Bertrand tritt auf, einen Helm in der Hand. Thibaut. Raimond. Johanna.
RAIMOND. Still! Da kommt Bertrand aus der Stadt zurück.
Sieh, was er trägt!
BERTRAND. Ihr staunt mich an, ihr seid
Verwundertob des seltsamen Gerätes
In meiner Hand.
160THIBAUT. Das sind wir. Saget an.
Wie kamt Ihr zu dem Helm, was bringt Ihr uns
Das böse Zeichen in die Friedensgegend?
(Johanna, welche in beiden vorigen Szenen still und ohne Anteil auf der Seite gestanden, wird aufmerksam und tritt näher.)
BERTRAND. Kaum weiß ich selbst zu sagen, wie das Ding
Mir in die Hand geriet. Ich hatte eisernes
165 Gerät mir eingekauft zuVaucouleurs,
Ein großes Drängen fand ich auf dem Markt,
Denn flücht’ges Volk war eben angelangt
Von Orleans mitböser Kriegespost.
Im Aufruhr lief die ganze Stadt zusammen,
170 Und als ich Bahn mir mache durchs Gewühl,
Datritt ein braun Bohemerweib mich an
Mit diesem Helm, fasst mich ins Auge scharf,
Und spricht:»Gesell, Ihr suchet einen Helm,
Ich weiß, Ihr suchet einen. Da! Nehmt hin!
175 Um ein Geringes steht er Euch zu Kaufe.«
–»Geht zu denLanzenknechten«, sagt ich ihr,
»Ich bin ein Landmann, brauche nicht des Helmes.«
Sie aber ließt nicht ab und sagte ferner:
»Kein Mensch vermag zu sagen, ob er nicht
180 Des Helmes braucht. Ein stählern Dach fürs Haupt
Ist jetzo mehr wert als ein steinern Haus.«
So trieb sie mich durch alle Gassen, mir
Den Helm aufnötigend, den ich nicht wollte.
[11]Ich sah den Helm, dass er so blank und schön
185 Und würdig eines ritterlichen Haupts,
Und da ich zweifelnd in der Hand ihn wog,
Des Abenteuers Seltsamkeit bedenkend,
Da war das Weib mir aus den Augen, schnell
Hinweggerissen hatte sie der Strom
190 Des Volkes, und der Helm blieb mir in Händen.
JOHANNA(rasch und begierig darnach greifend).
Gebt mir den Helm!
BERTRAND. Wasfrommt Euch dies Geräte?
Das ist kein Schmuck für ein jungfräulich Haupt.
JOHANNA(entreißt ihm den Helm).
Mein ist der Helm und mir gehört er zu.
THIBAUT. Was fällt dem Mädchen ein?
RAIMOND. Lasst ihr den Willen!
195 Wohl ziemt ihr dieser kriegerische Schmuck,
Denn ihre Brust verschließt ein männlich Herz.
Denkt nach, wie sieden Tigerwolf bezwang,
Das grimmig wilde Tier, das unsre Herden
Verwüstete, den Schrecken aller Hirten.
200 Sie ganz allein, die löwenherz’ge Jungfrau,
Stritt mit dem Wolf und rang das Lamm ihm ab,
Das er im blut’gen Rachen schon davon trug.
Welch tapfres Haupt auch dieser Helm bedeckt,
Er kann kein würdigeres zieren!
THIBAUT(zu Bertrand). Sprecht!
205 Welch neues Kriegesunglück ist geschehn?
Was brachten jene Flüchtigen?
BERTRAND. Gott helfe
Dem König und erbarme sich des Landes!
Geschlagen sind wir inzwei großen Schlachten,
Mitten in Frankreich steht der Feind, verloren
210 Sind alle Länder bis an die Loire –
Jetzt hat er seine ganze Macht zusammen
Geführt, womit er Orleans belagert.
THIBAUT. Gott schütze den König!
[12]BERTRAND. Unermessliches
Geschütz ist aufgebracht von allen Enden,
215 Und wie der Bienen dunkelnde Geschwader
Den Korb umschwärmen in des Sommers Tagen,
Wie aus geschwärzter Luft dieHeuschreckwolke
Herunterfällt und meilenlang die Felder
Bedeckt in unabsehbarem Gewimmel,
220 So goss sich eine Kriegeswolke aus
Von Völkernüber Orleans’ Gefilde,
Und von der Sprachen unverständlichem
Gemisch verworren dumpf erbraust das Lager.
Denn auch der mächtigeBurgund, der Länder-
225 Gewaltige hat seine Mannen alle
Herbeigeführt,die Lütticher, Luxemburger,
Die Hennegauer, die vom Lande Namur,
Und die das glückliche Brabant bewohnen,
Dieüpp’gen Genter, die in Samt und Seide
230 Stolzieren, die von Seeland, deren Städte
Sich reinlich aus dem Meereswasser heben,
Die herdenmelkenden Holländer, die
Von Utrecht, ja vomäußersten Westfriesland,
Die nach dem Eispol schaun – Sie folgen alle
235 DemHeerbann des gewaltig herrschenden
Burgund und wollen Orleans bezwingen.
THIBAUT. O des unselig jammervollen Zwists,
Der Frankreichs Waffen wider Frankreich wendet!
BERTRAND. Auch sie, die alte Königin, sieht man,
240 Die stolzeIsabeau, die Bayerfürstin,
In Stahl gekleidet durch das Lager reiten,
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