: Stephan Maus
: Alles Mafia! Eine Gangsta Rhapsodie
: CULTurBOOKS
: 9783944818344
: 1
: CHF 4.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 146
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Schnauze, jetzt rede ich!' Die hier redet, heißt Nina. Nina verbindet sich mit Berlin, nimmt Witterung auf und Impressionen, gibt Straßenlärm und Sphärenmusik wieder, fügt sich übergangslos ins tausendfältige Stadtbild ein. Nina verliebt sich. Sie verschmilzt mit Thanh, Zigarettenschwarzhändler aus Vietnam. Thanh tarnt sich, ein urbaner Raubritter von flüchtiger Gestalt. Nina läßt sich buchstäblich auf ein Spiel mit dem Feuer ein. Sie vereint sich mit Thanhs Auftraggeber, dem mythischen Nin?ja!, Verkörperung des Bösen in profanen Zeiten. Die vollkommene Entgrenzung kann beginnen ... Nina träumt. Auf die Gefahr hin, schweißgebadet aufzuwachen. 'Alles Mafia' erzählt eine Dreiecksgeschichte, wie wir sie bisher noch nie vernommen haben. Zündet ein sprachliches Feuerwerk explosivster Machart: eine furiose Collage, die alle Zeichen zum Tanzen und Klingen bringt. Gut laut, präzise gerappt, halluzinogen, atemberaubend und ganz bestimmt nicht aus der Neuen Mitte. 'Maus gelingt es mit Wortwitz und poetischer Kodierung, das Material Sprache von seiner Vermittlungsfunktion zu befreien und als surrealen Rausch zu inszenieren. Das Lesen ist wie Achterbahnfahren.' -- Berliner Zeitung Berlin als Orgasmus. Mit 'Alles Mafia!' liefert Stephan Maus eine neue Form von Roman: Schnell, poppig, lyrisch und körperlich. Der multiple Text-Orgasmus spielt sich zwischen den beiden Sätzen der Rahmenhandlung ab: 'Hast du mal Feuer?' auf der ersten Seite und 'Ich rauche nicht!' auf der letzten Seite. Eine Tausendstel Sekunde Welt aus Wollust und Vorstellung, zwischen einer Anmache und einer Abfuhr als gewaltige Eruption. -- SPIEGEL-ONLINE ''Alles Mafia!' ist ein Gedicht in freien Rhythmen. Hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Der Pate von 'Alles Mafia!' ist zweifellos Walter Serner, Dada-Brotha, Liebhaber des polyphonenen Samplings und Autor von Kriminalgeschichten ähnlichen Kalibers.' -- taz Stephan Maus bombardiert den Leser mit den bunten Splittern eines implodierenden Kaleidoskopes. Mit überschäumender Phantasie läßt er dabei im Sekundentakt apokalyptisch-surreale Bilder aufblitzen und jagt das allgegenwärtige Mediengemurmel mit seinen Werbebotschaften, Politikerphrasen und Life-Style-Geschwätz durch seine assoziationsschwangere Schreib-Zentrifuge:'Mach dich locker, Nina. Peace! Braun werden mit IQ. Hirsch-, Schaf- und Ziegenhäute: bau dir deine eigene Heiltrommel. Sei Qualle, Teufelsrochen. Schweb dich frei. Schnuckel you up, Kraut-Pussy. Smooth!' -- CulturMag

Stephan Maus wurde 1968 in Berlin geboren. Er studierte Literatur in Frankreich, jobbte in Paris und arbeitete lange als freier Autor und Literaturkritiker in Berlin. Seit 2006 ist er Reporter beim 'stern'. Mehr: www.stephanmaus.de

»HAST DU MAL FEUER?«

(Ich hatte Feuer und der lächelnde Mann vor mir Zigaretten. Mit dem Gesicht stand ich nach Westen, im Rücken spürte ich den leichten Druck der Taiga und des Ural. Herz. Wildheit. Jugend. Träume. Er fuhr sich durchs Haar, das er borstig hatte. Mir stockte der Atem. EineÜberdosis Leben. Ich wurde zum Abziehbildchen meinerselbst und geriet in einen Strudel des Bösen. So o.ä. Eine Welt an der Bruchstelle demokratischer Kultur, in der aufgestauter Rassismus, Gewinnsucht, Arroganz und Gehorsam einen Nährboden der Gewalt bereitet hatten. Auch Zyankali war im Spiel. Realismus live. Daseins- und Todesfülle in Echtzeit. Das war der hohe Preis für weibliches Körperglück. Ich brauchte männlichen Input, Moschusdüfte. Sein Waschmittel konnte man nicht riechen, es wurde vom Geruch seines Weichspülers dominiert. Mich hinsetzen, unterhalten, guten Wein dazu trinken: das bin ich. Hallöle erst mal. Ich freu mich.

Noch denken alle, ich bin die Danke-Anke, aber die haben sich getäuscht. Licht aus, Spot an. Ich heiße Nina. Geld spielt keine Rolle. Alles dunkle Geheimnisse, die heute in meine Gegenwart ragen. Ein Katastrophengebiet der Erinnerung, in das ich mich selten hineinwage. Horror in Tüten. In Thermotaschen. Noch nie war ich in einer solchen Lebensgefahr. Ich kroch durch ein kosmisches Wurmloch, das mich durch ein Schwarzes Loch in ein anderes Universum führte. Parallel, höchstwahrscheinlich. Was soll ich sagen? Eine Vorwärtsfrau geht den dornigen Weg einer Großstadtschamanin, pflückt gedankenverloren eine Blume und klemmt sie sich hinters Ohr. Glückwunsch. Verwilderungswünsche durchwucherten mich, absolutes Bauch-Ding, schon klar. Ich hatte damals nicht mal jemanden, den ich aus Langeweile hätte küssen können. Wochenlang lag mein Telefonhörer in Embryohaltung auf der Gabel und nährte sich durch seine eingerollte Nabelschnur von Stille. Dann wieder klingelte der Apparat immer nur nachts, ein einziges Mal, als schreckte das Netz kurz aus seinen unterirdisch sich verzweigenden Alpträumen hoch.

