Kapitel 2
Über hundert Kinder standen mit ihren Eltern an der Tür der Kirche in Bloomington, dem Probenraum des christlichen Kindertheaters, als Katy Hart ihren alten zweitürigen Nissan zum zweiten Mal an diesem Nachmittag auf den Parkplatz lenkte.
Beim ersten Mal hatte sie sich noch an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten und gelegentlich das Donnerrollen in der Ferne vernommen, während sie durch die Innenstadt gefahren war und zehn Minuten vor dem Termin auf den Parkplatz gebogen war, genau, wie sie es geplant hatte. Aber als sie an der Kirchentür stand, merkte sie, dass sie den Schlüssel vergessen hatte.
Das löste eine halsbrecherische Fahrt zurück durch Bloomington und nach Clear Creek aus, wo sie bei der Familie Flanigan wohnte. Eine panische Suche in ihrem Zimmer brachte schließlich den Schlüssel zum Vorschein, aber jetzt war sie eine Viertelstunde zu spät.
Das Vorsingen fürTom Sawyer sollte um 16 Uhr beginnen.
Katy und ihrem Kreativteam blieben nur drei Stunden, um alle Kinder vorsingen zu lassen, und eine weitere Stunde, um zu entscheiden, wer zum zweiten Vorsingen eingeladen würde. Um zwanzig Uhr brauchte die Kirchengemeinde das Gebäude für eine Veranstaltung, und sie hatte versprochen, dass bis dahin alle vom christlichen Kindertheater das Gebäude verlassen hätten.
Katy biss sich auf die Lippe, schnappte sich ihre Leinentasche und stürmte aus dem Auto. Solange das Kindertheater kein eigenes Gebäude hatte, waren knappe Termine wie heute normaler Bestandteil ihres Lebens. Wenigstens war die Kirchengemeinde bereit, jeden Montag und Donnerstag und zweimal an den Wochenenden ihre Türen zuöffnen, damit das christliche Kindertheater, oder kurz CKT, sich hier treffen und seine Proben abhalten konnte. Ein eigenes Gebäude wäre nett gewesen, aber Katy hielt sich mit solchen Wünschen nicht allzu lange auf. Sie beschleunigte ihre Schritte.Ich bin dankbar, Gott. Wirklich.
Als die Kinder sie erblickten, fingen sie an zu winken und freuten sich.„Katy ... Katy!“
Sie lief an der Schlange entlang zur Seitentür und entschuldigte sich für die Verspätung, während sie eilig aufschloss. Ein Schwall abgestandener, heißer Luft kam ihr entgegen. Katy runzelte die Stirn und schaute zur dunklen Zimmerdecke hinauf. Man hatte ihr versprochen, die Klimaanlage einzuschalten. Sie musste dasüberprüfen, sobald die Anmeldung begann.
Katy drückte auf den Lichtschalter, während die ehrenamtlichen Helfer unter den Eltern zu ein paar Tischen eilten, die im Eingangsbereich aufgestellt waren. Die Kinder strömten herein.
„Ihr wisst, wie es läuft.“ Katy winkte den Kindern zu und es gelang ihr, den Geräuschpegel so weit zu senken, dass man sie verstehen konnte.„Ihr braucht ein Passfoto und müsst ein Formular ausfüllen und es von euren Eltern unterschreiben lassen. Stellt euch in einer Reihe an. Dann gibt euch jemand eine Nummer. Wer kein Foto dabeihat, kann sich bei ...“ Katy blickte sich um, um zu sehen, wer heute die Polaroidkamera bediente.„... Mrs Jennings anstellen. Ich hole die ersten zehn von euch in fünf Minuten in den Gottesdienstraum.“
Drei Leute würden mit ihr die Jury bilden: Rhonda Sanders, Choreographin und Katys beste Freundin, und Al und Nancy Helmes, ein Ehepaar mit einer großen Leidenschaft für Musik und Kinder, tragende Säulen im christlichen Kindertheater. Al und Nancy hatten die musikalische Leitung fürTom Sawyer, und sie waren auch beim Vorsingen dabei. Das Ehepaar strahlte eine erstaunliche Liebe zueinander aus und zu seinen acht Kindern– von denen drei zum Kindertheater gehörten.
Hin und wieder fiel Katys Blick auf sie, wenn sie vor einer Mahlzeit die Köpfe zum Gebet beugten oder sich auch in einem Raum voller Menschen tief in die Augen sahen, und Katy fragte sich: Würde sie jemals eine solche Liebe erfahren? Eine Liebe, die dieÄrmel hochkrempelte und zusammen arbeitete, zusammen spielte und gemeinsam die acht Kinder großzog und dabei von Mal zu Mal glücklicher und verliebter aussah?
Katy hoffte es.
Sie gab den Müttern, die an den Anmeldetischen saßen, noch einige Anweisungen. Dann erblickte sie Cara, eine von Als und Nancys Töchtern.
„Hallo, Katy! Wieder ein Vorsingen!“, grinste Cara. Ihre Augen funkelten wie immer.
„Ja, es wird bestimmt sehr schön!“ Katy umarmte das Mädchen.„Bis gleich!“
Cara nickte und ging mit ihren Eltern durch den Mittelgang zu ihrem Platz in der zweiten Reihe, wo sie gespannt auf den Beginn des Vorsingens wartete. Cara war zweiundzwanzig und hatte Down-Syndrom. Sie war eingeladen, an allen Auftritten und bei jedem Vorsingen des Kindertheaters teilzunehmen, worauf sie sich immer sehr