1 Athen, Mittwoch, 5. Juli, 14:43 Uhr
Und? Wie ist es? Platze schon! Cous, Ti
Weiß nicht. Heiß. Laut. Bin im Taxi zum Hotel. Meld mich. Couscous, Ali
Was wohl eine SMS von Athen nach Wien kostet?
Der Taxifahrer dreht sich zu mir um und grinst mich an, Zigarette im Mundwinkel. Er deutet aus dem Fenster.
»Over there Kolonaki! Many Coffeeshops!!«
»Ah ja.« Keine Ahnung, was ich sonst darauf sagen soll. Immerhin registriere ich beim Rundblick ein Internetcafé.
»Many men looking at blond girls!« Er zwinkert mir vielsagend zu.
»Ähm. Aha.«
»You model?«
Ich verfluche die Fotomappe, die am Flughafen aus meiner Tasche gerutscht ist.
»Ähm. Nein … ja, aber … Also eigentlich nicht, aber jetzt gerade schon!«
»Wofür genierst du dich eigentlich?«, höre ich Tine.»Du bist mit der Schule fertig und jetzt fährst du ein bisschen durch die Weltgeschichte und verdienst dir das Geld dafür mit Modeln! Ist ja nicht deine Schuld, dass du eine 90-60-90-Göttin bist – Geburtsfehler, sozusagen! Studieren kannst du immer noch!«
Na ja, mein Vater sieht das anders.»Bei meinem Talent« verschwendet man doch keine Zeit mit»so was«. Hat der ganzen Sache irgendwie den letzten Kick gegeben, dass er dagegen war. Sagt jedenfalls Tine, die Psychoexpertin.
Nicht, dass ich nicht auch beinahe vor Stolz geplatzt wäre, als meine Wiener Agentur mir gesagt hat,Athens Models wollen mich unbedingt für eine Saison haben. Natürlich war ich in Wien schon auf Castings, hab Fotojobs gemacht, aber es war immer so ein Nebenher-Ding. Neben der Schule, vor allem.
Aber Schule war gestern und ab heute bin ich ein Fulltime-Model.
Mein eigenes Geld verdienen! Titelblätter und Werbeverträge! Und international bin ich ab jetzt auch! Ausüber zwanzig Nachwuchsmodels hat derAthens-Models-Scout mich ausgesucht! Tine hat recht. Wofür geniere ich mich eigentlich?
»You want to go out to party tonight?«
Der Taxifahrer schaut wieder zu mir nach hinten und grinst mich an.
Recht so, Junge. Bloß keine Zeit verlieren.
Eigentlich sieht er gar nicht soübel aus, wenn man den Typ mag. Griechisch blond mit Locken und grünen Augen. Der Goldzahn stört ein bisschen, aber immerhin passt er zu der Kette mit dem Kreuz dran.
»Ähm. Nein danke!«
»Ah! You have boyfriend!« Genau! Weil sonst würde ich doch noch in der Sekunde …
»Ja …«, greife ich dankbar nach dem Strohhalm. Ist zwar gelogen, aber er weiß ja nichts von Tom und der WG-Mitbewohnerin und dem BH in der Laptop-Tasche.
»I have two girlfriends!«
Aha, jetzt wird’s wirklich interessant. Frage ihn natürlich postwendend, wie viele Boyfriends denn seine Girlfriends haben.
Seine Augen blitzen auf in ehrlicher Empörung.»Is natural for man to have many women! Is not natural for girl to have many men!«
Als wir vor Nummer 5, Kalamitsa Street halten, habe ich eine heftige Diskussionüber wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Untreue hinter mir. Zum Glück lese ich dieCosmo UNDGQ! Ich weiß ALLES!
»You see!«, strahlt mein neuer Freund Yannis, als er mein Gepäck locker mit zwei Fingern aus dem Kofferraum hebt.»I’m strong! Three girlfriends no problem! Everybody happy!«
Ich gebe ihm das vereinbarte Fahrgeld und er schiebt mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand. An seiner Rechten blinkt eindeutig und unverkennbar ein goldener Ehering.
Ich schüttle den Gedanken an den problemlos durch drei Freundinnen und eine Ehefrau teilbaren Taxifahrer ab und schaue mir das Haus an, in dem ich die nächsten zwei Monate verbringen soll.
Eine bröckelnde Fassade, nicht mehr zu identifizierende Farbe, windschiefe kleine Eisenbalkons.»Nicos’ Hot l« steht in ausrangierten Leuchtbuchstabenüber dem Eingang. Vielleicht hat das»e« ja Karriere gemacht und ist ins»Excelsior«übersiedelt. Beneidenswertes kleines e.
Dass Athen nicht gerade Paris ist, war ja klar, aber den Start meiner Auslandsmodelkarriere haben Tine und ich uns trotzdem eine Spur glamouröser vorgestellt.
Mein Handy brummt.
Kann jetzt nicht, bin mit Taxifahrer in seine Wohnung, cous, Ali
Das Handy landet in der Reisetasche. Arme Tine.
Immer noch grinsend kämpfe ich mich mit zwei Reisetaschen und einem Rucksack durch die schmale Eingangstür in die Lobby von»Nicos’ Hotel«. Durch den Stoff der Reisetasche spüre ich das aufgeregte Brummen meines Handys.
21:28 Uhr
Meine News gelesen? Cous, Ali
Pff. Jetzt auf einmal. Ich denke, du bist bei dem Taxifahrer?
Nicht schmollen ;-), hab Neuigkeiten, siehe E-Mail!
Von: alinasoellner@jetmail.at
Gesendet: Mittwoch, 5. Juli, 20:01
An: tine.rausch@mysigns.at
Betreff: Schwedenbombe
Hallo, Süße,
endlich W-LAN und ich erreich dich nicht auf WhatsApp :-(. Dann eben per E-Mail:
Ich komme um drei am Nachmittag in diesem sogenannten Hotel an. Draußen 35 Grad im Schatten, nur gibt’s hier um die Zeit nirgends Schatten. Ich total verschwitzt. Drinnen etwa fünf Grad unter null plus drei Ventilatoren. Nicos, der Besitzer, ist