Im Sommer 1924 fand Heinrich Himmler nach langem Suchen endlich eine Anstellung – in der verbotenen NSDAP. Der leitende Parteifunktionär Gregor Strasser, der in Landshut eine Apotheke besaß, war im Mai für den Völkischen Block, eine nationalsozialistische Ersatzorganisation, in den Bayerischen Landtag, im Dezember sogar in den Reichstag gewählt worden. Da ihm nunmehr die Zeit fehlte, die Partei in Niederbayern zu organisieren, übernahm der junge Heinrich Himmler die Leitung der Geschäftsstelle der Partei.
An einen Bekannten schrieb er im August 1924 über seine neue Tätigkeit: »Ich habe entsetzlich viel zu tun, habe ich doch die Organisation von ganz Niederbayern zu leiten und auszubauen und zwar in jeder Richtung. Zu einem Arbeiten für mich, dass ich einmal dazukäme, rechtzeitig einen Brief zu beantworten, ist gar kein Darandenken. Die Organisationsarbeit, die ich vollkommen selbständig leite, liegt mir ja gut und die Sache wäre ja einzig schön, wenn man den nahen Sieg oder den nahen Freiheitskampf vorbereiten könnte, aber so ist es ein entsagungsvolles Arbeiten von uns Völkischen, ein Arbeiten, das in der nächsten Zeit niemals sichtbare Frucht bringen wird, immer mit dem Bewusstsein, die Frucht dieser Arbeit wird erst in späteren Jahren aufgehen und heute ist unsere Tätigkeit eine auf einem im Augenblick vielleicht verlorenen Posten.«
So verloren war der Posten nicht. Im Mai hatte der Völkische Block in Bayern 17,4 Prozent der Stimmen erzielt, so viele wie die Sozialdemokraten, und auch bei den Reichstagswahlen hatten die Rechtsextremen überdurchschnittliche Stimmenanteile für sich gewinnen können. Im Dezember 1924 wurde Adolf Hitler aus der Haft entlassen{4} und gründete im Februar 1925 die NSDAP neu, auch wenn ihm selbst noch einige Monate lang ein Redeverbot auferlegt worden war – in Bayern galt dieses sogar bis März 1927 und in Preußen bis November 1928.
Himmler hatte nun die Aufgabe, die etwa 1000 niederbayerischen Parteimitglieder, die in 25 Ortsgruppen organisiert waren, in die neu gegründete NSDAP zu überführen, was angesichts der Umschreibung der Parteibücher, der Mitgliedsbeiträge etc. kein einfaches Unterfangen war.
Das bedeutete auch, dass er viel in Niederbayern unterwegs war, Ortsgruppen besuchte, Vorträge hielt und die organisatorischen Dinge vor Ort klären musste. Allein zwischen November 1925 und Mai 1926 sprach er auf 27 Veranstaltungen in Bayern und zusätzlich auf 20 auswärtigen in Westfalen, Hamburg, Mecklenburg, Schleswig-Holstein und anderswo. Mit der rastlosen Reisetätigkeit unterschied er sich nicht von anderen Parteifunktionären. Auch Joseph Goebbels war 1925/26 unermüdlich unterwegs, um an vielen Orten im Deutschen Reich Vorträge zu halten und nationalsozialistische Ortsgruppen aufzubauen. Unter anderem kam Goebbels im April 1926 auch nach Bayern zu einer Vortragsreise. »Mit Himmler den Nachmittag in Landshut«, notierte Goebbels am 13. April im Tagebuch, »Himmler: ein guter Kerl mit viel Intelligenz. Ich mag ihn gern.«
Auf dem Reichsparteitag der NSDAP im Weimar im Juli 1926 wurde Gregor Strasser zum Reichspropagandaleiter bestimmt, und Himmler folgte wieder nach: Er wurde zum stellvertretenden Reichspropagandaleiter ernannt, wechselte in die Parteizentrale in München und wurde zugleich stellvertretender Gauleiter von Niederbayern. War er bislang vor allem für Bayern verantwortlich gewesen, erweiterte sich sein Tätigkeitsfeld nun auf ganz Deutschland. Da Gregor Strasser als Reichstagsabgeordneter und Parteigröße vollauf beschäftigt war, oblag Heinrich Himmler die alltägliche Propagandaarbeit. Er hatte dafür zu sorgen, dass Propagandamaterial verschickt wurde, hielt Kontakt zu den Ortsgruppen und hatte vor allem den reichsweiten Einsatz der Parteiredner zu koordinieren, an erster Stelle die »Hitlerversammlungen« zu organisieren. Dadurch fiel ihm eine ganz besondere Rolle im Parteiapparat zu, denn zum einen lag es in seiner Hand, welche Ortsgruppe das Privileg eines Hitlerauftritts erhielt, und zum anderen hielt er engen Kontakt mit Hitler, um mit ihm dessen Redetermine abzusprechen. Obwohl mitunter im Nachhinein das Bild von Himmler als blassem Funktionär gezeichnet wird, befand er sich tatsächlich im Machtzentrum der N