: Friedrich Schiller
: Uwe Jansen
: Die Jungfrau von Orleans. Textausgabe mit Kommentar und Materialien [Reclam XL - Text und Kontext] - Schiller, Friedrich - 16145
: Reclam Verlag
: 9783159604626
: Reclam XL ? Text und Kontext
: 3
: CHF 4.80
:
: Deutsch
: German
: 178
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Frankreich im Hundertjährigen Krieg: Das Bauernmädchen Johanna soll, von Gott auserwählt, dem französischen König zum Sieg verhelfen. Als sie sich auf dem Schlachtfeld in einen feindlichen englischen Soldaten verliebt, droht ihr göttlicher Auftrag zu scheitern. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Reclam XL bietet den sorgfältig edierten Werktext - seiten- und zeilengleich mit der entsprechenden Ausgabe aus Reclams Universal-Bibliothek. * Das Format ist größer (12,2 x 20 cm) als die gelben Klassiker der Universal-Bibliothek, mit ausreichend Platz für Notizen am Seitenrand. * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Friedrich Schiller (seit 1802: von; 10. 11. 1759 Marbach a. N. - 9. 5. 1805 Weimar) bildet mit Goethe den Kern der Weimarer Klassik, der bedeutendsten deutschen Literaturepoche. Schiller begann als Aufsehen erregender Sturm-und-Drang-Dichter und prägte seit 1795 als Publizist, Theoretiker, Dramatiker und Lyriker das berühmte klassische Weimarer Jahrzehnt. Schillers Dramen gehören noch heute zu den meistgespielten der deutschen Literatur, seine Gedichte, z. B. die Balladen, zählten im 19. Jahrhundert und darüber hinaus zum festen kulturellen Kanon der deutschen Literatur.

[10]Dritter Auftritt


Bertrand tritt auf, einen Helm in der Hand. Thibaut. Raimond. Johanna.

RAIMOND. Still! Da kommt Bertrand aus der Stadt zurück.

Sieh, was er trägt!

BERTRAND.    Ihr staunt mich an, ihr seid

Verwundertob des seltsamen Gerätes

In meiner Hand.

160THIBAUT.    Das sind wir. Saget an.

Wie kamt Ihr zu dem Helm, was bringt Ihr uns

Das böse Zeichen in die Friedensgegend?

(Johanna, welche in beiden vorigen Szenen still und ohne Anteil auf der Seite gestanden, wird aufmerksam und tritt näher.)

BERTRAND. Kaum weiß ich selbst zu sagen, wie das Ding

Mir in die Hand geriet. Ich hatte eisernes

165 Gerät mir eingekauft zuVaucouleurs,

Ein großes Drängen fand ich auf dem Markt,

Denn flücht’ges Volk war eben angelangt

Von Orleans mitböser Kriegespost.

Im Aufruhr lief die ganze Stadt zusammen,

170 Und als ich Bahn mir mache durchs Gewühl,

Datritt ein braun Bohemerweib mich an

Mit diesem Helm, fasst mich ins Auge scharf,

Und spricht:»Gesell, Ihr suchet einen Helm,

Ich weiß, Ihr suchet einen. Da! Nehmt hin!

175 Um ein Geringes steht er Euch zu Kaufe.«

–»Geht zu denLanzenknechten«, sagt ich ihr,

»Ich bin ein Landmann, brauche nicht des Helmes.«

Sie aber ließt nicht ab und sagte ferner:

»Kein Mensch vermag zu sagen, ob er nicht

180 Des Helmes braucht. Ein stählern Dach fürs Haupt

Ist jetzo mehr wert als ein steinern Haus.«

So trieb sie mich durch alle Gassen, mir

Den Helm aufnötigend, den ich nicht wollte.

[11]Ich sah den Helm, dass er so blank und schön

185 Und würdig eines ritterlichen Haupts,

Und da ich zweifelnd in der Hand ihn wog,

Des Abenteuers Seltsamkeit bedenkend,

Da war das Weib mir aus den Augen, schnell

Hinweggerissen hatte sie der Strom

190 Des Volkes, und der Helm blieb mir in Händen.

JOHANNA(rasch und begierig darnach greifend).

Gebt mir den Helm!

BERTRAND.    Wasfrommt Euch dies Geräte?

Das ist kein Schmuck für ein jungfräulich Haupt.

JOHANNA(entreißt ihm den Helm).

Mein ist der Helm und mir gehört er zu.

THIBAUT. Was fällt dem Mädchen ein?

RAIMOND.    Lasst ihr den Willen!

195 Wohl ziemt ihr dieser kriegerische Schmuck,

Denn ihre Brust verschließt ein männlich Herz.

Denkt nach, wie sieden Tigerwolf bezwang,

Das grimmig wilde Tier, das unsre Herden

Verwüstete, den Schrecken aller Hirten.

200 Sie ganz allein, die löwenherz’ge Jungfrau,

Stritt mit dem Wolf und rang das Lamm ihm ab,

Das er im blut’gen Rachen schon davon trug.

Welch tapfres Haupt auch dieser Helm bedeckt,

Er kann kein würdigeres zieren!

THIBAUT(zu Bertrand).    Sprecht!

205 Welch neues Kriegesunglück ist geschehn?

Was brachten jene Flüchtigen?

BERTRAND.    Gott helfe

Dem König und erbarme sich des Landes!

Geschlagen sind wir inzwei großen Schlachten,

Mitten in Frankreich steht der Feind, verloren

210 Sind alle Länder bis an die Loire –

Jetzt hat er seine ganze Macht zusammen

Geführt, womit er Orleans belagert.

THIBAUT. Gott schütze den König!

[12]BERTRAND.    Unermessliches

Geschütz ist aufgebracht von allen Enden,

215 Und wie der Bienen dunkelnde Geschwader

Den Korb umschwärmen in des Sommers Tagen,

Wie aus geschwärzter Luft dieHeuschreckwolke

Herunterfällt und meilenlang die Felder

Bedeckt in unabsehbarem Gewimmel,

220 So goss sich eine Kriegeswolke aus

Von Völkernüber Orleans’ Gefilde,

Und von der Sprachen unverständlichem

Gemisch verworren dumpf erbraust das Lager.

Denn auch der mächtigeBurgund, der Länder-

225 Gewaltige hat seine Mannen alle

Herbeigeführt,die Lütticher, Luxemburger,

Die Hennegauer, die vom Lande Namur,

Und die das glückliche Brabant bewohnen,

Dieüpp’gen Genter, die in Samt und Seide

230 Stolzieren, die von Seeland, deren Städte

Sich reinlich aus dem Meereswasser heben,

Die herdenmelkenden Holländer, die

Von Utrecht, ja vomäußersten Westfriesland,

Die nach dem Eispol schaun – Sie folgen alle

235 DemHeerbann des gewaltig herrschenden

Burgund und wollen Orleans bezwingen.

THIBAUT. O des unselig jammervollen Zwists,

Der Frankreichs Waffen wider Frankreich wendet!

BERTRAND. Auch sie, die alte Königin, sieht man,

240 Die stolzeIsabeau, die Bayerfürstin,

In Stahl gekleidet durch das Lager reiten,

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