100 Meter weiter unten. Vor wenigen Monaten, am 29. Januar 1944, war sogar Generalfeldmarschall Erwin Rommel zur Inspektion da gewesen, hatte sich aberüber den Zustand der Verteidigungsanlagen sehr unzufrieden gezeigt. In den folgenden Wochen waren die Befestigungen zwar in aller Eile stark verbessert worden, doch fertig waren sie an jenem 6. Juni noch nicht. Auch der Kompaniechef war erst vor sechs Wochen ausgetauscht worden. Leutnant Edmond Bauch, der Ostfront-Veteran, hatte Hauptmann Ottemeyer abgelöst. Ottemeyer war zwar ein hoch dekorierter Offizier aus dem Ersten Weltkrieg gewesen, hatte jedoch hier in der Normandieüber all die Besatzungsjahre kaum mehr Energie und Tatkraft versprüht.

Entlang der französischen Küste hatten die Deutschen mithilfe der Organisation Todt den„Atlantikwall“ mit hunderten solcher Widerstandsnester angelegt. An dem sechs Kilometer langen und landschaftlich sehr reizvollen Plage d’Or gab es 14 solcher Anlagen verschiedenster Größe, durchnummeriert von 60 bis 73. Das Widerstandsnest 62 war das stärkste. 600 Meter weiter rechts lag auf einer Höhe das Widerstandsnest 60, das denöstlichen Abschluss des Strandes bildete. Nur etwa 200 Meter entfernt, rechts vorne im Taleinschnitt und direkt am Strand, lag das Widerstandsnest 61 mit einer gefürchteten„Acht-Acht“. Diese 8,8 cm Flak konnte fast den gesamten Strand entlang Ziele direkt bekämpfen. Durch die Talsenke führte eine kleine Straße 800 Meter landeinwärts zum Dorf Colleville-sur-Mer, wo Leutnant Bauch im Widerstandsnest 63 seinen Gefechtsstand hatte. Obwohl es sich in diesem Gelände eigentlich angeboten hätte, lagen auf dem gegenüberliegenden Talhang keine deutschen Stellungen. Personalmangel zwang zur Improvisation. Alle Widerstandsnester waren personell weit unter ihrer eigentlichen Stärke besetzt und zudem oft mit Beutewaffen ausgerüstet.

Die Männer des Widerstandsnests 62 standen nun in ihren ausgebauten Stellungen und warteten. In der Dunkelheit war nichts zu sehen, ruhig lag das Meer vor ihnen. Doch dann im Morgengrauen tauchten viele kleine Punkte am Horizont auf. Zunächst ganz klein, dann immer deutlicher. Es waren zweifellos feindliche Schiffe. Um kurz vor 5 Uhr begann dann das Inferno. Feindliche Schiffsartillerie ließ einen halbstündigen Hagel auf die deutschen Verteidigungsstellungen niedergehen. Steine, Erdreich und Staub wirbelten durch die Luft, wie es selbst die kampferfahrenen Veteranen von der Ostfront noch nie erlebt hatten. Die Granateneinschläge erschütterten selbst die massivsten Bunkeranlagen im Widerstandsnest 62. Zwischendurch flog ein riesiger Strom von amerikanischen B-24 Bombernüber den Strand hinweg, doch ihre Bomben verfehlten das Ziel und landeten etwa zwei Kilometer weiter im Hinterland.

Als der Bombenhagel um etwa Viertel nach 5 Uhr beendet war und Unteroffizier Förster die Verluste in seinem Widerstandsnest zählte, stellte er zu seinerÜberraschung fest, dass alle Mann das Bombardementüberlebt hatten. Allerdings war die Fernsprechleitung zu seinem Vorgesetzten, Leutnant Bauch, durchtrennt. Die Kommunikation musste nun durch Läufer erfolgen. So hatte Förster auch gar nicht erfahren, dass wenige Kilometer westlich Geräusche von der See her gemeldet worden waren, vermutlich Schiffseinheiten. Doch auch so eröffnete sich für die Männer ein beeindruckendes, aber auch furchterregendes Bild. Eine riesige Armada war auf See zu sehen. Die ersten 60 bis 80 Landungsboote näherten sich rasch der Küste, dahinter waren größere Schiffe zu erkennen: Schlachtschiffe, Kreuzer, Zerstörer.

