: Cay Rademacher
: Jesus und seine Welt Eine historische Spurensuche
: Ellert& Richter Verlag
: 9783831910038
: 1
: CHF 6.80
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: Vor- und Frühgeschichte
: German
: 160
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Jesus von Nazareth predigte vor zwei Jahrtausenden in einer entlegenen Randregion des Römischen Weltreiches, die man zu Fuß in wenigen Stunden durchqueren konnte. Und doch hat seine Lehre die Weltgeschichte verändert. Wissenschaftler haben sich auf die Spur des Nazareners begeben. Die Ergebnisse der Forscher sind Bruchstücke aus einer fernen Zeit, die - gleich den Teilen eines Puzzles - zu einem faszinierenden Bild zusammengefügt werden. Der Journalist und Historiker Cay Rademacher hat auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse eine moderne Biografie geschrieben über Jesus und die Welt, in der er wirkte.

Cay Rademacher, geboren 1965, studierte in Köln und Washington Anglo-Amerikanische Geschichte, Alte Geschichte und Philosophie. Er ist Reporter bei GEO und Geschäftsführender Redakteur des Geschichtsmagazins GEO-Epoche. Außerdem verfasste er mehrere Sachbücher und Romane.

Ein Reich von dieser Welt

Jesu Welt: Das ist eine abgelegene, vergleichsweise arme, ständig unruhige Region in einem der langlebigsten Weltreiche der Geschichte– dem Imperium Romanum.

Jahrhundertelang glich das Mittelmeer einem gigantischen Marktplatz. An seinen Rändern lebten– mal friedlich, oft kriegerisch– unterschiedliche Völker. Das Meer selbst war der Weg für Heere, Waren, Ideen, so dass im Laufe der Jahrhunderte zwar keine gemeinsame Zivilisation, aber doch ein großer Kulturraum entstand.

Vor allem imöstlichen Mittelmeerraum– jenem Becken, das von Kleinasien bis etwa zu einer Linie Griechenland-Ägypten reicht– entwickelte sich schon früh eine erstaunliche Vielfalt. Das Reich der Pharaonen, das sich bereits im dritten vorchristlichen Jahrtausend ausgeformt hatte, war 2000 Jahre später immer noch eine Macht, wenn auch eine, die im Untergang begriffen war. In Kleinasien kämpften jahrhundertelang diverse Zivilisationen– die Hethiter etwa, die Lyder, Perser oder das Seefahrervolk der Phönizier– um die Vorherrschaft. Ihre Nachbarn waren die Griechen. Die hatten, zersplittert in Hunderte Stadtstaaten wie Athen, Korinth oder Milet, nicht nur die peloponnesische Halbinsel besiedelt, sondern auch, geschickte Seefahrer, die sie waren, Kolonien gegründet in Kleinasien, an den Schwarzmeerküsten, in Nordafrika und sogar weit im westlichen Mittelmeerraum: in Süditalien, Südfrankreich und Spanien.

Dort, im westlichen Mittelmeerraum, stießen die Griechen auf das Reich der Handelsmetropole Karthago in Nordafrika; auf Etrusker, die Mittelitalien beherrschten; auf Kelten in Frankreich und Iberer in Spanien. Und sie stießen auf eine, zunächst, kleine Stadt an einem Fluss irgendwo in Mittelitalien: auf Rom.

Als Jesus geboren wurde, war diese vielfältige Mittelmeerkultur noch immer gegenwärtig und doch zugleich Vergangenheit. Gegenwärtig, weil die Völker in verschiedenen Sprachen redeten und unterschiedliche Götter verehrten, weil die Griechen noch in ihren Städten saßen und die Kelten in Südfrankreich, weil phönizische Seefahrer noch immer das Meer befuhren undägyptische Isis-Priesterinnen in Tempeln Opfer darbrachten.

Vergangenheit aber doch auch, weil alle Menschen des Mittelmeerraumes erstmals in der Geschichte dem gleichen Herrn unterworfen waren: dem Kaiser von Rom.

Vor allem Roms Herrschaftüber dieöstliche Hälfte der Mittelmeerwelt war dabei jedoch ein noch vergleichbar neues Phänomen. Die Tiberstadt war als Republik groß geworden, als„Senatus Populusque Romanus“,„Senat und Volk von Rom“: SPQR. Im Senat bestimmten die Oberhäupter mächtiger Adelsfamilien wie der Scipionen die Politik. Roms Bürger, vor allem die Bauern, dienten als Soldaten in der Legion und erhielten im Falle eines Sieges einen angemessenen Anteil von Beute und Land.

So schwang sich die Stadt, vor allem in den Kämpfen gegen den nordafrikanischen Erzrivalen Karthago, im dritten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert in endlosen Kriegen zur Beherrscherin des westlichen Mittelmeeres auf. Im Jahr 146 v. Chr. wurde Karthago dem Erdboden gleichgemacht – und Rom wandte sich endgültig ostwärts.

Während die Legionen Griechenland, den Balkan, dann Syrien unterwarfen, veränderte sich der Staat, der sie ausschickte. Schwere, Jahrzehnte währende Bürgerkriege erschütterten während des ersten vorchristlichen Jahrhunderts nun auch Rom selbst: Kämpfe mächtiger Heerführer, die das Gleichgewicht der Macht im Senat nicht länger akzeptieren wollten, sondern zur Alleinherrschaft strebten. Im Jahr 45 v. Chr. hatte sich Julius Caesar gegen alle Rivalen durchgesetzt. Zwar wurde er schon im Jahr darauf von Senatoren erdolcht, doch die Tage der Republik waren endgültig gezählt.

Nach weiteren Kämpfen um das Erbe Caesars ließ sich dessen Neffe und Adoptivsohn Octavian vom Senat im Jahr 27 v. Chr. den Ehrentitel„Augustus“ verleihen,„der Erhabene“. Von nun an war Rom ein Kaiserreich.

Augustus regierte bis 14 n. Chr.– eine ganze Generation lang, länger, als jemals ein römischer Kaiser auf dem Thron sitzen würde. In diesen Jahren formte er den neuen Staat: Der Kaiser stand allein an der Spitze, war oberster Feldherr, höchster Richter, wichtigster Priester in Person. Der Senat blieb als hoch geachtete Institution bestehen, verlor aber viel von der Macht, die er jahrhundertelang innegehabt hatte. Immerhin erwählte der Kaiser aus seinen Reihen viele Männer, die er als Gouverneure und Heerführer in die Provinzen schickte, um die unterworfenen Länder zu sichern, neue Gebiete zu erobern und die Grenzen zu verteidigen.

Doch insgesamt begann mit seiner Herrschaft, nach Jahrhunderten der Eroberungs- und Bürgerkriege, eine der friedlichsten Epochen, die das Abendland je kennen gelernt hatte. Die Menschen mochten Untertanen eines fernen Kaisers sein und somit nicht„frei“ in einem modernen politischen Sinn. Der großen Mehrheit jedoch– nicht nur der Römer, sondern auch der Germanen, Gallier, Iberer, Afrikaner, Syrer und anderer Provinzialen&ndas