Was ist heute eine Kernfamilie? Ein Haus wird oft mit der sogenannten Kernfamilie in Verbindung gebracht, in der Kinder und Eltern unter einem Dach leben. Doch angesichts der vielen Tummelplätze eines Hauses, das genug Raum für Liebe, Sex, Spiel, Nahrung und Wachstum bietet, frage ich mich, was ein Haus eigentlich zu einem Zuhause macht, in dem man lebt und atmet.
Jedes Haus hat seine eigene Persönlichkeit. Die Wertvorstellungen einer Familie spiegeln sich in den Menschen, die darin leben, in ihren Gewohnheiten, ihrem Beruf und sozialen Status. Welche Angewohnheiten und Erlebnisse begegnen uns in den verschiedenen Räumen eines Hauses? Was geschieht mit uns in der Familie, wenn wir die Schwelle des Hausesüberschreiten und von Raum zu Raum gehen?
MonicaØien:»Was ist eigentlich ein Zuhause? In der Regel bringt man damit wohl die Kernfamilie in Verbindung, in der Mutter und Vater unter einem Dach leben und wo alles gut und schön ist.«
Jesper Juul:»Ich glaube, eines der größten Missverständnisse in Verbindung mit dem verständlichen Aufruhr der Frauen in der 70er-Jahren war die Tatsache, dass die häuslichen Tätigkeiten einer Frau ausschließlich unter praktischen Gesichtspunkten betrachtet wurden. Damit hat man die wichtigste Funktion außer Acht gelassen, nämlich Atmosphäre zu schaffen. Ganz gleich, ob die Hausarbeit von einer Frau oder einem Mann erledigt wird, schafft man damit doch eine bestimmte Atmosphäre, und das zählt im Haus einer Familie zu den allerwichtigsten Dingen. Darin liegt das Problem, wenn man fremde Dienstleistungen in Anspruch nimmt, eine Putzhilfe engagiert, sich das Essen liefern oder das Haus von einem Innenarchitekten einrichten lässt. Damit bekommt man vielleicht den Haushalt in den Griff, doch es fehlt die persönliche Atmosphäre. Was also macht eine bestimmte Atmosphäre aus? Es ist schon in Ordnung, es sauber und ordentlich zu haben, doch wenn die Dinge nicht mit einer gewissen Hingabe erledigt werden, sind sie nicht viel wert. Sensible Menschen können die spezifische Energie eines Hauses spüren, sobald sie zur Tür hereinkommen. Wenn beide Eltern arbeiten,ähnelt die Familie oft einer Firma, in der alles geplant und organisiert werden muss. Für Kinder ist es unglaublich wichtig, dass zwischen ihrem Zuhause einerseits sowie Kindergarten und Schule andererseits ein Unterschied besteht. Wenn die Familie nichts anderes als eine Firma ist, geht es den Kindern nicht gut, dann werden sie gestresst und unzufrieden. Setzt man dieses Muster sieben bis acht Jahre fort, stirbt auch die Beziehung unter den Erwachsenen, die sich nur noch beim Leben zuschauen. Das erste Symptom besteht darin, dass im Schlafzimmer nur noch geschlafen wird.
Was also macht eine bestimmte Atmosphäre aus? Es ist schon in Ordnung, es sauber und ordentlich zu haben, doch wenn die Dinge nicht mit einer gewissen Hingabe erledigt werden, sind sie nicht viel wert.
Statistisch betrachtet wachsen die meisten Kinder in der Kernfamilie auf, zumindest in den ersten acht bis neun Jahren ihres Lebens. Es ist richtig, dass es immer mehr alleinerziehende Eltern und Patchworkfamilien gibt. Das liegt schon daran, dass wir immerälter werden, wodurch sich die Zeitspanne einer Ehe›bis dass der Tod uns scheidet‹ automatisch verlängert. Ein Kind durchläuft in der Regel mindestens drei Lebensphasen, womöglich verbunden mit drei verschiedenen Formen von Kindergarten oder Schule, drei verschiedenen Familien, wer weiß ... Die Voraussetzung einer Paarbeziehung besteht darin, dass sie etwas bedeutet, einen Sinn hat. Sie mag ziemlich stürmisch verlaufen– entscheidend ist, dass sie uns bereichert. Ist das nicht der Fall, kann man ebenso gut allein bleiben. Dass uns die Paarbeziehung bereichern soll, ist eine verhältnismäßig neue Prämisse und die größte Veränderung, was das Familienleben betrifft.«
»Ja, denn im Grunde wünschen wir uns doch alle, den einzig Richtigen zu finden und zusammen durch dick und dünn zu gehen. Das muss doch auch das Ideale sein.«
»Das ist richtig. Aber für diejenigen, die in den 90er-Jahren erwachsen wurden, ist es sehrüblich, mehrere längere Beziehungen zu haben, ohne Kinder zu bekommen. Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass Paare sich heute aus den nichtigsten Anlässen trennen. Manchmal stimmt das wohl auch, doch meiner Erfahrung nach wird eine Trennung heute immer noch sehr ernst genommen, wenn man gemeinsame Kinder hat. Ich glaube nicht, dass dabei die Anzahl der Konflikte als Maßstab genommen wird. Entscheidend für den Fortbestand einer Beziehung ist vielmehr die Frage, ob sie als sinnvoll erlebt wird.«
»Aber wie sinnvoll soll sie denn sein? Viele haben große Erwartungen und legen die Latte sehr hoch. Wir können nicht erwarten, dass wir unsere Beziehung 24 Stunden am Tag als sinnvoll und bereichernd empfinden. Wir müssen doch auch daran arbeiten, dass sie funktioniert.«
»Vollkommen einer Meinung. Sinnvoll heißt ja auch nicht permanente Harmonie und ständiges Glück. Eine Beziehung ist dann bereichernd, wenn sie uns dazu herausfordert, uns als Mensch und Mitmensch weiterzuentwickeln. Diese Herausforderungen treten meistüberraschend an uns heran, und wir mögen es nicht besonders, wenn sie plötzlich auftauchen. So ist es mit all unseren Liebesverhältnissen, auch gegenüber unseren K