: Kristen Heitzmann
: Die Villa im Weinberg
: Francke-Buch
: 9783868279337
: 1
: CHF 12.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 100
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Lance Michelli ist auf der Suche nach etwas - er weiß nur nicht genau wonach. Seine schwer kranke Großmutter konnte ihm lediglich verständlich machen, dass er sich auf die Suche nach den dunklen Geheimnissen ihrer Vergangenheit begeben soll. Diese Suche führt ihn erst nach Italien und dann ins Sonoma Valley, Kalifornien. Die wunderschöne Villa, in der seine Großmutter als Kind lebte, gehört inzwischen einer Frau namens Rese Barrett. Diese renoviert das Anwesen, um darin ein Bed& Breakfast zu eröffnen. Kurz entschlossen lässt Lance sich als Koch und Mädchen für Alles einstellen. Vielleicht kann es ihm so gelingen, den Geheimnissen seiner Nonna auf die Spur zu kommen. Zuerst geraten Lance und Rese immer wieder aneinander. Doch dann kommen sie sich trotz ihrer Unterschiede näher. Und bald muss Lance sich fragen, ob es wirklich so eine gute Idee war, Rese über seine Motive im Unklaren zu lassen. Wie wird sie reagieren, wenn die Wahrheit ans Tageslicht kommt? Hat er womöglich jede Chance auf eine Zukunft mit ihr verspielt?

Kristen Heitzmann lebt mit ihrem Mann und den vier Kindern am Fuße der Rocky Mountains. Bereits in der Grundschule begann sie zu schreiben, und studierte später Englische Literatur und kreatives Schreiben. Wenn sie nicht an einem ihrer Bücher arbeitet oder ihre Kinder unterrichtet, engagiert sich die überaus erfolgreiche Autorin im Musikteam ihrer Gemeinde.

Kapitel 1

Sonne.
Tau auf den Trauben.
Ein blauer Reiher am Himmel, die Beine wehen wie ein Band hinterher.
Nonnos Hand in meiner. Er bückt sich, pflückt eine Traube,
eine Kugel, gesättigt von schwarzer Erde und Gebet.
Klein in seinen langen, knorrigen Fingern.
Dicke, gegerbte Haut, aber im Innern vollÜberfluss
nebelverhüllter Morgen und fauler Stunden voller Sonne.
„Ist es so weit?“
Er legt sie in meine Hand und schließt meine Finger um sie.„Bald.“
Und er lächelt.

Die Krankenschwestern im St.-Barnabas-Krankenhaus hatten aufgegeben, sie hinauszuscheuchen. Solange die Angehörigen den medizinischen Fachkräften Platz machten, durften sie am Bett wachen. Ihre Gebete erfüllten den Raum genauso wie der Sauerstoff, der durch einen Schlauch in Nonna Antonias Nase strömte, in ihre Lunge. Lance atmete den Glauben seiner Familie ein und seinen eigenen aus.

Obwohl Nonnas Körper gebeugt und faltig war, hatte sie sein ganzes Leben lang das Herz dieser Familie verkörpert, und sie würden sie nicht ohne Kampf ziehen lassen. Lance lehnte sich vor und drückte ihre knochige Hand. Andere hätten an seiner Stelle sein können, zum Beispiel Nonnas eigener Sohn– Lance’ Vater– oder Mama oder seine Schwestern, aber eigentlich war es sein Platz. Lance würde das nicht laut sagen, aber das brauchte er auch gar nicht.

Nonna wusste, dass er hier war. Selbst im Medikamentennebel wusste sie es, und sein Händedruck versicherte ihr, dass er hier sein würde, solange sie ihn brauchte. In den vergangenen zwei Jahren war er herumgeirrt, hatte versucht, Antworten auf Fragen zu finden, auf die es keine Antworten gab. Aber jetzt war er da. Sie beide brauchten die Verbindung durch diesen Händedruck.Ich bin hier, Nonna. Wenn er seine Kraft irgendwie in sie hineinströmen lassen könnte, würde er es tun. Kraft und Trost und Mut und ein wenig von dem, was er auf der Straße gelernt hatte:Wehr dich. Lass dich nicht von ihnen unterkriegen.

Aber eigentlich brauchte er ihr das alles gar nicht zu erzählen; den Großteil hatte er ja von ihr gelernt. Seine Kehle schnürte sich zu, als er an all die Verbände dachte, die sie im Lauf seiner Kindheit auf seine Wunden gelegt hatte.„Sag Papa nichts, Nonna“, hatte er sie unzählige Male gebeten.

„Der Mann hat Augen im Kopf, ragazzo piccolo. Er merkt es ohnehin.“

Aber wenn es darauf ankam, hatte sie immer seine Partei ergriffen.„Sei nicht so streng mit ihm. Er gibt sein Bestes.“

Dieses Beste war allerdings relativ durchschnittlich, und das war sein Problem. Nicht wie bei Tony, dessen Bestes einem Superhelden gut zu Gesicht gestanden hätte. Noch ein Stich.Mach es nicht noch schlimmer, sagte er sich, aber wann hatte er jemals seinen eigenen Rat befolgt? Lance blickte sich im Zimmer um. Mamas Lippen formten ein lautloses Gebet; Papa hatte den Kopf in den Händen vergraben. Er musste erschöpft sein, schließlich hatte er ganz normal gearbeitet und war dann sofort hierhergeeilt, nachdem er den Anruf bekommen hatte.

Seine Schwester Monica versuchte, ihren Sohn Nicky zu beruhigen, aber der enge Raum und die erdrückende Sorge mussten den Kleinen verrückt machen. Monica warf ihm einen Blick zu und schob sich dann zur Tür hinaus, an Lucy vorbei, deren kleine Tochter Nina auf ihrem Arm eingeschlafen war. Lance’ dritte Schwester, Sofie, sollte eigentlich lernen. Sie machte gerade ihre Doktorprüfung und konnte sich eine Ablenkung nicht leisten. Nicht, dass sie selbst ihre Prioritäten so gesetzt hatte, aber das waren die Tatsachen.

Diese Tragödie würde ihnen allen etwas abverlangen. Für Lance war es am einfachsten, bei Nonna zu bleiben, weil er wie immer keine Verpflichtungen hatte. Manchmal hatte das seine Vorteile; in einer Krise war man verfügbar.

Aber Lance wollte dies hier nicht als Krise sehen. Sie waren immer noch dabei, sich von der letzten zu erholen, von Tony. Er blickte kurz zu Gina hinüber, die an der Tür stand, und er wusste, dass die Gefühle in ihr Achterbahn fuhren. Seine Schwägerin sollte wirklich zu Hause sein. Er kam hier schon allein klar. Nonna Antonia war eine Kämpfernatur. Sie schlug zurück und sie traf immer. Sie hatte ihm oft genug sein Hinterteil versohlt, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt gewesen war, ihn zu verteidigen.

Sie alle sollten nach Hause fahren und schlafen. Papa hatte noch nichts zu Abend gegessen. Lance suchte den Blick seiner