: Andreas Wagner
: Landeier Fränkys Traktortripp durch die Provinz
: Leinpfad Verlag
: 9783942291750
: 1
: CHF 10.80
:
: Erzählende Literatur
: German
: 257
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als sein Meister ihm Prügel androht, haut der Bäckerlehrling Frank einfach ab. Er klaut einen alten Fendt und fährt ziel- und planlos über Land. Auf seinem Traktor-Trip lernt er das Spargelmädchen Olga aus der Ukraine, echte Neonazis und falsche Polizisten, eine abgedrehte Landkommune und den allein auf seinem Hof lebenden Rolf, verwahrlost und zahlungsunfähig, kennen. Verfolgt von seinem Chef und Heinrich, dem Russen, zeigen uns die drei ein unbekanntes Bild der Provinz fernab von jeder Landlust.

Andreas Wagner, Jg. 1974, ist als Winzer Quereinsteiger: Der promovierte Historiker führt das von den Eltern übernommene Weingut in Essenheim seit 2002 zusammen mit seinen beiden Brüdern. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Mehr zum Autor unter www.wagner-wein.de Bekannt geworden ist Andreas Wagner als Autor von sechs Weinkrimis.

1.

 

„Der Junge bringts nicht! Das ist eine Pfeife!“

Sie wusste, dass er jetzt in ihre Richtung sah, um einen bestätigenden Blick, ein Nicken vielleicht sogar, für seine Worte zu bekommen. Sie war müde und verspürte wirklich keinerlei Lust auf eine solche Unterhaltung. Im Grunde wollte sie gar nicht reden. Einfach nur Ruhe. Die letzten Handgriffe des viel zu langen Tages für sich zu Ende bringen, ohne auf seine Worte eingehen zu müssen. Nur ein Nicken und stilles Zuhören akzeptierte er nämlich nicht. Vielleicht ein paar Sätze lang, dann brauchte er Rückmeldung. Ein, zwei sinnvolle Wortreihen, die auch noch irgendwie zu dem passen mussten, was er davor gesagt hatte. Auf jeden Fall Zustimmung, aber nicht zu platt vorgetragen. Du hast ja recht, wie immer! Von der Grundaussage sicher richtig, aber in die falschen Worte gekleidet. Die Folgen kannte sie nach gut dreißig Jahren Ehe mit ihrem Bäckermeister nur zu gut. Je nach Laune, besaß eine solche unbedachte Vorlage das Zeug zum Abendfüller. Anklagend zuerst, vorwurfsvoll, um dann nach einer knappen Dreiviertelstunde ins Wehleidige und Weinerliche abzugleiten. Es bleibt doch alles an mir hängen. Die ganze Verantwortung für den Betrieb, das Personal. In so schweren Zeiten. Spätestens dann musste sie ihn an sich drücken. Schwer atmend, wie ein schniefendes Kleinkind. Und darauf hatte sie schon lange und insbesondere heute wirklich gar keine Lust.

Sie tränkte den Wattebausch mit Make-up-Entferner und rieb damit über die geschlossenen Augenlider. Dann verteilte sie die Reinigungsmilch über ihr fleischiges Gesicht. Die Zeit für diese Bewegungen ließ er ihr mittlerweile, weil er wusste, dass sie ihm nie antwortete, während sie sich die Farbe abnahm. Vor Jahren hatte sie ihn in solchen Momenten stets böse angezischt, wenn er nicht schwieg. Diese wenigen Sekunden gehörten alleine ihr. Sie waren ohnehin nur schwer zu ertragen, da brauchte sie nicht noch sein aufmerksamkeitsforderndes Gerede. Bahn für Bahn nahm sie die Farbe von sich. Legte Furche für Furche unerbittlich frei. Wie lange würde es noch dauern, bis sie sich so nicht mehr sehen konnte? Sie schloss jetzt beide Augen und rieb mit einem frischen Wattebausch über ihr Gesicht. Im Dunkeln würde es genauso gut gehen. Mit einem kurzen Augenaufschlag kontrollierte sie das Ergebnis ihres Blindfluges über das eigene Gesicht. Sie nickte sich einmal im Spiegel zu. Das war die Bestätigung, die sie brauchte. Von ihm bekam sie ja ohnehin keine. Wenn sie weiter so schnell alterte wie in den letzten zwei Jahren, dann war spätestens im kommenden Frühjahr der Zeitpunkt da, ab dem sie jeden Spiegel im ungeschminkten Zustand meiden würde. Sie ertappte ihre Fingerspitzen dabei, wie sie knapp oberhalb der Ohren ansetzten, um die Haut zu spannen. Der Zustand von vor vier oder fünf Jahren war so wiederhergestellt. Etwas straffere Wangen. Und die tiefen Furchen um den Mund waren weg. Blieben nur noch die Fältch