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Als sie das Obergeschoss erreichten, legte September Ethan die Hand auf die Schulter und brachte ihn zum Stehen.
»Sir Hunnar und seinen Begleitern macht es sicher nichts aus, noch ein wenig zu warten, Jungchen.« Er wies den Korridor hinunter in die dem Haupteingang abgewandte Richtung.»Sehen wir uns doch mal Ihre Muster an.«
»Skua, mir geht im Augenblick so viel im Kopf herum, dass mir diese Kisten wirklich völlig egal sind.«
»Ich will ja nicht, dass Sie vor mir einen Laden aufmachen, Junge«, sagte September leise.»Ich hab’ einen ganz anderen Grund, in dieses Lagerhaus hineinzuwollen.«
Ethan musterte ihn neugierig, aber Skua hatte sich bereits umgedreht und ging den Korridor hinunter. Ethan musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Da gibt es sicher einen geheizten Tunnel, der uns zu den Lagerhallen führt, sobald wir nur erst den richtigen Lift gefunden haben. Die Lager sind ganz bestimmt oberirdisch angelegt, wie alles andere auch.«
Lager Drei war ein ganz nach dem Gebot der Zweckmäßigkeit gebauter Quader aus fensterlosen Metallwänden. September hatte recht gehabt. Trotz der Kälte war es auf Tran-ky-ky billiger, im Hochbau zu arbeiten. Es war viel einfacher, einen Lagerschuppen aus vorfabrizierten Teilen zu bauen, der dann auch kräftig genug war, um dem Wind Widerstand zu leisten, als sich in den beständig gefrorenen Boden hineinzugraben.
Die Lagerhalle war isoliert, aber nicht besonders gut geheizt. Ethan hätte ohne seinen Schutzanzug sicher vor Kälte gezittert. Ein Blick auf das Wandthermometer zeigte ihm, dass die Temperatur knappüber dem Gefrierpunkt lag. Draußen würde das praktisch auf eine heftige Hitzewelle hinauslaufen.
Zwei Wachen standen vor dem Eingang. Nach dem Sinn ihrer Anwesenheit befragt, erklärte einer von ihnen bereitwillig:»Man hört die ganze Zeit so Geschichtenüber die Eingeborenen. Die sollen alles stehlen, was sie in die Pfoten kriegen.« Der Mann blickte gleichgültig.»Ist ja ein kalter Job, aber was, zum Teufel, ist das auf dieser Welt nicht?«
»Haben Sie je einen der Tran beim Stehlen erwischt?« Ethan konnte denÄrger nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten, und der Wachmann bemerkte das auch.
»He, hören Sie, ich mach hier nicht die Vorschriften, Mann! Ich kümmere mich nur darum, dass sie eingehalten werden, ich und Jolene hier.« Der andere Wachmann legte wichtigtuerisch die Hand auf seinen Strahler.»Zeigen Sie mir doch Ihren Berechtigungsschein.«
»Rufen Sie den Hafenmeister.« Ethan hatte keine Lust, der Anweisung nachzukommen. Vielleicht waren die Tran wirklich nicht die sympathischsten Leute in der Galaxis, aber es hatte auch nicht den Anschein, dass sich jemand hier besondere Mühe gab, sie besser kennenzulernen.
»Oh,Dierd! Wie heißen Sie denn oder wie sind Ihre Kisten markiert?« Ethan sagte es ihm.»Yeah, Ihr Zeug liegt vier Reihen weiter hinten, dann gehen Sie nach rechts. Abschnitt zwanzig D.« Er trat zur Seite. September schenkte ihm ein freundliches Lächeln, seiner Kollegin ein noch wesentlich strahlenderes. Sie erwiderte es nicht.
»Ich verstehe das nicht«, brummte Ethan, während sie zwischen den hohen Reihen von Kisten und Paketen dahintrotteten.»Sämtliche Tran, denen wir bis jetzt begegnet sind, waren ehrlich: jetzt, wo ich esüberlege– Hunnar hat nie ein Sterbenswörtchen erwähnt, dass in Wannome etwas gestohlen wurde.«
»Die hatten noch nicht genügend Verbindung mit den korrumpierenden Einflüssen einer auf Besitz bedachten Zivilisation«, meinte September halb im Spaß und halb im Ernst. Sie bogen nach der vierten Reihe nach rechts.
Ethan fand seine drei kleinen nahtlosen Plastikkisten. Nur sein Nahtschlüssel konnte die Molekularstruktur des blauen Materials lösen, die das Paket umgab. Die Siegel des Hauses Malaika sahen intakt und unversehrt aus.
»Ich kann sie jederzeit abholen, Skua. Was wollten Sie denn hier drinnen sehen?«
»Ich sehe es bereits, Junge.« Septembers Blick musterte die bis zur Decke reichenden Kistenstapel.»Ich habe schon gesehen, was ich sehen wollte. Zeit, hier zu verschwinden.«
Sie verließen den kalten Raum, und die feindseligen Blicke der Wachen folgten ihnen. September blieb stumm, bis sie fast wieder am Haupteingang des Hafens angelangt waren.
»An der Bemerkung, die Xenaxis bezüglich der Geschäfte machte, die man hier abwickeln kann, hat mich etwas gestört«, erklärte er.»Jetzt, da ich mir das Lager angesehen habe, stört mich das noch mehr. Nach den Markierungen auf diesen Kisten kommt mir der hiesige Handel recht einseitig vor.«
»Was soll das heißen, einseitig?«
»Junge, diese Kisten dort hinten waren ganz neu, und die Markierungen haben das bestätigt. Von dieser Welt wird viel mehr exportiert als hereinkommt. Man kann natürlich nur schwer abschätzen, wieviel Duralum oder Keramikstahl-Messer einer Schnitzerei entsprechen. Aber ich glaube nicht, dass die Tran den Wert ihrer Exporte kennen. Wieviel sind denn hundert Liter Wasser einem Mann in einer Wüste wert? Was das angeht, wieviel sind hundert Liter Erde einem Mann in einem Ozean wert?
Jemand macht hier wesentlich mehr als einen ehrlichen Profit, Jungchen. Ihre Pakete waren die einzigen, die ich in der ganzen Halle gesehen hatte, die das Symbol einer Handelsfamilie trugen. Jemand anderer, vielleicht jemand, der gar keine Lizenz ha