Mein seelenloser Anrufbeantworter hatte 15 Minuten Speicherzeit. Immerrotes Zyklopenauge der Einsamkeit. 15 Minuten! Zwei Minuten länger als die netzunabhängige Betriebsdauer meines Vibrators. Ein Leben im asketischen Einzelbett. Eine Frau in labio-digitaler Zwiesprache mit sich selbst. Wenn ein Duschkopf in einem Katalog als Modell»Single« präsentiert wird, ist das eine diskrete Art, auf seine Multiple-Orgasmus-Funktion hinzuweisen. Näheres gerne auf Anfrage. Sogar mein Deo-Roller war verkrustet. Trockene Parfümschuppen rieselten aus seinem Gewinde. Nur die Thermostate meiner Heizkörper zeigten noch ein bisschen Einfühlungsvermögen. Einem Rock-, Mantel- oder Pulloverkauf wohnt keine lebensverändernde Kraft inne. Bodybags sind erklärungsbedürftig. Nur kurz gibt dir dein Frisör ein neues Kopfgefühl. Manchmal hilft Renovieren. Kauf Tiefkühlerbsen mit mir ein. Zeige Deine Wunde. Fütter deine Angst, denn sie wird niemals satt. Geh lieber durch die Wand, als immer durch die Tür. Resensualisier mich, Du Umtriebiger der Nacht. Am Seeufer schluck ich Mücken mit dir. Ich steh auf Drängelknutschen. Gib mir die Hand, ich bau dir ein Schloss aus Sand, irgendwie, irgendwo, irgendwann. Ich geh klug mit Deiner Nacktheit um. Sag einfach Nina, und wir werden Freunde. Ich bin gespannt. Ich drück Euch vorab schon mal ganz lieb. Fühlt Euch ganz groß umarmt.

Mittags fiel mir der getrocknete Schlaf aus den Augen in die Mittelfalte der Tageszeitung. Das füllige Volumen des Tages, am Morgen noch vielversprechend gebläht, sackte ganz schnell in sich zusammen und hing mir schon am frühen Nachmittag schlabbrig zwischen den Beinen. Langeweile ist die schnellste Abkürzung zur Ewigkeit. Im Stehsatz ruhte schon die Battle-Tech-Romanze. Brunnenkresse gedeiht in einer einfachen Pappschachtel mit Nährstoffvlies. Was mir fehlte, war jemand, mit dem man ungeniert ein Kräuterfußbad nimmt, in das man zischend eine geteilte Zigarette fallen lässt, um sich in eine Wolke warmen Johanniskrautduftes zu hüllen.

Der Himmel hatte Zellulitis und der lächelnde Mann viele Zigaretten. Aber davon später. Erst mal den liebeshungrigen Bauch voll lasziver Luxusschmetterlinge von der Sorte chloroformsüchtiges Piercinginsekt mit Faible für Schaukastenexhibitionismus. Welt, ich komme! Alleine war gestern. Einfach mal Bauchgefühl entscheiden lassen. Mega-dupi. Hi, ich heiße Nina, alles im grünen Bereich? Flugzeuge im Bauch, Klobürste im Hirn. Die Straße ist eine Kontaktbörse. Fisch meets Fahrrad vor der Nordsee-Filiale, Sofortkontakt mit Männern aus deinem PLZ-Gebiet, schön für dich. Wer kann mir Babykleidung in Erwachsenengrößen nähen? Offenbar dehnt sich das All immer schneller aus. Mach dich nackig, Sternschnuppe, ich muss mit dir reden! Glück, du näherst dich uns im Krebsgang, und möcht’ man dir an den Panzer, kneifst du einem rücklings in den Arsch!

Flittchenpower, Schlampengroove, Girliefunk. Endlich zog die Frau in meinen Körper ein. Ich habe in meinem Leben schon viele Gürtelschnallen klimpern hören, aber dieses Klingeln hier war wie das fröhliche Läuten der Osterglocken. Das Mädchen Nina gab es nicht mehr. Verschwunden. Im Abendnebel um die Ecke gebogen, von der Morgensonne aus dem schattigen Kelch seiner jungen Mädchenblüte geleckt, von der Mittagssonne lotrecht in den Staub gebohrt, während die Düsentriebwerke der Kampfjets mit konspirativ verblassender Geheimtinte verfassungswidrige Symbole in den Himmel schrieben. Wann hatte ich das letzte Mal das Wort»Waldsaum« unter meiner Vorstellungsnähmaschine gehabt?

Ich hielt ihm mein Feuerzeug hin.»Eines Tages, und dieser Tag wird vielleicht niemals kommen, werde ich dich bitten, mir dafür einen Gefallen zu tun«, sagte ich hüstelnd in Moll und lutschte eins (Pull). Eine Sprechblase aus kalter Morgenluft. Im Kölner Dom schlug ein Blitz ein und schlängelte sich an den eisernen Aufhängungen der wertvollen Rubens-Teppiche entlang. Seine Augen leuchteten wie angelutschte Wick-Gletscherbonbons, wie die Spitzen von langsam abtauendem Waldmeister-Wassereis. Das schweißige Flüstern der Schicksalslinien hinter vorgehaltener Hand. Es war Winter. Das Wetter war von Anfang an gegen uns. Derstern ritt wieder einmal sein liebstes Steckenpferd: Die Kohlesubven