: Henry David Thoreau
: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat und andere Essays
: Diogenes
: 9783257604092
: 1
: CHF 10.00
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 96
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eines jener Bücher, die die Welt verändern: Thoreaus Essay ?Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat?, den er 1849 aus Protest gegen die amerikanische Eroberungs- und Sklavenpolitik veröffentlichte und der nun erstmals in einer zweisprachigen Leinenausgabe erscheint. Nicht so sehr ein Pamphlet als schlicht große Poesie.

Henry David Thoreau, geboren 1817 in Concord, Massachusetts, verließ die Heimatstadt nur für seinen Studienaufenthalt an der Harvard University von 1833 bis 1837. Nach einigen Jahren Tätigkeit als Lehrer und als Privatsekretär Ralph Waldo Emersons bezog er 1845 eine selbstgebaute Blockhütte am Waldensee, in der er ?Walden oder Leben in den Wäldern? schrieb. Er engagierte sich bis zu seinem Tod gegen die Sklaverei. Thoreau starb 1862 an Tuberkulose.

[7] Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

Ich habe mir den Wahlspruch zu eigen gemacht: »Die beste Regierung ist die, welche am wenigsten regiert«; und ich sähe gerne, wenn schneller und gründlicher nach ihm gehandelt würde. Wenn er verwirklicht wird, dann läuft es auf dies hinaus – und daran glaube ich auch: »Die beste Regierung ist die, welche gar nicht regiert«; und wenn die Menschen einmal reif dafür sein werden, wird dies die Form ihrer Regierung sein. Eine Regierung ist bestenfalls ein nützliches Instrument; aber die meisten Regierungen sind immer – und alle sind manchmal – unnütz. Die Einwände, die man gegen ein stehendes Heer vorgebracht hat – und davon gibt es viele und gewichtige, die sich durchsetzen sollten –, können letztlich auch gegen eine ständige Regierung erhoben werden. Das stehende Heer ist doch nur ein Arm der ständigen Regierung. Diese Regierung aber, die nichts weiter als die Form ist, welche das Volk zur Ausführung seines Willens gewählt hat, kann leicht mißbraucht und verdorben werden, bevor das Volk Einfluß darauf nehmen kann. Der Krieg in Mexiko1 beweist es, das Werk einer vergleichsweise geringen Zahl von einzelnen, welche die ständige Regierung als ihr Werkzeug benutzt: das Volk hätte dieser Maßnahme von vornherein nicht zugestimmt.

Was ist die amerikanische Regierung anderes als eine Tradition – und noch dazu eine recht junge –, die danach strebt, sich selbst ohne Machteinbuße für die Nachwelt zu erhalten, die dabei aber in jedem Augenblick mehr von ihrer Glaubwürdigkeit verliert? Sie hat ja nicht einmal die Lebenskraft und Energie eines einzigen lebensvollen Mannes; denn ein einzelner kann sie nach seinem Willen zurechtbiegen. Sie ist eine Art Holzkanone für das Volk; wenn man sie je im Ernst gebrauchen würde – sie würde ganz sicher platzen. Deshalb ist sie aber nicht weniger notwendig; die Leute brauchen einfach irgendeine umständliche Maschine,[8] sie wollen ihr Geräusch hören, um die Vorstellung zu befriedigen, die sie von einer Regierung haben. Regierungen führen uns also vor, wie leicht man die Menschen betrügen kann, ja, wie sie sich sogar selbst betrügen – und zwar zu ihrem eigenen Vorteil. Wir müssen zugeben: es ist eindrucksvoll; nur, von sich aus hat diese Regierung noch nie irgendeine Unternehmung gefördert, höchstens durch die Behendigkeit, mit der sie ihr aus dem Weg gegangen ist. Sie bewahrt nicht die Freiheit des Landes. Sie besiedelt den Westen nicht. Sie erzieht nicht. Alles, was erreicht wurde, verdanken wir dem eingewurzelten Charakter des amerikanischen Volkes; und der würde mehr ausgerichtet haben, wenn die Regierung nicht so oft im Wege gelegen hätte. Denn die Regierung ist ein Instrument, mit dessen Hilfe sich die Menschen endlich gegenseitig in Ruhe lassen könnten; und sie ist, wie gesagt, um so nützlicher, je mehr die Regierten von ihr in Ruhe gelassen werden. Wie aber ist es in Wirklichkeit? Wenn sie nicht aus Gummi wären, könnten Handel und Wirtschaft niemals die Hindernisse überspringen, welche die Gesetzgeber ihnen unaufhörlich in den Weg