: Kathy Reichs
: Lasst Knochen sprechen Roman
: Blessing
: 9783641138264
: Die Tempe-Brennan-Romane
: 1
: CHF 8.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die erfolgreichste Forensikerin der Welt
Ein ermordetes Mädchen, die Überreste zweier Motorradfahrer und der ausgegrabene Schädel einer jungen Frau - damit hat die forensische Anthropologin Tempe Brennan im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun. Doch als sie einen brisanten Zusammenhang zwischen den Toten und zwei verfeindeten Motorrad-Banden erahnt, gerät nicht nur Tempe in Lebensgefahr. Leider entwickelt auch ihr Neffe Kit ein verhängnisvolles Faible für Motorräder ...

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensic Anthropology zertifizierten forensischen Anthropolog*innen und war unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie 'BONES - Die Knochenjägerin' wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

2


Am Tag zuvor hatte ich einen Leichenbergungs-Workshop an der FBI-Academy in Quantico abgehalten. Mein Team aus Spurensicherungstechnikern grub eben sein Skelett aus und kartografierte es, als ich einen Special Agent durch die Bäume auf uns zukommen sah. Er berichtete, dass ein Dr. LaManche mich dringend zu sprechen wünsche. Mit einer komischen Vorahnung verließ ich mein Team.

Während ich mir einen Weg aus dem Wald heraus und zur Straße suchte, dachte ich an LaManche und daran, was dieser Anruf wohl zu bedeuten hatte. Ich arbeitete als Gutachterin für dasLaboratoire de Sciences Judiciaires et de Médecine Légale, LSJML, dem Institut für Forensik und Gerichtsmedizin, seit ich Anfang der Neunzigerjahre im Rahmen eines Fakultätsaustausches zwischen der McGill und meiner Heimatuniversität in Charlotte nach Montreal gekommen war. Da LaManche wusste, dass ich in den Staaten als amtlich zugelassene forensische Anthropologin arbeitete, war er natürlich neugierig gewesen, ob ich auch ihm von Nutzen sein konnte.

Die Provinz Quebec hatte ein zentralisiertesCoroner-System mit bestens ausgestatteten Forensik- und Gerichtsmedizinlaboren, aber keinen amtlich zugelassenen forensischen Anthropologen. Damals fungierte ich, wie auch jetzt noch, als Beraterin für das Büro des Obersten Leichenbeschauers von North Carolina, und LaManche wollte mich für das LSJML. Das Ministerium finanzierte ein Anthropologielabor, und ich schrieb mich für einen Intensivkurs in Französisch ein. Seit einem Jahrzehnt bringt man mir die skelettierten, verwesten, mumifizierten, verbrannten und verstümmelten Leichen Quebecs, damit ich sie untersuche und identifiziere. Wenn eine konventionelle Autopsie keine Ergebnisse bringt, versuche ich, den Knochen zu entlocken, was ich kann.

Nur sehr selten hatte LaManche mir eine Nachricht mit dem Vermerk»Dringend« hinterlassen. Und wenn er es getan hatte, war es nie etwas Gutes gewesen.

Nach wenigen Minuten erreichte ich einen Transporter, der am Rand eines Kieswegs geparkt stand. Ich löste die Haarspange und fuhr mir mit den Fingernüber die Kopfhaut.

Keine Zecken.

Nachdem ich die Haare wieder zusammengefasst hatte, holte ich meinen Rucksack aus dem Laderaum des Transporters und fischte mein Handy aus der Seitentasche. Der winzige Monitor zeigte mir, dass ich drei Anrufe verpasst hatte. Ich rief die Nummernliste auf. Alle drei waren aus dem Institut gekommen.

Ich versuchte zu wählen, aber die Verbindung brach immer wieder ab. Deshalb hatte ich das Handy im Auto gelassen. In den letzten zehn Jahren war mein Französisch ziemlich flüssig geworden, aber Hintergrundgeräusche und schlechte Verbindungen bereiteten mir oft Schwierigkeiten. Und da jetzt ein schwacher Empfang und die Fremdsprache zusammenkamen, war eine erfolgreiche Verständigungüber diesen Apparat so gut wie unmöglich. Ich musste also zum Hauptquartier marschieren.

Ich zog meinen Tyveck-Overall aus und warf ihn in eine Kiste im Transporter. Dann schulterte ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg den Hügel hinunter.

Hochüber den Bäumen kreiste ein Falke. Der Himmel war strahlend blau, nur hier und dort trieben einige Wolken wie Wattebäusche dahin. Normalerweise wird dieser Kurs im Mai abgehalten, und wir hatten befürchtet, dass der diesjährige Apriltermin Regen und niedrige Temperaturen bedeuten könnte. Aber kein Problem. Das Thermometer zeigteüber fünfundzwanzig Grad.

Im Gehen achtete ich auf die Geräusche um mich herum. Der Kies, der unter meinen Stiefeln knirschte. Vogelgezwitscher. Das Rotorknattern von Hubschraubern im Tiefflug. Das Knallen entfernter Schüsse. Das FBI teilt sich Quantico mit anderen nationalen Polizeibehörden und mit dem Marine Corps, und so herrscht hier beständig ein sehr reges und ernsthaftes Treiben.

Der Kiesweg mündete bei Hogan’s Alley in eine Teerstraße, knapp unterhalb des simulierten Stadtzentrums, das von FBI, DEA, ATF und anderen genutzt wird. Ich wich weit nach links aus, um nicht mitten in eineÜbung zur Befreiung von Geiseln zu geraten, und ging dann rechts auf der Hoover Road weiter hügelabwärts bis zum ersten Gebäude eines grauen und hellbraunen Betonkomplexes, von dessen höchsten Dächern Antennen aufragten wie neue Triebe an einer alten Hecke. Nachdem ich einen kleinen Parkplatzüberquert hatte, klingelte ich schließlich an der Laderampe desForensic Science Research and Training Center, dem Zentrum für forensische Forschung und Ausbildung.

Eine Seitentür ging auf, und in dem Spalt zeigte sich ein Männergesicht. Obwohl noch jung, war der Mann völlig kahl, und es sah so aus, als wäre er das schon eine ganze Zeit.

»Früher Feierabend?«

»Nein, ich muss mein Institut anrufen.«

»Sie können mein Büro benutzen.«

»Danke, Craig. Es dauert nicht lange.« Hoffte ich zumindest.

»Ichüberprüfe gerade Gerät. Sie können sich also ruhig Zeit lassen.«

Die Akademie wird wegen des Labyrinths von Tunneln und Korridoren, die die verschiedenen Gebäude verbinden, oft mit einem Hamsterkäfig verglichen. Aber die oberirdischen Etagen sind nichts im Vergleich zu dem Gewirr unter der Erde.

Wir bahnten uns einen Weg durch eine Lagerhalle voller Kisten und Kartons, alter Computermonitore und Gerätekoffer aus Metall, gingen dann einen Gang entlang und noch zwei andere bis zu einem Büro, das kaum groß genug war für einen Schreibtisch, einen Stuhl, einen Aktenschrank und ein Bücherregal. Craig Beacham arbeitete für dasNationa