Kapitel 1
Die Antworten befanden sich in der braunen Papiertüte. Wenigstens sagten das alle.
Dayne Matthews trug die Tüte in sein Haus am Strand von Malibu, legte sie auf die Arbeitsplatte in seiner Küche und holte tief Luft. Kelly war bis zum nächsten Tag fort. Sie war bei ihrem Agenten in Manhattan. Dayne hatte den ganzen Abend Zeit, um seine Fragen zu klären, einen ganzen Abend, um wenigstens eine kleine Ahnung von dem Frieden zu bekommen, der ihm fehlte.
Eröffnete die Tüte und zog ein dickes, schweres Buch heraus:Kabbala– Dein eigener Gott werden.
Dayne fuhr mit den Fingernüber die Schrift. Er war ein paar Mal ins Kabbala-Zentrum in Los Angeles gegangen, und heute war er dort gewesen und hatte dieses Buch gekauft. Die Kabbala-Bibel. Er fing an, die Sache ein wenig zu verstehen, jetzt, da er seine Schuldgefühle abgelegt hatte. Die innere Stimme war endlich verstummt, die ihm vorwarf, er wende sich vom Glauben seiner Eltern ab. Er war bereit, sich eingehender mit der Lehre der Kabbala zu befassen.
Ein Mann in weißem Hemd und weißer Hose hatte hinter der Theke gearbeitet. Er schien Dayne nicht zu erkennen, aber das hatte nichts zu bedeuten. Zahlreiche Prominente besuchten dieses Zentrum. Berühmte Schauspieler beeindruckten diesen Mann wahrscheinlich nicht. Warum sollten sie das auch, wenn Erleuchtung bedeutete, weltliche Werteüber Bord zu werfen und sie gegen eine höhere Bewusstseinsebene einzutauschen?
Dayne hatte das Buch auf die Verkaufstheke gelegt.„Das ist es, nicht wahr? Das große Buch?“
Der Mann lächelte. Es war ein Lächeln, das nicht von dieser Welt war.„Die Antworten auf die Fragen des Lebens befinden sich in diesem Buch.“
Das war alles, was Dayne hören wollte. Er war an einem Punkt in seinem Leben angekommen, an dem er nur Fragen und keine Antworten hatte.Überhaupt keine Antworten. Er wohnte mit Kelly Parker, der Hauptdarstellerin in seinem aktuellen Film, zusammen, aber er liebte sie nicht. Trotzdem wollte er nicht mit ihr Schluss machen. Die Dreharbeiten für den Film begannen in zwei Wochen. Wenn er jetzt mit Kelly Schluss machte, könnte es passieren, dass vor der Kamera die Chemie zwischen ihnen nicht stimmte.
Dayne drehte das Buch um und las den Einbandtext. Ein kursiv gedruckter Absatz oben auf der Seite fragte:„Fehlt Ihnen Frieden? Können die traditionellen Religionen Ihre Leere nicht füllen? Sind Sie auf der Suche? Kommen Sie zu denältesten Wahrheiten der Welt, den Wahrheiten, die Sie wirklich frei machen werden.“
Das war es, was ihm fehlte. Freiheit.
Er war in seinem Leben gefangen, er war eingesperrt, und er konnte nicht daraus ausbrechen. Nicht aus der Situation mit Kelly und auch nicht aus der Situation mit seiner leiblichen Familie, den Baxters. Sie wussten nichts von ihm, weil er ihnen nichts verraten durfte. Sonst würden die Paparazzi seiner Familie die Freiheit genauso rauben, wie sie sie ihm geraubt hatten.
Und was war mit seiner Wut? Dayne war früher ein ziemlich gelassener Mensch gewesen, den nicht viel aus der Ruhe hatte bringen können, doch jetzt spürte er die ganze Zeit bohrende Wut in sich. Er war wütend auf seine Adoptiveltern, weil sie ihn in ein Internat geschickt hatten, damit sie durch den indonesischen Dschungel ziehen und den Menschen von Jesus erzählen konnten. Wütend, dass sie bei einem Flugzeugabsturz gestorben waren, als er erst achtzehn gewesen war, und wütend, dass er seitdem ohne Familie leben musste, obwohl er die ganze Zeit leibliche Eltern und Geschwister in Bloomington, Indiana, gehabt hatte.
Das war das Nächste: Dayne war wütend, weil seine Eltern ihm die Sache mit der Adoption nicht erklärt hatten. Es genügte nicht, einem kleinen Kind zu sagen, dass eine andere Frau es auf die Welt gebracht hatte. Wie hätte er das begreifen sollen? Wenn er vorüber einem Jahr nicht zufällig Luke Baxter in der Kanzlei seines Anwalts begegnet wäre, hätte er niemals erfahren, wer seine leibliche Mutter war.
Aber jetzt wusste er es, und nur wegen