Es war also endlich so weit, die lang erwartete alliierte Invasion hatte begonnen! Nun gab es für die Männer in ihren Widerstandsnestern am Plage d’Or nur noch eines: Den gelandeten Feind so lange mit allen Waffen am Strand bekämpfen, bis Verstärkungen von weiter hinten eintrafen. Der Kampfauftrag war ihnen immer wieder eingehämmert worden:„Landung des Feindes verhindern, gelandeten Gegner vernichten, Widerstandsnest verteidigen bis zum letzten Mann.“ Ein Rückzug war praktisch nicht möglich, die Aufgabe des Stützpunktes strengstens verboten. Bauch und die anderen Offiziere hatten vor einigen Wochen sogar unterschreiben müssen, dass sie bis zur letzten Patrone die Widerstandsnester verteidigen würden.

Förster sah auf die Uhr: Kurz vor halb sechs. Unten am Strand gingen jetzt die ersten feindlichen Soldaten an Land. Trotz des Nebels, den der Feind geschossen hatte, erkannte Förster an den Helmkonturen, dass es sich um amerikanische Soldaten handelte. Es waren offenbar Pioniere, die sich unten beim Widerstandsnest 61 daran machten, die deutschen Strandhindernisse zu beseitigen. Feuererlaubnis hatte Förster seinen Männern schon längst erteilt, und so mähten di

Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Impressum4
Inhalt5
1. Prolog: Zwei Gefechte in einer gigantischen Schlacht7
1.1. DasWiderstandsnest 62 am Omaha Beach, 6. Juni 19447
1.2. Das 5th Battalion der Duke of Cornwall’s Light Infantry an der Höhe 112, 10./11. Juli 194412
2. Strategie: Der Westen 1940–194319
2.1. Deutsche Besatzungspolitik in Frankreich19
2.2. Vichy-Frankreich und die Résistance28
2.3. Die Alliierten: Mittelmeer oder Westeuropa?35
3. Planung: Vorbereitungen auf die Landung46
3.1. Die deutsche Seite46
3.2. Die alliierte Seite57
4. Operation Neptune: Der D-Day, 6. Juni 194468
4.1. Die Luftlandungen68
4.2. Die amphibischen Operationen75
5. Normandieschlacht I: Krieg von „oben“90
5.1. Die Briten und Kanadier in den Kämpfen um Caen90
5.2. Die Amerikaner in den Kämpfen auf der Cotentin-Halbinsel und um St. Lô102
5.3. Die deutschen Gegenmaßnahmen112
6. Normandieschlacht II: Krieg von „unten“126
6.1. Die Soldaten, ihre Mentalität und die Realität des Krieges126
6.2. „Dreckiger Krieg“: Die Ermordung von Kriegsgefangenen135
6.3. Zwischen den Fronten: Die französische Zivilbevölkerung144
7. Befreiung: Frankreich im Sommer 1944155
7.1. Der Zusammenbruch der Normandiefront und die Befreiung von Paris155
7.2. „Anvil-Dragoon“: Die Landungen in Südfrankreich163
7.3. Der französische Widerstand und seine Bekämpfung171
7.4. Ein innerlich zerrissenes Land: Frankreich nach dem Bürgerkrieg und der Befreiung184
8. Stillstand: Herbst 1944193
8.1. Market Garden: Das Luftlandeunternehmen bei Arnheim193
8.2. Die Kämpfe an der Reichsgrenze198
8.3. Die Ardennenoffensive205
9. Erbe und Mythos einer Schlacht211
Deutsche und alliierte Stellenbesetzungen 1944220
Zeittafel224
Anmerkungen229
Weiterführende Literatur243
Danksagung247
Bildnachweis249
Personenregister251